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  1. #41
    Avatar von DMW007
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    Standard AW: Verhältnis Arbeit zu Freizeit

    Zurzeit wird über den Trend von Dienst nach Vorschrift diskutiert. Es geht darum, dass sich der Arbeitnehmer rein kapitalistisch verhält: Es wird nur so viel gearbeitet, wie bezahlt wird. Wenn nach Feierabend etwas nicht fertig ist, werden keine unbezahlten Überstunden geleistet. Dahinter steckt die Idee, dass die Arbeit nicht der Lebensmittelpunkt ist. Zumindest wenn sich der AG eben so verhält, ist das nachvollziehbar. Warum sollte man überhaupt mehr Arbeiten als vereinbart, wenn das nicht zumindest angerechnet/vergütet wird? Die Arbeitgeber überweisen in der Regel nicht als Dankeschön für das Engagement zwischendurch mal mehr Gehalt. Von dem her ist nicht einzusehen, warum Angestellte da einseitig kostenfreie Überstunden leisten sollen.

    Für mich kommt das nur in Frage, wenn es mindestens Gleitzeit als Ausgleich gibt und das halbwegs mit meinem Plan vereinbar ist, wenn es einen gibt. Ansonsten nur, wenn ein eigenes Interesse besteht. Grade in der IT kommt das durchaus vor, dass ich eine Technologie auch hier auf U-Labs oder anderweitig privat einsetze. Wenn ich mich damit in meiner Freizeit beschäftige, ist das indirekt ein Mehrwert fürs Unternehmen. Allerdings eben nicht nur, sondern auch für mich. Und wenn das mal vorkommt, dann auf freiwilliger Basis. Von dem her sehe ich das nicht als Überstunden. Bei jemandem der z.B. in der Fabrik am Fließband steht, mag das anders sein. Da gibt es so etwas sicherlich nicht, wenn der am Fließband steht, profitiert alleine sein Chef davon. In dem Fall wäre für mich dann GLZ/Vergütung unabdingbar.

    Das sehe ich übrigens nicht als Luxusforderung, sondern als eine Vereinbarung, an die sich beide Seiten zu halten haben. Wenn man einen Kaufvertrag abgeschlossen hat, geht schließlich auch keiner einseitig hin und ändert die Konditionen. Der eine hat den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und der andere den Gegenstand so zu übergeben, wie es abgemacht wurde. Für mich daher nur schwer nachvollziehbar, wie man sich v.a. in Japan damit brüstet, wer sich mehr kaputt arbeitet für das Unternehmen. Als Selbstständiger ist das ja noch halbwegs nachvollziehbar. Da bist du in der Verantwortung für den gesamten Laden, wofür man auf der anderen Seite mehr Rechte und Vorteile hat. In der Situation wird man nicht auf die Minute genau Feierabend machen, wenn noch wichtige Dinge fertigzustellen sind.

    Der Angestellte ist aber ja eben deswegen NUR Angestellt, damit er diese Verantwortung nicht trägt. Der hat seine Stunden zu leisten. Wenn das nicht reicht, gibt es Ausnahmeregelungen, bei der Überstunden erst mal grundsätzlich legitim sind - etwa wenn der AG sich in einer außerordentlichen Situation befindet und er große Probleme durch unvorhersehbares bekommt, etwa mehrere Kollegen krank geworden in einem kleineren Betrieb und ähnliches. In dem Falle ist das auch durchaus legitim. Außerhalb davon sollte man vorsichtig sein. Wenn sich jemand bereit erklärt auszuhelfen, kann das auch schnell missbraucht werden und ist dann die Regel statt Ausnahme.


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    Darkfield (18.09.2022)

  3. #42
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    Standard AW: Verhältnis Arbeit zu Freizeit

    Unter dem Titel "Hört auf zu arbeiten" beschreibt eine 25 Jährige, warum sie keine Karriere machen und am liebsten gar nicht mehr arbeiten möchte. Leider Paywall, über die FF-Startseite kann man es trotzdem komplett lesen. Eine interessante Sichtweise von der anderen Seite, nachdem viele Arbeitgeber den jüngeren Generationen (Geburtsjahrgänge so ab Mitte der 1990er) harte Vorwürfe machen wie z.B. "Generation Feierabend". Das ist kein Einzelfall, in einer IHK-Umfrage gaben 2019 ganze 63% an, den Jugendlichen "fehle es an Motivation, Leistungsbereitschaft und Belastbarkeit". Ganz so neu ist das übrigens ja nicht, schon 2012 schrieb z.B. die FAZ von der "Generation Weichei". Man könnte es sich einfach machen und das Thema damit abhaken: Alles wird immer schlimmer, die Welt geht unter. Ganz so einfach ist die Realität dann aber doch nicht.

    Schon damals wurde beim genaueren Hinsehen klar, dass es vielen nicht darum geht, den ganzen Tag vor dem Fernseher zu sitzen. Sondern um ein kritisches Hinterfragen, welchen Stellenwert die Arbeit gegen Bezahlung im Leben hat. Und ob es erstrebenswert ist, mit einer 60h Woche zwar Karriere zu machen, aber sich dafür vom Privatleben zu verabschieden. Immer mehr v.a. jüngere lehnen das nämlich ab und sehen einen Job als Mittel zum Zweck, frei nach dem Motto: Arbeiten um zu leben, statt Leben um zu Arbeiten. Letzteres war dagegen in der vorherigen Generation erstrebenswert. Die Arbeitgeber sind das also gewohnt und der sogenannte Fachkräftemangel kommt noch dazu. Heißt, die andere Seite muss von einem hohen Ross absteigen. Das merken die natürlich und sollte man bei der Diskussion nicht vergessen. Ich hab das übrigens selbst ein Stück weit miterlebt. Vor nicht vielen Jahren habe ich händeringend einen Ausbildungsbetrieb gesucht, war motiviert, bereit für Kompromisse etc. Viele haben sich nicht mal die Mühe gemacht, abzusagen. Eines der Unternehmen hatte um die 50 (!) Bewerber pro ausgeschriebenem Ausbildungsplatz. Heute wird man von Werbung überflutet, die regelrecht darum bettelt, man möge sich doch melden, es dauert auch nur 60 Sekunden - vollständige Bewerbungsunterlagen wollen viele gar nicht mehr, es könnte ja jemanden abschrecken. Es gab also einen massiven Wandel, der mit der objektiven oder subjektiven Leistungsfähigkeit erst mal nicht viel zu tun hat.

    Dass das Klischee vom faulen Jugendlichen auf die Dame in dem Artikel nicht zutrifft, zeigt auch der Umstand, dass sie seit dem Alter von 16 gearbeitet hat. Zwar nur als Aushilfe/Nebenjob, aber da hat sie im Niedriglohnsektor schon erlebt, schlecht behandelt zu werden. Laut ihrer Aussage sogar sexuell belästigt. Kann ich voll verstehen, dass du da erst Recht keinen Bock hast, hochmotiviert Überstunden zu schieben. Vor allem wenn die nicht mal bezahlt werden, weil "das normal ist, machen wir schon immer so". Das ist generell ein Thema, welches mir aufgefallen ist: Einige Unternehmer zahlen knapp über Mindestlohn, am besten noch zusammen mit einer wenig attraktiven Tätigkeit bzw. einem schwierigen Arbeitsklima. Und dann beschwert man sich, dass kaum jemand Interesse hat, zu den Bedingungen zu arbeiten. Die Journalistin Ursula Weidenfeld hat am 02.02.2023 bei Markus Lanz die These aufgestellt, dass es den Fachkräftemangel in der medial kommunizierten Form nicht gibt - ansonsten müssten die Löhne viel weiter steigen, als es tatsächlich der Fall ist.

    Von dem her ist das ein Thema, welches man differenziert betrachten sollte. Sich nicht für den Chef dauerhaft kaputt zu arbeiten, ist übrigens nicht nur im Interesse der Gesellschaft. Sondern auch des Chefs selbst, zumindest wenn er nachhaltig denkt und seinen Mitarbeiter nicht in ein paar Jahren ersetzen will und kann. Wer es zu sehr übertreibt, wird krank und fällt erst mal eine ganze Weile aus. Kenne ich in der Familie auch jemand, dem es von heute auf morgen den Stecker gezogen hat. Von dem her kann man umgekehrt fragen, wieso sich über Jahrzehnte eine derartige Leistungskultur etabliert hat. Ich rede wohlgemerkt nicht davon, nur den eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren. Sondern von (ggf. sogar unbezahlten) Überstunden, gerade in Verbindung mit dem Wunsch, noch mehr Karriere zu machen - und dann stolz zu erzählen, wie hart man sich anstrengt, um z.B. der nächste Abteilungsleiter zu werden.

    Übrigens, nur am Rande erwähnt: Jene die sich derartige Diskussionen im wahrsten Sinne des Wortes weniger leisten können, weil sie in vollzeit Arbeiten und im schlechtesten Fall kaum davon leben können, drehen sich auch in diesem Hamsterrad. Nur streben die nicht danach, die 100.000er Gehaltsmarke zu knacken oder einer 4-Tage Woche bei gleichem Lebensstandard. Kann man es auf der anderen Seite übel nehmen, dass die nur das nötigste tun um ihr Geld zu bekommen? Davon sind - gerade seit der Inflation besonders - auch Studenten betroffen, die teils mehrere schlecht bezahlte Jobs brauchen, um ihr Studium oder die Ausbildung überhaupt finanzieren zu können. Ich weiß nicht wie es euch geht, aber wenn man das ein paar Jahre macht, überrascht es mich nicht, wenn man ins Arbeitsleben mit der Einstellung startet, weniger zu arbeiten und sich mehr um sich selbst zu kümmern, statt um den Chef. Das ist meiner Meinung nach nicht nur eine Haltung von Privilegierten, denen die Eltern das Studium finanziert haben und weiterhin lieber chillen wollen. Wenngleich es die natürlich auch gibt. Wobei ich behaupten würde, die gab es wohl schon immer. Vor 10 Jahren hab ich solche schon gesehen, ein "Trend" der jüngeren Generation ist das also definitiv nicht


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    Darkfield (08.02.2023), Hase (11.02.2023)

  5. #43
    Avatar von Nuebel
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    Standard AW: Verhältnis Arbeit zu Freizeit

    Wir jungen Leute sollten das ruhig mal auf die Spitze treiben, damit endlich vernünftige Löhne gezahlt oder zumindest die Bedingungen verbessert werden.

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    DMW007 (12.02.2023)

  7. #44
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    Standard AW: Verhältnis Arbeit zu Freizeit

    Es wird ja vor allem von Unternehmensvertretern immer gerne gejammert, dass die jüngere Generation faul sei und nichts leisten möchte. Beim genaueren hinsehen stellt sich heraus: Die wollen halt keine 40+ Stunden Woche für ein unterdurchschnittliches Gehalt. Sondern vernünftige Konditionen und außerdem nicht leben um zu arbeiten, sondern arbeiten um zu leben. Vielleicht haben die auch einfach mal bei den älteren Generationen geschaut oder es in der eigenen Familie gesehen, wie sich jemand für nichts kaputt arbeitet. Privates bleibt auf der Strecke und zum Dank darf im immer höheren Rentenalter noch Pfandflaschen gesammelt werden, damit es weiterhin gerade so zum leben reicht. Darauf haben die Jüngeren in der Tat keinen Bock und wer ihnen das vorwirft, sagt viel über eine kaputte Arbeitsmoral aus. Warum ist das überhaupt ein Statussymbol geworden?

    Jedenfalls wollen viele aus der Generation Ü50 ihren Job nun ebenfalls wechseln. Die Gründe: Zu geringes Gehalt, man fühlt sich gestresst oder ist mit der strategischen Ausrichtung vom Unternehmen nicht einverstanden. Offensichtlich merkt diese Generation, welche bisher eher auf die jüngere geschimpft hat, langsam, dass deren Forderungen vielleicht doch nicht ganz so bescheuert sind.

    Zumal der Arbeitsmarkt mittlerweile auf Seiten der Arbeitnehmer steht. Ich finde, das sollte man bei dem ganzen Thema auch nicht vergessen: Noch vor ein paar Jahren war die Lage eine andere. Das scheinen manche nicht verstanden zu haben, wenn sie fordern, dass die Jüngeren ja erst mal krass Überstunden schieben sollen, wie sie selbst es in dem Alter getan haben. Zumal da auch immer ein Neid heraussteht: Ich hatte es früher scheiße, also sollen es die anderen genau so scheiße machen. Das finde ich grundsätzlich keine gute Einstellung, die man teils auch z.B. beim Schulsystem hört.


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