1. #1
    Avatar von Benzol
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    Standard Sind die USA eine Oligarchie geworden und welche Folgen hat das?

    Der Wahlkampf in den USA rückt wieder näher, und kostet viel Geld: Bis zu einer Milliarde Dollar soll ein Präsidentschaftskandidat aufwenden müssen. Das schreit meiner Meinung gerade zu nach der Frage, welchen Einfluss das für die Bevölkerung hat. Der Wissenschaftler Martin Gilens hat dies erst vor kurzem in einer Studie untersucht: Dazu hat er Meinungsumfragen zu zahlreichen Gesetzesvorschlägen gesammelt und US-Bürger aus unterschiedlichen Einkommensklassen befragt, ob diese für oder gegen einen Vorschlag sind. Diese Daten wurden anschließend damit verglichen, welche dieser Vorschläge tatsächlich umgesetzt wurden. Das Ergebnis gibt einen Anhaltspunkt, ob Arme und Reiche unterschiedlich viel Einfluss auf politische Entscheidungen haben. Insgesamt wurden 1.800 Gesetzesvorschläge aus über 20 Jahren untersucht.

    Das Ergebnis ist wenig überraschend: Häufig waren reiche Bürger anderer Meinung als die breite Masse. Beispiel: Mehrere Vorschläge sahen vor, den Einfluss des Staates auf die Finanzindustrie zu schwächen. Die Mehrheit der ärmeren Bevölkerung war dagegen, wohlhabende Bürger beführworteten dies. Schlussendlich wurden diese Vorschläge gegen den Willen der breiten Mehrheit umgesetzt. Insgesamt zeigt die Studie keinen erkennbaren Einfluss der Mittelklasse, geschweige denn der Armen Bevölkerung, auf politische Entscheidungen. Damit scheint die Vorstellung vieler Menschen, dass in den USA die Politik von den einfachen Bürgern maßgeblich mitbestimmt wird, wiederlegt.

    Diese Fakten lassen die Schlussfolgerung zu: Wer regieren möchte, muss entweder bereits reich sein, oder braucht reiche Freunde. Insbesondere in letzterem Fall steht der Politiker wohl in einem Abhängigkeitsverhältnis, da die Geldgeber dies sicher nicht nur aus Barmherzigkeit getan haben, sondern sich entsprechenden Einfluss auf für ihr Business relevante Gesetze und andere politischen Entscheidungen erhoffen. Der Politiker steht dann in einem Interessenskonflikt, da sich die Interessen der Firmen meist nicht mit denen der Bürger vertragen.

    Ich würde daher so weit gehen und sagen: Die USA sind zu einer Oligarchie geworden, da die politischen Herrscher viel Geld brauchen und daher zur finanziellen Elite gehören müssen, wodurch sich bereits deren Spektrum verglichen mit der Gesamtbevölkerung stark einschränkt. Als einfacher Bürger hat man keine Chance, außer mit reichen Freunden, wodurch man aber auch wieder in der eben erwähnten Abhängigkeit sich befindet. Was sagt ihr dazu, ist das politische System in den Vereinigten Staaten trotz demokratischer Verfassung nur noch eine Herrschaft der Reichen und Schönen?

  2. The Following User Says Thank You to Benzol For This Useful Post:

    Fritz (20.03.2016)

  3. #2

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    Standard AW: Sind die USA eine Oligarchie geworden und welche Folgen hat das?

    Ich kann die Studie jetzt auf die Schnelle nicht beurteilen, aber eines möchte ich zu bedenken geben: Die Repräsentanten des Volks sind nicht verpflichtet, den Willen ihrer Wähler umzusetzen, jedenfalls in Deutschland nicht. Aus dem Art. 38 GG: "Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages [...] sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen." Hier wird klar gesagt, daß sie Vertreter des GANZEN Volkes sind, und nicht nur ihrer Wähler, und auch nicht Aufträge ihrer Wähler erfüllen sollen, sondern nur nach ihrem Gewissen entscheiden sollen.

    An einem Extrembeispiel kann man erklären, was das bedeutet: Nehmen wir einmal an, jeder Wähler möchte gern, daß der Staat auf Anordnung der Politik jedem Bürger 10.000 Euro schenkt. Politiker sind nicht verpflichtet, einen Wählerwillen umzusetzen, sondern sie sollen "ihre Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden", wie es im Amtseid heißt. Wenn Politikern ihr Gewissen sagt, daß der Nutzen dieser Generalschenkung geringer ist als ihr Schaden, weil das Geld ja irgendwo herkommen muß, also etwa über Schuldenmachen künftigen Generationen aufgebrummt wird, plus Zins und Zinseszins, sodaß also die Eltern sozusagen ihre Kinder bestehlen, dann können/müssen sie diesem Gewissen folgen und solche eine Schenkungspolitik verweigern... selbst wenn sie tausendmal der Wille der Bürger wäre.

    Ich kenne die US-Verfassung nicht gut genug, aber wenn sie in diesem Punkt ähnlich der deutschen ist, dann muß eine geringere Rate der Umsetzung politischer Vorstellungen sozioökonomisch schlechter gestellter Bevölkerungsteile und eine höhere Rate der Umsetzung politischer Vorstellungen sozioökonomisch besser gestellter Bevölkerungsteile nicht notwendigerweise auf Bestechungen zurückzuführen sein, wie das als Erklärung ja mehr als nur angedeutet wird, sondern das kann auch Ausdruck dessen sein, daß sozioökonomisch besser gestellte Bevölkerungsteile eben (im Durchschnitt, nicht in jedem Einzelfall) auch besser gebildet sind, intelligenter, vollständigere Weltbilder besitzen, besser in der Lage sind, nicht nur das Pro einer politischen Maßnahme zu erkennen, sondern dieses auch gegen das Contra abzuwägen, usw. Daß die Entscheidungen von Politikern, die ja auch in der Regel aus gebildeten Schichten stammen, der Intelligentsia, mit den Vorstellungen ökonomisch schlechter gestellter Schichten oft nicht übereinstimmen, läge dann also daran, daß Politiker, wie die ökonomisch besser gestellten Wähler auch, umfassendere, informiertere, durchdachtere Vorstellungen davon haben, was im Gesamtzusammenhang die beste Politik wäre... weswegen die dann umgesetzt werden.

    Am Beispiel der Finanzindustrie kann man das gut erklären. Der "einfache Bürger" (und damit meine ich durchaus auch einen eher schlechtinformierten Bürger) wird dazu neigen, jede Maßnahme GEGEN eine verhaßte Finanzindustrie für ganz wunderbar zu halten und zu befürworten. Da der Zweck der Finanzindustrie nicht nur der ist, das Geld der verhaßten Reichen zu vermehren, wie sich der einfache Bürger das so vorstellt, sondern auch der, in einer hochkomplexen Realwirtschaft nicht nur sinnvolle, sondern sogar auch notwendige Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, würde eine allgemeine Anti-Finanzindustrie-Politik auch sinnvolle, notwendige Dienstleistungen an die Realindustrie behindern, und somit die Realindustrie selber. Der verantwortlich denkende Politiker muß also versuchen, mögliche Maßnahmen zu isolieren und umzusetzen, die bestimmte schädliche Seiten oder Auswüchse in der Finanzindustrie beseitigen können, und andere Maßnahmen, die die für die Wirtschaft notwendigen Funktionen der Finanzindustrie behindern, zu unterlassen. Solche Nuancen überfordern aber die Vorstellungskraft mancher Menschen schon leider sehr. Am Ende findet man dann heraus, daß Politiker anders entscheiden als es durch die Komplexität des Themas überforderte Menschen eigentlich befürworten... aber wer will sich darüber denn wirklich beschweren?

    Ein anderes Beispiel: Neulich unterhielt ich mich mit einem Hartz IV-Empfänger aus meinem Wohnblock (32 Jahre, Alkoholproblem, Arbeitsaversion), und er sagte mir, die Politik solle den Hartz IV-Satz verdoppeln ("aber das werden die nie machen, die verdoppeln lieber ihre Diäten"). Ich habe ihn darauf hingewiesen, daß Politiker erstens eine Verantwortung fürs gesamte Volk haben, also auch für die vielen Steuerzahler, die das finanzieren müssten, und zweitens die Höhe des Hartz IV-Satzes auch die Attraktivität von Hartz IV-Bezug als Alternative für eine Arbeit mitbestimmt. Darauf er: "Na und, wenn es dann deswegen mehr Hartz IV-Empfänger gibt, ist doch auch kein so irre großes Problem". Warum er die Verdoppelung des Hartz IV-Satzes forderte, darüber haben wir gar nicht geredet, weil das so ziemlich klar war: Dann kann er doppelt so viel Bier im Monat trinken. Politiker, die die Sache ähnlich unkompliziert sehen wie dieser Nachbar ("Ist doch egal, wie viele Hartz IV-Empfänger es gibt, und wer das bezahlt"), gibt es kaum (vielleicht noch am ehesten bei DIE LINKE), und das führt natürlich dazu, daß man diesen Nachbarn und auch viele andere in seiner Lage und mit seiner Meinung statistisch erfassen könnte, und dann herausbekommt, daß die Politiker die Vorstellungen bzw. Forderungen solcher Leute (die eindeutig zu den ärmeren Wählern gehören) unterdurchschnittlich oft umsetzen. Wäre das wirklich so schlimm, eine auf ihre Konsequenzen hin von bestimmten Wählern völlig undurchdachte Politik NICHT zu machen, weil man als fürs ganze Land verantwortlicher Politiker die Konsequenzen mindestens ein wenig besser durchdacht hat?

    Zuletzt noch dies: Eine Herrschaft der Schönen kann ich weder in Deutschland noch in den USA erkennen... Obama mit seinen Segelohren... na ja... sogar dessen Frau, mit Reiterkrummbeinen wie eine Mongolin und markantem Unterbiß wird ständig als schön bezeichnet... in meinen Augen sind es beide nicht. Trump, die wandelnde Haartolle, mit einer Gesichtsfarbe, die identisch ist mit der Farbe von Benzols Avatar... kein Kommentar. Die Clinton mit ihrem Pfannkuchengesicht... schön ist anders, fällt mir dazu nur ein.

    P.S. Viele Menschen auf allen Seiten des politischen Spektrums sind sich allerdings in den USA einig, daß die "Citizen United"-Entscheidung des US-Verfassungsgerichts im Jahr 2010 falsch war. Diese erlaubte eine finanziell unbegrenzte Unterstützung von Kandidaten durch Unternehmen, die Werbung für oder gegen den betreffenden Kandidaten bezahlen. Daraufhin explodierten die Wahlkampfkosten, da diese Werbung mitgerechnet wird. In den USA ist, wie gesagt, das Bewußtsein sehr verbreitet, daß dies problematisch ist, sodaß es über kurz oder lang, denke ich, auch Korrekturen an dieser Praxis geben wird.
    Geändert von freulein (19.03.2016 um 21:41 Uhr)

  4. The Following User Says Thank You to freulein For This Useful Post:

    Fritz (20.03.2016)

  5. #3
    Avatar von Fritz
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    Standard AW: Sind die USA eine Oligarchie geworden und welche Folgen hat das?

    Als US Präsident hat man das mächtigste Amt der Welt. Anwärter auf das Amt rechnen auch kaufmännisch. Das bedeutet, die aufgewandten Kosten für das Amt müssen als Ertrag wieder zurückkommen. Donald Trump ist bereit 1 Milliarde $ für den Wahlkampf auszugeben. An anderer Stelle wird von 1 Million $ pro Wochegesprochen.

    Wenn dieser erfolgreiche Geschäftsmann bereit ist für das Amt des US Präsidenten so viel Geld auszugeben, kann man nur erahnen wie viel Macht ein US Präsident hat.

    Der Präsidentschaftskandidat muss lediglich Bürger der USA sein. Ein Normalbürger ohne die Finanzmittel der anderen Präsidentschaftskandidaten wird wohl kaum eine Möglichkeit haben seinen Wahlkampf zu bestreiten.

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