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    Standard AW: Hartz IV 2016 erhöht

    laptopuser23,

    Natürlich sind die Einzelfälle nicht alle einer bestimmten Kategorie zuzuordnen, sondern die Wirklichkeit ist - mal wieder - vielfältig. Alleine schon an dem von Dir gebrachten Begriff "Schande" kann man es erkennen... Dein Bekannter empfindet seinen Hartz IV-Bezug als Schande, nach Deiner Erzählung... andere hingegen, z.B. Hauptschüler, vor TV-Kameras befragt, wie sie später einmal ihr Geld verdienen wollen, antworten fast schon mit Stolz: "Hartz IV". Von einem Gefühl der Schande ist in diesen Fällen nichts zu erkennen. Nun bin ich dagegen, daß Menschen, die wirklich ihr Äußerstes tun, um Hartz IV zu vermeiden, wobei es aber nicht gelingt, den Bezug als Schande empfinden. Wenn aber andere Personen - wie die genannten Hauptschüler - ein anderes Verständnis von Hartz IV haben, nämlich daß es so eine Art Gehalt ist, daß ihnen bedingungslos zusteht, dann ist das tatsächlich eine Schande... nur leider empfinden sie die nicht, obwohl sie es sollten.

    Meine Vorstellung ist es, daß die Sachbearbeiter der Jobcenter hier eben auch differenziert vorgehen müssen. Wer sein Bestes gibt, um dem Hartz IV zu entfliehen, dem kann und soll der Sachbearbeiter das Gefühl geben, das er ein Recht auf diese Leistungen hat. Dem Hartz-IV-Abhänger aber soll er nicht nur das Gefühl geben, daß es eine Schande ist, was der macht, sondern auch sanktionieren. Es ist mir aber auch klar, daß nicht jeder Sachbearbeiter hier überhaupt das nötige Selbstverständnis hat, oder das nötige Einfühlungsvermögen, oder den nötigen Willen, sich in den Klienten hineinzuversetzen, und daß auch diese Sachbearbeiter, wie alle anderen Menschen, auch mal einen schlechten Tag haben. Trotzdem wäre es Aufgabe der Jobcenter, die Sachbearbeiter hierzu bestmöglichst auszubilden bzw. vorzubereiten. Den gelegentlichen Sachbearbeiter, der nur seinen Frieden haben will, und in jeder Entscheidung den konfliktärmsten Weg einschlägt, wird man wohl nie verhindern können.

    Ansonsten ist es natürlich ganz klar so, daß ein großer Teil der Langzeitarbeitslosen Vermittlungshemmnisse hat, die auf psychische Probleme im weiteren Sinne zurückzuführen sind. Häufig sind das Alkohol- und Drogenprobleme. Aber manchmal auch Probleme mit dem Selbstbewußtsein o.ä. Und manchmal auch alles zusammen (Multiple Vermittlungshemmnisse). Wenn man aber dann dazu überginge, zu sagen: Die können ja gar nicht anders als von Hartz IV leben, nimmt man den Druck von diesen Personen, ihre Probleme zu lösen, oder Hilfestellungen anzunehmen, die ihre Probleme lösen wollen. Nein, auch wer psychische Probleme hat, soll (zusammen mit anderen, die ihm helfen), sein Bestmöglichstes tun, um sie zu überwinden. Dein Freund scheint da ein gutes Beispiel zu sein, daß das auch geht. Es wird immer verächtlich gesagt, daß "die Menschen in unserem System funktionieren müssen". Aber genau das ist die Definition psychischer Gesundheit: In der Gesellschaft, im Zusammenleben mit anderen Menschen zu "funktionieren"... d.h. mit den anderen Menschen in produktive Wechselwirkungen treten zu können. Der Arbeitsplatz ist ein Feld von mehreren, auf dem diese Wechselwirkungen stattfinden. Die Menschen zu befähigen, sich auf dieses Feld begeben zu können, ist also in all diesen Fällen psychischer Vermittlungshemmnisse eher eine Gesundheitspolitik als eine bloße Arbeitsmarktpolitik. Nicht zuletzt muß ich hier auch unsere Wirtschaft loben... ich habe schon mehrere Großunternehmen kennengelernt, die hier großartige Hilfestellungen geben, indem sie bestimmte Quoten solcher Problemfälle einstellen, trotz damit verbundener Probleme. Das ist gelebte soziale Verantwortung... auch wenn in dem einen oder anderen Fall staatliche finanzielle Teilunterstützungen die Entscheidung dazu sicher erleichtern.

    Ich wäre aber dagegen, hier eine Art 2-Klassensystem einzuführen... also den Menschen mit psychischen Problemen höhere Sätze zu zahlen als jenen ohne. Die Leistungen an die Menschen mit psychischen Problemen sind ohnehin höher, werden aber nicht bar ausgezahlt: Die angebotenen Drogen- oder Psychotherapien kosten ja auch was.

    Dann gibt es natürlich auch noch Grenzbereiche zur psychischen Erkrankung. Ist jemand, der Probleme mit Fremdsteuerungen hat, d.h. er kann nicht aushalten, daß andere bestimmen, was er tun soll, sondern er hat nur gelernt, daß zu tun, was er selber will... sind die schon psychisch krank? Wenn ja, wie heilt man das? Das wäre vielleicht durch "In Vivo Desensibilisierung" zu heilen, d.h. durch eine Konfrontation des Betreffenden mit Situationen, in denen ihn andere steuern, durch eine Gewöhnung an den Gegenstand der ehemaligen Phobie... aber was macht man, wenn der Betreffende all diesen Versuchen der Konfrontation ausweicht? Die Arbeitsplätze, an denen man sein eigener Chef sein kann, sind nun mal eher rar. Es ist nicht unzumutbar, einen Arbeitsplatz annehmen zu müssen, wo das nicht der Fall ist. Wird die Konfrontation dennoch durch die Jobcenter erzwungen, erzeugt dies Leidensdruck bei den Betreffenden, sie jammern herum, daß das System sie knechtet. Nach drei Tagen wird dann der Job hingeschmissen... eine viel zu kurze Zeit, als daß der Betreffende lernen kann, auch in fremdbestimmter Arbeit seine persönlichen Befriedigungen zu suchen und zu finden.

    Es gibt auch "Sonderlinge". So ein Fall ist mir näher bekannt... das ist sogar ein Akademiker, ein Geologe. Scherzhaft sagte er aber immer, seine Diplomarbeit hätte im Zählen von Steinen bestanden. Da war was Wahres dran, vermutlich hatte man an der Uni schon irgendwie so eine Art Mitleid mit ihm und wollte ihn nicht ohne Abschluß wegschicken. In der IT-Firma, in der ich damals auch war, wurde er eingestellt, überlebte aber die Probezeit nicht. Er war ganz einfach zu praktisch allem unfähig. Gab man ihm eine Aufgabe, erledigte er sie nicht, sagte aber niemandem, daß er überfordert war, sondern erklärte auf Nachfrage jedesmal: Ja, ich bin dabei. Nach drei Wochen kam dann raus, das nichts getan war. Trotz intensiver Suche nach Dingen, die er hätte erledigen können, wurde nichts gefunden. Er war nicht in der Lage, zwischen Wichtigem und Unwichtigem zu unterscheiden, und verzettelte sich im völlig Unwichtigen, an dem er schon scheiterte. Nach der Probezeit war er dann arbeitslos, allerdings nicht lange, da man ihm zugute halten muß, daß er nicht anspruchsvoll war. Er landete dann an irgendeinem Band, an dem er Metallteile sortieren mußte. Diese Arbeit machte ihm Spaß, da sie ihn nicht überforderte. Jetzt stelle man sich mal vor, das wäre anders gewesen, und der hätte nicht den kindlichen Spaß an Tätigkeit, egal wie simpel, gehabt, sondern Arbeit generell als Last empfunden. Die Langzeitarbeitslosigkeit wäre vorprogrammiert gewesen. Dieses Beispiel zeigt mir, daß auch "Sonderlinge" einen Platz am Arbeitsmarkt finden können, ohne ihre Eigentümlichkeiten in unzumutbarem Maß aufgeben zu müssen.

    Zu Auctoritas wollte ich auch was schreiben, aber Darkfield war schneller. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden nicht dadurch falsch, daß man sie zusammenfasst oder in Kurzform darstellt... nichts anderes versucht Wikipedia zu machen.
    Geändert von freulein (07.03.2016 um 14:59 Uhr)

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