Gehirn ersetzt Gedächtnislücken durch Vorurteile

[Weedstar]

Im Spiegel habe ich heute eine interessante und durchaus erschreckende Analye zum Wahrheitsgehalt von Zeugenaussagen gesehen. Demnach würden viele Augenzeugen ungewollt lügen, da das Gehirn lückenhafte Erinnerungen durch bekannte Vorurteile ersetzt. Demonstriert wurde dies am Beispiel eines Bankraubes: Viele Zeugen sagen über den Bankräuber aus, dass er eine Waffe hatte. Obwohl dies nicht der Fall war. Die Zeugen sind dennoch überzeugt eine gesehen zu haben, weil aus den klassischen Überfall-Filmen bekannt ist, dass jeder Bankräuber der etwas auf sich hält bewaffnet ist. Solche Falschaussagen werden von den Betroffenen selbst geglaubt, je öfter sie diese wiederholen. Außerdem ergänzen Sie ihre Geschichte unterbewusst um Fakten, die sie gar nicht selbst erlebt, sondern nach dem Geschehnis erfahren haben (z.B. von anderen Zeugen oder Freunden). Dies hat natürlich eine erhebliche Schattenseite: Hunderte von Menschen wurden aufgrund solcher Fake-Aussagen unschuldig verurteilt und saßen im Gefängnis, teils heute noch. Und die wahren Täter laufen derweil frei herum.

Hier der Link zum originalen Artikel: Trügerisches Gedächtnis: Warum Augenzeugen oft irren - SPIEGEL ONLINE

Hat mich zum Nachdenken gebracht und fand ich erschreckend, dass uns unser eigenes Gehirn offenbar derartige Streiche spielt.
Da muss man nur zur falschen Zeit am falschen Ort sein, damit man mit Pech für ein Verbrechen verurteilt, dass man nie begangen hat, weil ein Zeuge sich an vermeintliche Fakten erinnert, die es nicht gab

[s4ndm4n]

Ein interessanter Artikel zu einem interessanten Thema. Das Phänomen sich im Nachhinein an Dinge zu erinnern, die nicht vorhanden waren wird in der Psychologie als "hindsight bias" bzw. Rückschaufehler bezeichnet.
Für alle, die sich mehr für das Thema interessieren verlinke ich hier mal einen wissenschaftlichen Artikel dazu: Carli, L.L. (1999). Cognitive reconstruction, hindsight, and reactions to victims and perpetrators.

Allerdings kam (bzw. kommt sicher immer noch) dieses "Schubladendenken" umgekehrt auch schon beim Racial profiling zum Einsatz.

Ich denke das alles ist darauf zurückzuführen, dass der Mensch von Natur aus stark dazu neigt in Kategorien zu denken, was in manchen Fällen für das Individuum auch von Vorteil sein kann, also per se nichts schlechtes ist. Will man etwas möglichst korrekt beurteilen, dann ist es jedoch nötig sich von dieser Kategorisierung zu lösen und sich alle Fakten genau anzuschauen (was in dem Artikel genannten Beispiel eben nicht möglich war).

[Weedstar]

Ich denke, dieses Kategorisieren ist heutzutage zunehmend ein Relikt aus der Welt, als es noch keine Zivilisation gab. Dort kann es, wie du beschrieben hast, auch einen Nutzen haben. Der Mensch floh beispielsweise schon vor einem Löwe, der ihn angreifen wollte. Bei einem ähnlichen Tier war es dann von Vorteil, darauf zu schließen, dass dieses Tier ihn auch angreifen und töten könnte. In der heutigen Zeit sehe ich dagegen kaum einen sinnvolle Verwendung. Im Gegenteil: Mit solcher Kategorisierung und Pauschalisierung werden komplexe Themen teils komplett falsch betrachtet, weil man sie vermeintlich vereinfacht.

Klassisches Beispiel: Russland ist "böse", die USA sind "gut". Das ist eine einfache Erklärung, wofür man sich nicht groß mit dem Thema beschäftigen muss. Allerdings in der Praxis völlig falsch. Führt in diesem Beispiel zu teils ungerechtfertigtem Hass gegen Russland, wogegen auf der anderen Seite die Machenschaften der USA gar nicht betrachtet werden, wenngleich man diese bei Russland sofort stark verurteilen würde. Das ist wie du schon sagtest eine sehr undifferenzierte Sichtweise. Halte ich für die heutige Zeit gefährlich, weil genau darin ja die Mündigkeit eines Volkes (und damit seine Zukunft) liegt.

[Darkfield]

Das "Gute vs. Böse" (also USA vs. UDSSR) basiert doch, wie so vieles, auf reine Propaganda - dass darf man niemals, was natürlich ein wenig gesunden Verstand voraus setzt,
für bare Münze nehmen (sollte man übrigens auch nicht bei der aktuellen "Wahl-Propaganda" der anstehenden Wahlen).

Aber da ein Großteil unserer Erdbevölkerung es für einfacher erachtet einfach das Hirn aus zu schalten sind solche Phänomene nichts ungewöhnliches.

[7schafe]

Erschreckend ist das auf jeden Fall wenn es einem selbst pasiert. So geschehen mit Urlaubsbildern eines Strandurlaubes vor ca. 3 Jahren. Ein irrtümlich falsch abgelegtes Foto von einem Urlaub 2 Jahre früher verleitete mein angebliches Erinnerungsvermögen dazu einen völlig neuen "Erlebnissatz" an Ereignissen falsch abzulegen und in die "echte" Geschichte miteinzubauen. De facto war ich wochenlang sicher die Luftmatratze in Spanien wirklich mitgehabt zu haben. Erschreckend wenn es gedanklich dann aufklart und einem der Irrtum bewusst wird.