1. #1
    Avatar von TomatenKetchup
    Registriert seit
    25.06.2013
    Beiträge
    245
    Thanked 167 Times in 56 Posts

    Standard Inklusion in der Schule

    Inklusion ist ja ein recht großes Thema in unserer Gesellschaft, bei dem es noch einiges zutun gibt. Ich möchte hier darauf eingehen, ob Inklusion in Schulen sinnvoll ist und wenn ja wie es umgesetzt werden sollte, oder ob es das Lernklima eher behindert. Für alle die das Wort noch nicht kennen eine kurze Erklärung: Inklusion heißt "Zugehörigkeit" und bedeutet, dass jeder Mensch, unabhängig von körperlichen oder psychichen Behinderungen, überall dabei sein kann. In diesem Beispiel heißt das also Konkret, dass körperlich oder geistig beeinträchtigte Kinder zusammen mit "normalen" gesunden Kinder die gleiche Schule besuchen, und nicht auf eine Art Sonderschule gehen.

    Seit sich Deutschland 2009 verpflichtet hat Schüler mit und ohne Handicap gemeinsam zu unterrichten, ist der Anteil von Kindern mit Förderbedarf die eine normale Schule besuchen im Schuljahr 2013/14 auf rund 32% gestiegen. 2008/09 waren es noch rund 19 Prozent. Der Anteil varriert aber noch stark nach Bildungsstufe: In Kitas beträgt der Inklusionsanteil 67 Prozent, in Grundschulen rund 30 Prozent, dagegen in der Sekundarstufe nur rund 30 Prozent. Auch in den einzelnen Bundesländern variieren die prozentualen Anteile sehr stark.

    Vorteile von Inklusion:
    • Behinderte Schüler werden nicht vom Rest der Gesellschaft ausgeschlossen und können auch außerhalb leichter Freunde finden
    • Beeinträchtigte und nicht beeinträchtigte Schüler können voneinander lernen (denn auch Kinder mit Handicap haben ja Fähigkeiten) => Laut internationalen Vergleichen erzielenheterogene Bildungseinrichtungen und inklusive Bildungseinrichtungen bessere Lernerfolge
    • Geringere Kosten, da nicht mehr zwei Bildungssysteme parallel laufen müssen, sondern nur noch eines

    Nachteile:
    • Es kann nicht optimal auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler mit Förderbedarf eingegangen werden
    • Betroffene Kinder könnten sich schlecht fühlen (evtl sogar depressiv werden), weil sie sich ständig wie das "schwarze Schaaf" fühlen und täglich gesunde Kinder sehen und wissen, das sie nie so sein werden
    • Laut Experteneinschätzungen schaffen nur 1-3% der Kinder mit Förderungsbedarf die Schule und finden später einen Ausbildungsplatz. Bei einigen ist es durch ihre Krankheit gar nicht möglich einen Schulabschluss zu erreichen => Zieldifferenzierter Unterricht


    Ich persönlich kann mir trotz allem nicht wirklich vorstellen, dass es möglich ist, behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam zu unterrichten. Vor allem nicht in höheren Klassen. Die beeinträchtigten Kinder haben ja ein Handicap und benötigen z.B. spezielle Förderung, oder sind gar nicht in der Lage den Schulstoff durch ihre Erkrankung zu verstehen. Der einzige Weg den ich da sehe ist für diese Schüler Ausnahmen zu machen, dass sie die Schule nicht zum Zwecke eines Abschlusses besuchen, sondern eher um der sozialen Gemeinschaft. Das wiederum birkt aber die Gefahr, dass sich die anderen Schüler dann benachteiligt fühlen. Grade in der Pupertät kann ich mir das gut vorstelen. Wie ist eure Ansicht zu diesem schwierigen Thema?

    Quellen und weitere Infos zum Thema:
    https://www.bertelsmann-stiftung.de/...ein-fremdwort/
    Bertelsmann-Studie: Inklusion an deutschen Schulen deutlich gestiegen - SPIEGEL ONLINE
    Pro und Kontra zum Thema Inklusion: Streitfall: Gibt es Grenzen der Inklusion? - Baden-Württemberg - Stuttgarter Zeitung

  2. #2

    Registriert seit
    02.01.2013
    Beiträge
    879
    Thanked 458 Times in 313 Posts

    Standard AW: Inklusion in der Schule

    Das mit den geringeren Kosten ist sehr stark zu bezweifeln. Nimmt man Inklusion ernst, müsste jede Klasse mit behinderten Schülern einen zweiten spezialausgebildeten Lehrer bekommen. D.h. während früher so ein Lehrer größere Gruppen von Behinderten betreute, betreut jetzt so ein Lehrer ein oder zwei Behinderte in einer normalen Klasse. Mit anderen Worten, die Zahl der spezialausgebildeten Lehrer, die auf die besonderen Bedürfnisse von Behinderten eingehen können, müsste verzwanzigfacht werden. Die anderen Kosten einer Förderschule (Verwaltung, Heizung usw.), die man jetzt einsparen kann, sind gegen diesen Anstieg der Personalkosten Peanuts.

    Billiger wirds nur, wenn man einfach die Behinderten in normale Klassen steckt und es dort bei einem Lehrer belässt, den man mal kurz auf einen Lehrgang ("Wie gehe ich mit Lernbeeinträchtigten um") geschickt hat. Demgegenüber, daß es billiger geworden ist, steht dann aber, daß die Betreuung der Lernbehinderten auch wesentlich schlechter geworden ist, da eben ein normaler Lehrer doch kein Speziallehrer ist... für die einzelnen Lehrer gibts dann aber mehr Arbeit und Streß, was die Unterrichtsqualität verschlechtern wird.

    Es deutet sich an, daß in vielen Klassen entgegen allen Versprechen die zweite Variante gewählt wird... obwohl natürlich immer die Versprechung im Raum steht: "Der zweite Lehrer kommt noch". Mal sehen, wann er kommt...

    Wenn Du mich fragst, auch ich bin skeptisch. Natürlich wäre es gut, wenn Kinder lernen, irgendwie Andersartige zu akzeptieren und nicht zu verfemen. Es ist auch gut, zu wissen, daß auch diese Menschen etwas leisten können und nicht auf den Kopf gefallen sind. Deshalb, um das zu erfahren, aber auch die ganzen anderen Lernvorgänge, die in der Schule stattfinden, zu beeinträchtigen, halte ich für reinen Wahnsinn. Und eine Beeinträchtigung, d.h. ein Zurückbleiben hinter den Möglichkeiten, ist es in meinen Augen immer, wenn Personen mit sehr unterschiedlichem Wissenstand und Intelligenzvermögen zusammen lernen sollen. Und zwar eine Beeinrächtigung für alle, für die Leistungsfähigeren und für die Leistungsschwächeren. Die Versündigung einer Gesellschaft ist m.E. nicht kleiner, wenn Hochbegabte nicht angemessen gefördert werden, als wenn Niedrigbegabte nicht angemessen gefördert werden. Leider denken viele anders... nach dem Motto: Wieso, die Hochbegabten kommen doch auch allein zurecht. Nein, Hochbegabung ist nur eine Fähigkeit zu einer hohen Leistungsfähigkeit, es ist nicht schon die hohe Leistungsfähigkeit selber. Es kann einer als Kind ein noch so hochbegabter sagen wir mal Sänger sein, wenn das nicht erkannt und gefördert wird und er nie singt, dann ist er als Erwachsener ein Sänger wie Otto Jedermann, d.h. er kann allenfalls rumkrächzen. Die Begabung ist dann verschwendet worden.

    Mir scheint diese ganze Inklusionsreform verbunden zu sein mit einer noch ausgeprägteren Verschwendung von Begabungen als bisher schon, besonders, aber nicht nur im Hochbegabtenbereich (wo in unserem System sowieso Defizite herrschen... wenn da die Eltern nichts selber unternehmen). Das andauernde Verschwenden von Begabungen wird aber irgendwann signifikante Auswirkungen auf Deutschlands allgemeinen Wohlstand haben... indem nämlich Deutschland wirtschaftlich stark zurückfällt, weil es sich in seinen Schlüsselindustrien (Auto, Maschinenbau) nicht in der restlichen Welt so gut duchsetzen kann wie bisher.
    Geändert von freulein (31.01.2016 um 22:21 Uhr)

  3. The Following 3 Users Say Thank You to freulein For This Useful Post:

    DMW007 (31.01.2016), DotNet (01.02.2016), StarWarsFan (24.02.2016)

  4. #3
    Avatar von DMW007
    Registriert seit
    15.11.2011
    Beiträge
    8.144
    Thanked 9.419 Times in 3.255 Posts
    Blog Entries
    5

    Standard AW: Inklusion in der Schule

    Ein tatsächlich sehr schwieriges Thema, weil alle Lösungswege irgendwo Nachteile haben: Sonderschulen kapseln die Betroffenen zu sehr ab, wogegen ich in normalen Schulen auch die von meinem Vorposter bereits angesprochenen Probleme sehe. Generell ist es aber wohl unmöglich, ALLE Kinder und Jugendlichen mit Handicap zu pauschalisieren. Da gibt es so viele unterschiedliche Erkrankungen... Die einen haben nur leichte psychische Störungen und sind ansonsten normal, bei solchen sehe ich zumindest eine Chance, die sinnvoll in eine reguläre Klasse zu integrieren. Andere dagegen haben deutlich schwerere Erkrankungen, und sind dadurch nicht in der Lage einfachste Dinge alleine zu tun. Das dürfte im besten Fall in einer passiven Haltung, im schlimmsten Falle zur Störung des Unterrichts führen.

    Selbst wenn es zu keinen Störungen kommt halte ich es bei der Mehrheit für unwahrscheinlich, das Jahresziel höherer Schulen zu erreichen, geschweige denn dem Schulziel (Realschulabschluss/Abitur). Nun kommt ein in irgend einer Form beeinträchtigtes Kind auf eine weiterführende Schule, schafft vielleicht das erste Jahr, aber bleibt im zweiten Sitzen. Was macht man nun, wenn nicht absehbar ist, dass die Defizite nachgeholt werden können? Eine Ausnahmeregelung, damit das Kind ohne Erreichen des Mindestschnittes weiter die Schule besuchen kann, der Gemeinschaft wegen? Ich weiß nicht ob das wirklich besser ist. Zumal da ja auch ein Druck auf die Betroffenen selbst entsteht: Er hat keine Erfolgserlebnisse und wird evtl. sogar zum Mobbing-Opfer, wenn die anderen im Sommer nachmittags lernen müssen und er nicht, weil seine Noten keine Relevanz haben.

    Interessant zu dem Thema ist auch der Fall von Henry, einem Schüler mit Down-Syndrom. Bei ihm ist absehbar, dass er durch seine Behinderung wahrscheinlich keinen Schulabschluss erreichen wird. Die Eltern kämpfen dennoch für einen Wechsel aufs Gymnasium, da dort die meisten seiner Freunde sind. Als das nicht klappte, wurde es mit der Realschule versucht. Für mich stellt sich schlussendlich dabei auch die Frage, was denn für den Betroffenen am besten wäre: Auf einer regulären Schule mitgeschliffen zu werden was wohl nur mit Ausnahmeregelungen klappt und den Großteil des Stoffes überhaupt nicht zu verstehen - Oder auf einer Sonderschule speziell angepassten Unterricht zu erhalten, der diese Menschen so gut es geht auf das spätere Leben vorbereiten. Mir scheint letzteres deutlich vernünftiger zu sein.

    Klar ist die Trennung der Kinder nach der Grundschule generell schade. Das liegt aber viel mehr an unserem total veralteten Schulsystem, welches nicht nur in der Hinsicht total veraltet ist. Genau wie beispielsweise der frühe Schulbeginn um 7:30 oder gar 7:00, der dem natürlichen Schlafrhytmus von Kindern komplett in die Quere kommt und daher vollkommen kontraproduktiv ist. Eine komplette Überarbeitung wäre daher überfällig. Sollte das eines Tages mal geschehen kann man sich dabei gleich Gedanken um beeinträchtigte Kinder machen. Dann wäre zumindest mal die Grundlage da, um behinderte und nicht behinderte Kinder im selben Gebäude zu unterrichten, eventuell sogar mit teilweise gemeinsamen Einheiten. Aber in einem über 100 Jahre alten System, wo Lehrer zudem Mangelware sind und daher bereits jetzt zahlreiche Unterrichtsstunden entfallen oder nur mangelhaft vertreten werden? Da auch noch großartig mit der Inklusion von behinderten Kindern anzufangen halte ich für sehr mutig, wahrscheinlich bricht dann das bereits jetzt stark marode System endgültig zusammen...


  5. The Following User Says Thank You to DMW007 For This Useful Post:

    StarWarsFan (24.02.2016)

  6. #4

    Registriert seit
    02.01.2013
    Beiträge
    879
    Thanked 458 Times in 313 Posts

    Standard AW: Inklusion in der Schule

    Ich kann meinem Vorredner nur zustimmen. Insbesondere halte ich es für eine gute Idee, die Schulen zwar zusammenzulegen, aber dennoch getrennten Unterricht zu haben. Dann könnte man eine bestimmte Stundenanzahl in der Woche zusammen unterrichten, z.B. je nach Fächern, d.h. gemeinsamen Unterricht in Fächern, wo die Unterschiede nicht ganz so gravierend sind, und getrennten, wo sie es sind, oder gemeinsame Projektwochen o.ä. Und auf dem Pausenhof sind auch alle immer zusammen.
    Geändert von freulein (01.02.2016 um 16:58 Uhr)

Ähnliche Themen

  1. App für die Schule?
    Von !lkay im Forum Android
    Antworten: 2
    Letzter Beitrag: 01.09.2013, 14:30
  2. Schule wechseln
    Von xTracZ im Forum Bildung
    Antworten: 11
    Letzter Beitrag: 03.07.2012, 00:52
  3. [Vorschlag] Schule, y0.
    Von Shane im Forum Feedback
    Antworten: 1
    Letzter Beitrag: 14.03.2012, 20:21
Diese Seite nutzt Cookies, um das Nutzererlebnis zu verbessern. Klicken Sie hier, um das Cookie-Tracking zu deaktivieren.