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  1. #11

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    Standard AW: Der lustige Tagebucheintrag

    So jetzt sind wir mal bitte alle glücklich

    Dieser Geruch, alleine schon dieser Geruch lässt mir alle Nackenhaare hochstehen. Eine Mischung aus frisch gesaugtem 90er Jahre Teppich, dem Klebstoff an der Rückseite von Post-it‘s und billigem Filtertüten Kaffee. Ich trage mich in die ausliegende Teilnehmerliste ein. Nun gibt es also kein Zurück mehr. Höchstens ein plötzlicher Herzinfarkt könnte mich jetzt noch retten. Ich lege mir kurz die Hand auf den Brustkorb – gleichmäßiges, ruhiges Schlagen – wieso rauche ich eigentlich seit fast 30 Jahren und warum schlägt der Blutdruck immer nur während der Kontrolle bei meinen Hausarzt durch die Decke?

    Wieso ist mein Chef der Erste der mich entdeckt? Und wieso grient mich dieses Arschgesicht aus der Buchhaltung wieder so blöde an? Wieso muss ich nach einer harten und entbehrungsreichen Arbeitswoche eigentlich auch noch mein Wochenende mit diesen Kackfressen verbringen? Und wieso glaubt die Firma ausgerechnet ICH müsste an einem Seminar zur Teambildung teilnehmen?

    Also gut, checken wir erst mal kurz die Gesamtlage, um abschätzen zu können, wie schlimm dieser Tag werden wird: Unter den negativ Teilnehmern gibt es zwei Vollidioten aus der IT, einen Schwachmaten aus dem Versand und das bereits erwähnte Arschgesicht aus der Buchhaltung.

    Auf der neutralen Seite stehen sechs Personen die ich nicht kenne. Sie werden im Laufe des Tages aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, in Richtung negativer Teilnehmer wandern. Die Tatsache dass Sie meinen Geschäftsführer überschwänglich freundlich begrüßen, lässt darauf schließen, dass auch Sie für diesen Sklaventreiber den Buckel krumm machen. Nachdem der Rosette des Chefs ausreichend gehuldigt wurde, werde auch ich begrüßt. – Macht euch doch nicht die Mühe mir eure doofen Namen zu sagen, ich habe euch aus meinem Gedächtnis verbannt, sobald Ihr euch umdreht!

    Auf der Haben Seite steht der extrem tiefe Ausschnitt von Katja aus der Kundenbetreuung, die Tatsache dass sich ein schwarzer BH noch immer unter einer weißen Bluse abzeichnet, sowie die erstaunlich Erkenntnis, dass eine der beiden Trainerinnen tatsächlich wie eine richtige Frau und nicht wie ein unförmiger Sack Kartoffeln aussieht. Die andere Trainerin wird nach einer sekundenschnellen Analyse, ebenfalls auf der Negativseite verbucht. Genau genommen eröffne ich für diese Frau sogar die neue Kategorie ‚Plumpssack der Woche‘.

    Zu meiner eigenen Überraschung, wird der freie Sitzplatz neben mir, nicht etwa vom Chef, sondern von dem üppigen Dekolleté von Katja eingenommen. Noch während ich mir ausmale, dass dieser Tag vielleicht doch nicht unter dem Titel „eine Wurzelbehandlung wäre auch nicht schön gewesen“ laufen muss, höre ich die alles entscheidende Todesansprache für meine Hoffnung:
    „So… wie Ihnen sicher schon aufgefallen ist, sind meine Kollegin und ich heute zu zweit zu Ihnen gekommen. Damit nicht so ein großes Durcheinander entsteht und wirklich Jeder ganz ungezwungen, in einer kleinen Runde über seine Gefühle sprechen kann, werden wir die Teilnehmer in zwei Gruppen aufteilen.“

    Natürlich erübrigt es sich zu erwähnen, dass sowohl die halbwegs attraktive Trainerin, als auch die überaus ansehnliche Kundenbetreuerin den Raum verlassen. Mit Ihnen geht zusätzlich die kaum verschmerzbare Anzahl von fünf Neutralen. Nach diesem Aderlass verbleibe ich also mit meinem Geschäftsführer, den beiden IT-Sackhaaren, dem Stempelkissenlecker aus dem Versand, dem Buchhaltungsarsch, sowie einem Neutralen (wie hieß der noch gleich?), bei der hässlicheren Trainerin, im höchstwahrscheinlich auch hässlicheren Raum.

    Nachdem sich die gefühlsbeladene Möchtegern Pädagogin als Bärbel vorgestellt und uns Seminarteilnehmern versichert hat, dass Sie unsere Freundin sein möchte, ruft die unförmige Liebhaberin der Post-it‘s eine Gruppenübung aus. Eine Gruppenübung gleich zu Beginn eines Firmenseminars, verhält sich ungefähr so als erkläre man um 9:00 Uhr den Krieg und wirft um 9:01 Uhr die Atombombe. Das macht man nicht. Man versucht sich grundsätzlich erst mal in der konventionellen Kriegsführung. Ich hatte doch gar keine Zeit, bedingungslos zu kapitulieren.

    Bärbel leg zunächst drei Post-it’s in einem Abstand von je ca. 5m auf den Boden. Auf dem Ersten bunten Zettel welcher sich auf Höhe der Pinwand befindet steht 100%, auf dem Zweiten Zettel auf Höhe des Kaffeetisches noch 50% und auf dem letzten Zettel der kurz vor dem geöffneten Fenster liegt, prangert die drohende 1% Hürde.
    „Nun möchte ich, dass wir uns alle so im Raum positionieren, wie es unsere heutige Motivation erlaubt. Wer stark motiviert ist bewegt sich Richtung 100%, wer weniger motiviert ist in Richtung 50% und wer gar nicht motiviert ist in Richtung 1%. 0% gibt es nicht, denn dann wären Sie ja heute gar nicht hergekommen. Weil Sie hier sind haben Sie also schon mal die erste Stufe auf der Leiter des Erfolges erklommen und dafür dürfen Sie sich selber gratulieren.“
    Ich möchte kotzen! In dem Moment wo Bärbel etwas von der ersten Stufe faselt, fangen die Hackfressen um mich herum an, sich zu beglückwünschen und der Chef applaudiert sichtlich ergriffen, seinem sich gerade selbst bildenden Team.

    Während ich beobachte wie sich die versammelte Gruppe Richtung Pinwand – also 100% geballte Motivation – schiebt, überlege ich mir ernsthaft, ob ich das 1% Post-it hinter mir lassen und am besten direkt aus dem Fenster springen sollte. Dies würde mich erstens augenblicklich von meinem Leiden erlösen und zweitens auch meine Motivation in konsequenter Weise wiederspiegeln.
    Hatte ich erwähnt dass ich ein Feigling bin? Um meiner weiteren Karriereplanung nicht vorauszugreifen stelle ich mich vorsorglich mal auf 50%. Dies hat zumindest den netten Nebeneffekt, dass ich guten Zugang zu den Kaffeevorräten habe. Während ich also bemüht bin, meinen vom gestrigen Saufgelage geschundenen Körper, mit Koffein am Leben zu halten, interviewt Bärbel die Übermotivierten.

    Wenige Satzfetzen dringen durch den ‚Ist mir scheißegal‘-Schleier in meinem Kopf, aber Bruchstücke wie „Man lernt ja nie aus.“, „Ich möchte nicht nur Kollegen, sondern Arbeitsfreunde haben.“ Und das allseits beliebte „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ – treiben mir die Schamesröte ins Gesicht.

    „Und was ist mit Ihnen? Sie sind also noch nicht bei 100%“ – Höre ich die Sirenenstimme der Bekloppten hinter mir flöten. Nun muss ich also eine formschöne süßlich zuckrige Begründung dafür finden, warum ich die anderen Seminarteilnehmer nicht gleich am Bürzel anfassen will. Doch was ist das? Der letzte verbliebene Neutrale hatte sich – von mir unbemerkt – ebenfalls auf die ‚das Glas ist halb leer‘-Markierung gestellt. Mal gucken wie der sich aus der Affäre zieht:
    „Ich kann nicht bei 100% sein.“ – Wie hieß er noch gleich?

    „Damit ich 100% Motivation erreiche muss ich schließlich auch ein wenig glücklich sein.“ – Peter, dieser kleine tapfere Kämpfer heißt Peter und macht bei uns irgendwas mit Controlling.

    „Die Situation hier, heute Morgen macht mich alles andere als glücklich.“ – Ich habe den Jungen ja völlig falsch eingeschätzt. Er ist kein Neutraler. Er ist der Grund warum ich heute Morgen aufgestanden bin. Ein Bruder im Geiste.

    „Eigentlich bin ich sogar richtig enttäuscht, traurig und wütend.“ – Jetzt nicht übertreiben Kumpel. Ich will doch nicht meinen einzigen Freund in diesem Raum verlieren.

    „Warum sind Sie den nicht glücklich?“ – Will die besorgte Bärbel den Tränen nahe wissen.

    „Wie kann ich glücklich und motiviert sein, wenn ein lieber Kollege von mir (sieht der etwa mich an?) sich so offenkundig unwohl fühlt. Ein Team kann immer nur so gut funktionieren, wie das schwächste Glied in der Kette. Und wenn sich ein Kamerad von mir unwohl fühlt, teile ich seinen Schmerz.“ – Du Arschloch! Du kleiner widerlicher, gesichtsloser Pisser! Dich überfahre ich nachher auf dem Parkplatz.

    „Das ist einer der schönsten Sätze, die ich in meiner Laufbahn als Trainerin gehört habe. Danke dass Sie unsere Runde damit bereichert haben.“ – Gleich fängt Sie an zu weinen – „Und was ist mit Ihnen? Wieso können Sie noch nicht Ihr volles Potenzial entfalten?“

    „Also… ich… ähm… ich bin traurig, dass wir nur einen Tag für das wichtige Thema der Teambildung aufbringen konnten.“ – Ich fühle mich so schmutzig. Ein Schmutz der nicht abgehen wird. Nachher gurgele ich erst mal ausgiebig mit Sagrotan.

    Überraschender Weise scheint sogar die nah am Wasser gebaute Trainerin diesen billigen Spruch durchschaut zu haben. Aber anstatt mich der Lüge zu bezichtigen, dreht Sie sich unvermittelt zu meinem Chef um und der Alte (den ich schon seit langem im Verdacht habe, senil zu werden) erklärt sofort: „Ich werde mal schauen, ob wir das ganze vielleicht zu einem festen, jährlichen Termin ausbauen können, wenn das für die Mitarbeiter so wichtig ist.“ – Gut gespielt Bärbel. Nun hasse ich mich selbst. Wenn nachher ein Kollege versucht mich die Treppe hinunter zu schubsen, werde ich keinerlei Gegenwehr leisten.

    In den kommenden Stunden läuft die Bekloppte zur Höchstform auf: Neben Rollenspielen in denen der unterbezahlte Hilfsneger aus dem Versand, mal für 5 Minuten die Leiden des Geschäftsführers nachleben darf und der Geschäftsführer erkennt dass er keine Ahnung von moderner Buchführung hat (wobei mein Einwurf, man solle auch dem Buchhalter bei diesem Thema mal genauer auf den Zahn fühlen, keine Beachtung findet), verbringen wird den restlichen Nachmittag mit Farbcharaktererkennung (mich umgibt ein kräftiges Grün) und spontaner Eigenmotivation („Wenn ich gleich ein Kommando gebe, sind wir auf einen Schlag alle glücklich!“).

    Nach einer kurzen Zigarettenpause (in welcher ich als Einziger den Raum verlasse, weil alle anderen die Zeit lieber nutzen wollen, um sich noch besser kennen zu lernen) beginnt der als besonders schmerzhaft angekündigte Abschnitt des Tages. In der Erwartung eines ausgewachsenen Faustkampfes, schätze ich noch einmal das von meinen lieben Kollegen ausgehende Gefahrenpotenzial ab. Ich will jetzt nicht auf dicke Hose machen, aber sollte es bei der Auseinandersetzung um die künftige Reihenfolge bei der Dienstwagenbestellungen gehen, könnte ich mich schon mal unverbindlich im aktuellen BMW-Verkaufskatalog umschauen.

    „Wir beginnen nun damit ganz ungefiltert und ohne Emotionsausbrüche, die Stärken und auch die Schwächen unserer Kollegen ans Tageslicht zu bringen. Es soll nicht darum gehen, dass wir uns gegenseitig emotional verletzen, sondern dass wir einander Verbesserungsvorschläge für die weitere Zusammenarbeit unterbreiten.“ – Oh Gott! Bitte kann mich nicht Jemand erschießen!

    „Wer möchte den Anfang machen? Bitte keine falsche Zurückhaltung.“

    Ich kann es noch immer nicht glauben und möchte mich nachträglich für diesen genialen Gedanken selbst beglückwünschen: Zur Überraschung aller Anwesenden melde ich mich freiwillig als erster Nestbeschmutzer.

    „Ich finde wir haben heute solche Fortschritte als Team gemacht, dass diese Übung unnötig ist. Es ist doch völlig egal, welche hässlichen Dinge die IT über die Buchhaltung gestern noch gesagt hat, oder das die Buchhaltung irgendwann mal den Versand als faul und unnötig bezeichnet hat. Das Wichtigste ist doch, dass wir diese Gräben überwunden haben und als geschlossenes Team, motiviert in die Zukunft blicken können. Nun entschuldigen Sie mich bitte, ich muss kurz das Badezimmer aufsuchen …“
    Als ich zehn Minuten später, wieder die Tür zum Seminarraum öffne, schlägt mir ein Bild entgegen, welches mich stark an die Do-Lung Brückenszene aus Apocalypse Now erinnert:

    Der Arsch aus der Buchhaltung droht wild gestikulieren allen anwesenden Personen mit seiner sofortigen Kündigung. Von den beiden IT-Fuzzies liegt einer dem Chef heulend in den Armen während der Andere aus Karl Marx ‚das Kapital‘ zitiert. Mein neuer Erzfeind Peter von und zu Controlling streitet sich mit der Lusche aus dem Versand, ob die gelben Post-It‘s anders riechen, als die blauen und die Trainerin untermalt die Szene mit dem verzweifelten Versuch wieder Herrin der Lage zu werden: „So jetzt sind wir mal bitte alle glücklich! Glücklich sagte ich! Ihr müsst eure Charakterfarbe wieder finden …“

    Ich greife mir meinen Mantel. Meine Arbeit hier ist getan. Sind ja im Großen und Ganzen doch ziemlich in Ordnung, die lieben Kollegen.
    Geändert von snakesplane (28.04.2016 um 11:41 Uhr)

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    Fritz (28.04.2016)

  3. #12

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    Standard AW: Der lustige Tagebucheintrag

    Abgründe im Büro

    Ich arbeite im vierten Stock. Das wird Ihnen jetzt bestimmt nichts sagen, aber wenn ich das bei mir in der Firma erwähne, schlägt mir stets eine Mischung aus Mitleid, Ekel und der Angst vor Ansteckung entgegen.

    Da der Fahrstuhl in unserem Hausflügel seit dem Mauerfall funktionsuntüchtig ist, wobei mir der Hausmeister inzwischen mehrfach (auch schriftlich) versichert hat, dass dies in keinem Zusammenhang steht, ist der Weg in den vierten Stock als Bestrafung zu betrachten. Hierher wirst du nur verfrachtet, wenn du entweder kurz vorm Abnippeln stehst, oder deine Beliebtheit bei Belegschaft und Führungsriege etwa der eines nordkoreanischen Despoten entspricht.

    Gerüchten zu Folge sollen amerikanische Geheimdienste kürzlich erwogen haben, Kim Jong Un im vierten Stockwerk meiner Firma festzusetzen, erachteten dann aber die Einquartierung unter dem Flachdach eines Plattenbaus aus den 60er Jahren, als zu unmenschliche Handlung. Tatsächlich soll der Leiter des Gefangenenlagers in Guantanamo Bay die Pläne mit der Aussage: „Dann wären wir auch nicht besser als dieses Monster.“, abgeschmettert haben.

    Besagtes Flachdach sorgt ganzjährig für eine angenehme Geräuschkulisse:
    Im Winter, wenn die Temperatur unter dem mit Schnee bedeckten Dach auf minus 17°C fällt, entsteht eine abwechslungsreiche Symphonie aus Husten, Niesen, Röcheln und dem geräuschvollen Ausspeien von grünem Schleim.
    Im Sommer, wenn die geschmolzene Teerpappe über die Regenrinne hinweg quillt und den Besuchern der Fußgängerzone 15 Meter darunter, einen Einblick in die Dachisolierungsarbeit zur Zeit des Kalten Krieges vermittelt, hört man ein Surren. Wobei Surren trifft es nicht so ganz, es ist eher ein Dröhnen wie auf der Start- und Landebahn eines Interkontinentalen Flughafens.
    Dieses Dröhnen wird durch Ventilatoren in unzähligen Größen- und Qualitätsausführungen hervorgerufen. Im Frühjahr treffen je nach Wetterlage auch gerne beide Geräuschvarianten aufeinander.

    Ich habe Glück, ich sitze in einem Einzelbüro. Ich habe sogar viel Glück, denn im Büro auf der anderen Seite des Flures sitzt Andreas. Andreas ist ein etwa fünfundfünfzigjähriger, wortkarger Kollege mit tadellosen Manieren und (was im vierten Stock keine Selbstverständlichkeit ist) auch tadellosen hygienischen Vorsätzen. Das mit Abstand Wichtigste an Andreas ist aber die Tatsache, dass er in unserer Firma den Ruf hat, bei Unstimmigkeiten nicht lange zu diskutieren, sondern eher in spontanen Aktionen sein Heil zu suchen. Zu diesem Zweck hat er einen massiven Briefbeschwerer in Form eines gusseisernen Adlers auf seinem Schreibtisch stehen. Die Gerüchte er und der besagte Adler hätten für die entstellende Narbe, auf der Stirn des Personalsachbearbeiters Neumann gesorgt, kann ich weder bestätigen, noch verneinen. Fakt ist, dass der weit verbreitete Ruf von Andreas dafür sorgt, dass die im vierten Stock ohnehin spärlichen Besuche in unserer Gebäudeecke, kaum noch vorkommen.

    Dies hat allerdings auch Nachteile:
    Auch zeitweise nützliche Kollegen, wie die Sportsockenficker von der Firmen-IT, wagen sich nur unter Polizeischutz in die Nähe meines Büros. – Ich werde später auf die Auswirkungen dieses unschönen Umstandes zu sprechen kommen.

    Also, die Belegschaft unserer Firma spaltet sich in zwei Lager: Die erste Gruppe welche noch vom „Alten“ (also damit ist der Firmengründer gemeint) eingestellt wurde, hält hartnäckig an traditionellen Gepflogenheiten wie Jahresurlaub und Feierabend vor der Geisterstunde fest. Die zweite Gruppe welche vom „Jungen“ (also dem verkommenen Sohn des Alten) eingestellt wurde, ähnelt in Ihrem Verhalten der Wühlmaus: Lichtscheu, nachtaktiv, meist in Bodennähe zu finden und mit den Hausabfällen der Firma als Grundnahrungsmittel zufrieden. Dieser Gruppe sind altertümliche Begriffe wie Urlaubsanspruch oder tarifliche Bezahlung fremd.

    Nun liegt es in der Natur der Sache, dass die Firma in regelmäßigen Abständen versucht, die Personalkosten insbesondere im Bereich der alteingesessenen Belegschaft zu reduzieren.
    Da sich in unseren Gefilden, die amerikanische Vorgehensweise – Amoklauf mit automatischen Waffen – noch nicht durchgesetzt hat, wendet mein Arbeitgeber lieber die asiatische Methode – mit immer neuer Technik bombardieren, bis sich ein Opa entnervt aufhängt – an.

    Letzten Freitag war es wieder soweit: An der Stelle an welcher sonst mein PC-Tower stand, waren nur noch vier kreisrunde eindrücke im Teppich zu erkennen. Die böse Vorahnung wurde zur Sicheren Gewissheit als ich feststellte, dass an der Stelle an der noch tags zuvor mein PC-Bildschirm stand, nun ein unscheinbarer Karton mit dem Logo eines angebissenen Apfels lag. Auf dem Karton klebte ein Post-It:

    ‚Dein neues MAC. Viel Spaß damit. Bei Fragen, einfach anrufen! Gruß Frank von der IT.‘

    Geistesabwesend wählte meine linke Hand die längst auswendig gelernte Nummer von Sockenficker Frank, während meine rechte Hand, sichtbare Kratzspuren im Karton des MAC hinterließ.

    „Der hat Urlaub. Zwei Wochen. Ich habe den gleichen Zettel auf meinem Karton kleben.“ – höre ich hinter mir die tiefe, John Wayne artige Stimme von Andreas.
    „Gibt es denn keinen Andren Computer-Fuzzi der kommen könnte?“ – Als ob ich mir die Frage nicht selbst beantworten könnte.
    „Sie haben mir gesagt, dass Jemand hochkäme sobald Sie Zeit haben. … Ich habe im Hintergrund Gelächter gehört. … Wollte mich gerade mit meinem gefiederten Freund (dabei hebt er die mit dem gusseisernen Adler beschwerte, rechte Hand) auf den Weg in die IT machen.“
    „Nein Andreas, lass das bleiben! Das hilft uns jetzt auch nicht weiter. Die wollen uns doch nur soweit kriegen, dass wir durchdrehen. Wir sind Profis verdammt noch mal. Wir lassen uns doch nicht von den IT-Jungfrauen in die Enge treiben. Wenn wir unsere technischen Fähigkeiten bündeln, bekommen wir dieses Ding schon zum Laufen.“

    Dem Mac liegt eine Installationsanleitung bei. Genaugenommen, handelt es sich um ein A4 großes Blatt, auf welchem in kurzen, aber prägnanten Sätzen, die Ersteinrichtung beschrieben ist.
    Ich hocke vor dem Gerät, während mich Andreas – auf der anderen Schreibtischseite sitzend – durch den Installationsprozess führt.
    Andreas beginnt vorzulesen: „Hallo, gestatten ich bin Ihr neues MacBook …“
    „Vielleicht könnten wir diesen unwichtigen Mist überspringen und direkt zum Kern der Sache vordringen!“ – erkläre ich ein wenig genervt.
    Andreas zieht eine Augenbraue hoch, überfliegt das Papier und fährt tonlos fort: „Mit der Einrichtung der AirPort Time Capsule ist die Systeminstallation abgeschlossen.“
    Meine Miene verfinstert sich: „Nicht ganz bis zum innersten Kern der Sache vordringen, bitte! Vielleicht finden wir da noch den ein oder anderen Zwischenschritt, der hilfreich sein könnte.“
    Andreas atmet schwer, behält aber (für sein Gemüt erstaunlich) die Ruhe: „Wollen wir vielleicht mit der Apple-ID Registrierung beginnen?“
    „Das klingt doch gut. Wo finde ich die Registrierungsnummer?“
    „Keine Ahnung. Aber es ist eine einmalige, für die Produktregistrierung und den technischen Support unerlässliche Grundlage. Steht hier zumindest so.“
    Mein Geduldsfaden ist zum Zerreißen gespannt: „So funktioniert das nicht. Deine Hilfe ist unter aller Sau. Da wäre ich ja besser alleine zu Recht gekommen.“
    Andreas blickt mir mit seinen Stahlblauen Augen direkt in die Seele und steht ohne ein Wort zu sagen auf. Plötzlich sehe ich wieder den Adler in seiner rechten Faust, die sich langsam, aber stetig nach oben streckt. Angst erfasst mich, denn in den Augen meines Kollegen funkelt etwas abgeklärtes, etwas zutiefst endgültiges auf. Ich rutsche hinter meinem Schreibtisch zusammen und hebe schützend die Hände über meinen Kopf. KRACH!!!!

    Stille… nach einigen Sekunden wird mir klar, dass ich noch lebe. Nicht nur dass ich noch lebe nein, ich bin sogar unverletzt. Der Vollstrecker aus Büro 405 hat sein Ziel verfehlt. Oder doch nicht?
    Der Bildschirm des MacBook vor mir ist erloschen. Obwohl ich kein technischer Experte bin, mache ich für den plötzlichen Ausfall des Gerätes, den Fuß vom gusseisernen Adler verantwortlich, welcher nun formschön zwischen Deckelklappe und Tastatur (also die Deckelklappe durchbohrend) thront.

    Ich blicke verängstigt auf Andreas: „Transportschaden. So lange kein Ersatz da ist, müssen die Jungs aus der IT dir wohl wieder deinen alten Rechner hinstellen. Gern geschehen.“ – Er dreht sich um und geht.
    Noch immer am ganzen Körper zitternd, versuche ich die erlebte Nahtoderfahrung zu verarbeiten. Plötzlich betritt Andreas noch mal mein Büro, kommt zielstrebig auf mich zu – ich nehme eine unterwürfige Verteidigungsposition ein – und zieht den Adler aus den Überresten des kalifornischen Lifestyle Produktes:
    „Ich habe das Gefühl, dass mein neues MacBook auch einen Transportschaden erleidet. Dafür brauch ich den Kleinen noch.“ – Mit einem diabolischen Grinsen verlässt mein Kollege den Raum und wenige Sekunden nachdem seine Bürotür ins Schloß fällt, erklingt das Geräusch eines kurzen aber schmerzvollen Kampfes zwischen Mensch und Maschine.

    Mit einer großen inneren Zufriedenheit wird mir klar: Wir haben es geschafft. Wir haben unseren gesunden Menschenverstand auch während dieser Krise bewahrt.

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    Fritz (28.04.2016)

  5. #13

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    Standard AW: Der lustige Tagebucheintrag

    Teile das wenn du …

    In der Welt passieren ganz schlimme Dinge, für die sich plötzlich mal wieder alle interessieren, weil davon Bilder in den Nachrichten auftauchten. Mach jetzt in alphabetischer Reihenfolge, folgende Flaggen zu deinem Facebook-Profilbild um deine Anteilnahme zu demonstrieren: Barbados, Israel, Lichtenstein, Malta, Palästina, Seychellen und Tonga.

    Die Dauer deiner digitalen Anteilnahme sollte sich nach den Kriterien Opferzahlen, Nähe zu deinem Heimatland, Beliebtheit als Reiseziel und Dauer der Berichterstattung in den Medien richten.
    Keine Angst, sobald lustige Katzenbilder auftauchen, oder Mario Barth nackt im Olympiastadion gegen die Jahrhundertauswahl des FC Bayern spielt, werden Anteilnahme und Profilbildreservierung automatisch aufgehoben.

    Du möchtest dein Profilbild nicht ändern? Dann teile wenigstens dieses Bild eines aufgeblähten Walkadavers, in einem viel zu kleinen Hundezwinger, wenn du glaubst dass auch Tiere leben dürfen!

    Teile dieses Bild einer alten Frau im Pflegeheim, wenn du glaubst dass auch alte Menschen ein Recht auf menschenwürdige Behandlung haben!

    Teile dieses Bild eines Ölverschmierten Pelikans, wenn du gegen die Verschmutzung der Weltmeere bist!

    Du teilst diese Bilder nicht? Du Schwein!

    Nein du musst mir jetzt nicht mit deinem aus dem Tierheim adoptierten, humpelnden, zahnlosen Hund ankommen. Oder mit den freiwilligen Stunden im Altersheim. Ich will auch nicht die Fotos von deinem letzten Urlaub auf Kreta sehen, wo du mit bloßen Händen Robben aus Fischernetzen befreit hast. Du sollst die verdammten Bilder teilen, um einen Unterschied zu machen!
    Du sollst nicht wirklich irgendetwas tun. Du sollst dich einfach wie ein Lemming in der gesichtslosen Masse, hirnrissiger und nutzloser Anteilsbekundungen einordnen. Ist das denn so schwer zu verstehen? Wenn du das gemacht hast, darfst du auch mit gutem Gewissen, die Nase über diejenigen rümpfen, die sich weigern Ihr Profilbild anzupassen. Na ist das etwa nichts?

    Na schön, dann muss ich wohl härtere Geschütze auffahren: Wenn du nicht willst dass deine Schwester von einem marokkanischen Drogendealer vergewaltigt wird, solltest du in Zukunft jedes Gespräch über die Zuwanderungspolitik deines Landes mit den Worten „Ich habe ja nichts gegen Ausländer, ABER …“ beginnen.
    Ist mir doch wurscht, ob du eine Schwester hast, oder nicht. In den Augen Gottes sind wir alle Brüder und Schwestern!

    Das erinnert mich daran, dass du ab sofort alle Anhänger von Religionen als bestialische Meuchelmörder zu bezeichnen hast. Christen, Hindu, Buddhisten, Juden, … alle … alle bis auf die Muslime. Der Islam ist eine friedliche Religion, die durch christliche Fanatiker der westlichen Welt immer wieder in Verruf gebracht wird.
    Komm mir hier nicht mit dem Dschihad, du ahnungsloser Wurm. 9/11? – War ein Insidejob! Die Anschläge in Paris? – Waren Notwehr. Das bringt mich auf die Frage zurück: Hast du schon dein Facebook Profilbild mit der Israelischen Flagge unterlegt?
    Jetzt stammel hier nicht rum von wegen „Schwieriges Thema … muss man sich intensiv mit auseinandersetzen … Hintergründe erfragen …“ du machst die Flagge zu deinem Profilbild und fertig. Hintergrundinfos sind was für die Lügenpresse. Wie du hast „ein gewisses Verständnis“ für die Palästinenser? Dann machen wir deren Flagge halt nächste Woche zu deinem Profilbild. Aber irgendwo muss man ja anfangen und diese Woche beginnen wir mit blinder Anteilnahme für den Staat Israel.

    Außerdem steigst du um auf glutenfreie Ernährung und trinkst in Zukunft nur noch Fair-Trade Kaffee. Was soll der Scheiß von wegen „Ich trinke doch gar keinen Kaffee“? Ab jetzt trinkst du die Brühe! Und zwar bis deine Füße schwarz werden. Und immer dran denken: Fair-Trade! Ja ich weiß, dass man für den Preis von einem Pfund Fair-Trade Kaffee, eine ganze Kaffeebohnenfarm in Kolumbien kriegt, aber das steht hier nicht zur Debatte.

    Ok, Ok, … eine Letzte Chance: Wenn du jetzt auf Windows 10 updates und dir zur nächsten Frauenfußballweltmeisterschaft kleine Deutschlandflaggen auf die Arschbacken malst, dazu einen „Ich bremse auch für Familie Wollny“-Aufkleber auf der Stoßstange deines Autos platzierst, ist alles vergessen. Dann darfst du weiter mitspielen bei den Bekloppten und Bescheuerten. Wenn nicht ist hier Ende im Gelände. Dann ist Schluss mit Lustig. Wir sperren deinen Facebook Account, kappen die Internet-Glasfaserkabel und malen kleine Hakenkreuze an deine Hauswand. Na wie klingt das? Zur Vernunft gekommen? Schön, schön, schön… Ich wusste doch dass wir zueinander finden.
    Und jetzt schnell ins Kino, da hat gerade ein neuer Til Schweiger Film Premiere gefeiert. Was soll das heißen „der nuschelt mir zu sehr“? Fängst du schon wieder an?
    Geändert von snakesplane (28.04.2016 um 11:31 Uhr)

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    Fritz (28.04.2016)

  7. #14

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    Standard AW: Der lustige Tagebucheintrag

    Die folgende Geschichte ist meine bisher umfangreichste. Ich plane Sie in 4 Abschnitte zu unterteilen, welche ich auch so zeitnah bei einander wie möglich hochladen werde.

    Ich gebe zu dass meine Alltagserlebnisse häufig in Details formschön ausgeschmückt werden, um unterhaltsamer zu sein. Ich möchte betonen, dass bei dieser Geschichte auch die Details sich genau so abgespielt haben. Diesen Umzug hat es wirklich gegeben. Diesen Cousin gibt es wirklich. Diesen Wahnsinn kann man sich nicht ausdenken!

    DER UMZUG

    Teil 1: Die Vorbereitung

    Es gibt drei Dinge im Leben, die sucht sich kein Mensch aus: Vater, Mutter und den Fußballclub mit dem man leiden muss.

    Ich kann mit allen drei Punkten super leben. Echt jetzt. Wirklich, ohne Scheiß.
    Nur dummerweise beeinflussen Vater und Mutter auch einen nicht unerheblichen Teil, des sozialen Umfelds. Sprich; die Verwandtschaft. Und da kann ich jetzt nicht so gut drauf. Also nicht immer. Und nicht bei allen Mannschaftsteilen der buckligen Gefolgschaft zu gleichen Teilen.
    Da gibt es durchaus liebgewonnene Omis, akzeptierte weil selten gesehene Tanten und Onkel und es gibt Cousin Rolf.
    Cousin Rolf ist … wie formuliere ich es am besten? … Cousin Rolf ist ein Original. Also so ein richtiges Original. Das sagt die ganze Verwandtschaft so. Sogar seine Eltern sagen, dass er ein richtiges Original ist. Ich frage mich dann immer, warum man von so einem missratenen Arsch auch Kopien anfertigen sollte. Das Original ist doch schon belastend genug.

    Rolf ist arbeitslos. Ich benutze diesen Terminus ganz bewusst: Arbeitslos! Nicht arbeitssuchend! Wäre Rolf arbeitssuchend, hätte er sich in den vergangen 10 Jahren sicherlich irgendwann mal, einer freien Stelle nicht mehr erwehren können.
    Aber Rolf hat das geschafft. Zum Erhalt seiner staatlichen Stütze, hat er inzwischen das Versenden gefakter Bewerbungen auf ein olympisches Niveau gehoben. Der Mann kann alles: Vorstellungsgespräche unter Drogeneinfluss wahrnehmen. Tropenkrankheiten vortäuschen. Schwächeanfälle simulieren. Einmal ließ er sich sogar von einem Laster anfahren, um einem Gespräch mit seinem Sozialarbeiter zu entgehen. Niemand glaubte dem LKW-Fahrer als er bei der polizeilichen Vernehmung betonte, noch mehrere Ausweichmanöver eingeleitet zu haben und dass er sich nicht erklären könne, wie er meinen Cousin dann doch noch frontal erwischen konnte. Ich wusste: Wo ein Rolf ist, da ist auch ein Weg.

    Vor einigen Monaten wollte Rolf umziehen. An sich sollte man ja meinen, dass ein Mann der seit 10 Jahren von der Stütze lebt, einen recht überschaubaren Hausrat vorzuweisen hätte. Aber weit gefehlt: Alleine die PS4-Spielesammlung von Rolf nimmt drei Billy-Bücherregale ein, die Größe des Plasmafernsehers verhält sich entgegengesetzt proportional zur Arbeitsmoral und das Sofa gleicht in seinen Abmaßen der Liegelandschaft des örtlichen Sauna- und FKK-Club.
    Mit anderen Worten: Als Rolf mich anrief um mir seine Umzugspläne mitzuteilen, sah ich vor meinem geistigen Auge schon Hundertschaften von Sherpa die Wendeltreppe zu seiner neuen Wohnung erklimmen. Das wirklich Schlimme aber war, dass ich einer dieser Sherpa sein würde. Wenn ich eines in den vergangen Jahren gelernt hatte, dann das jeder Widerstand bei meinem Cousin zwecklos war. Er akzeptiert ein NEIN, ohne Widerworte. Dann ruft er seine Mutter an. Seine Mutter ruft meine Mutter an. Und bevor ich mich versehe, wird mein beschaulicher Sonntagmorgen von einem Vortrag über die 13-stündigen Geburtswehen, welche meine Mutter durch mich erleiden musste, unterbrochen. Die Wiedergabe meiner Geburt findet dabei minutengenau – in Härtefällen auch unterstützt durch Diabilder Ihrer seitdem nie wieder verschwundenen Schwangerschaftsstreifen – statt.
    Ich habe inzwischen gelernt, keine Widerworte mehr zu geben. Ich bin ein erwachsener, gebildeter, beruflich erfolgreicher Mann, von der Statur eines Russel Crowe, aber das reicht nicht, um meiner Mutter einen Wunsch abschlagen zu können.

    Als Rolf mich anruft um mir den genauen Termin des Umzuges mitzuteilen („Halt dir doch mal das Wochenende vom 20. Februar bis 06. März frei!“) kann ich daher nur noch versuchen die Organisation dieses Martyriums in die richtigen Bahnen zu lenken:
    „Rolf, hast du einen fahrbaren Untersatz organisiert? Irgendwas großes, mit ordentlich Stauraum? Hast du dir einen Einblick in die Treppenhaus- und Parksituation, vor dem neuen Wohnhaus gemacht? Wie kommst du mit dem Zerlegen deiner Möbel voran? Hast du Decken und Spanngurte zu Recht gelegt?“
    „Wieso? Willst du etwa Fesselspiele mit mir veranstalten, du alte Sau?“ – Raunt mir der Bekloppte am anderen Ende der Leitung entgegen.

    Ich lege auf.

    Dieses Trauerspiel wiederholt sich in den kommenden Wochen, alle drei Tage. Aufgrund meiner Erfahrungen als Umzugshelfer werde ich nicht müde, insbesondere die Reservierung eines geeigneten Nutzfahrzeugs bei der nahegelegenen Autovermietung zu fordern.
    Meine Bedenken dahingehend werden aber stets mit dem Hinweis: „Ich mach das doch nicht zum ersten Mal.“ – abgeschmettert.
    Das stimmt. Um Gerichtsvollzieher und Geldeintreiber zu verwirren, pflegt mein Cousin alle 6 Monate umzuziehen. Quer durch alle Stadtteile schlägt er Haken, unterschreibt Mietverträge zwischen Tür und Angel und seilt sich auch schon mal in einer Nacht- und Nebelaktion vom Balkon seiner Zweitwohnung ab, weil der Vermieter der inzwischen unbewohnbaren Erstwohnung, mit dem Baseballschläger vor der Tür steht.

    Der Tag X nähert sich.

    „Rolf hast du ein Auto organisiert?“
    – „Klar. … Wofür?“
    „Für deinen Umzug. Für Morgen!!!!“
    Ein deutliches Schnaufen ist am anderen Ende der Leitung zu vernehmen: „Ach so… ja. Jaja!“
    „Ich hole dich morgen um 8:00 Uhr ab.“
    „Äh … ja.“
    „Du stehst um 8:00 Uhr vor der Wohnung, damit wir zusammen zur Autovermietung fahren können.“
    „Jaja.“

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    Fritz (13.05.2016)

  9. #15

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    DER UMZUG

    Teil 2: Der Mietwagen

    Am Morgen des Umzugs stehe ich um 7:58 Uhr vor Rolfs alter Wohnung. Die Gegend erinnert an Szenen aus dem postapokalyptischen 80er Jahre Streifen ‚Die Klapperschlage‘. Den Motor lasse ich laufen. Sicher ist sicher.
    Rolf tritt beinahe pünktlich aus seiner Wohnungstür heraus. – Die Uhr zeigt 8:30 Uhr. Hätte nicht gedacht das der Tag so reibungslos beginnt.
    Wir fahren zur Autovermietung. Rolf berichtet mir unterdessen von dem total coolen Film den er gestern Abend gesehen hat: ‚Sharknado‘. Geht um Haie und Tornados. Voll cool. Natürlich auf BluRay. Was anderes kommt dem Cineasten mit Anspruch gar nicht mehr in die Tüte.

    Bei der Ankunft bei der Autovermietung, stellt sich schnell Ernüchterung ein. Ich hätte es ahnen sollen, als uns der Schlüssel mit dem Toyota-Emblem darauf übergeben wurde. Mir waren offen gestanden gar nicht so viele Nutzfahrzeuge von Toyota geläufig. – Gibt auch gar nicht so viele.
    Da standen wir nun also vor dem nagelneuen Toyota RAV4 Geländewagen. Ein schönes Auto. Wirklich. Aber für einen Umzug nicht sonderlich geeignet.
    Es war mein Fehler. Das sah ich natürlich schnell ein. Ich hatte in den vergangen Wochen stets von einem geräumigen Fahrzeug gesprochen. Nicht von einem Sprinter oder Transporter. Und geräumig ist so ein RAV4 allemal. Leider passt aber keine Sofalandschaft in den Kofferraum. Aber woher hätte Rolf das auch wissen sollen. Wir waren uns jedenfalls recht schnell einig, dass das ein cooler Wagen ist und nach einiger Überzeugungsarbeit meinerseits, sah Rolf auch ein, dass wir an diesem Tag nun mal kein cooles, sondern ein praktisches Transportmittel benötigten.

    Ein im Vorfeld nicht abzusehender Zufall, hatte dafür gesorgt, dass alle zu leihenden Sprinter, Caddys und Transporter bereits für Wochen ausgebucht waren. Eine Lösung konnte uns der gehässig lächelnde Mitarbeiter der Verleihfirma allerdings noch anbieten. Er habe zwar keinen Sprinter mehr, aber so was Ähnliches. Was außer einem Sprinter, einem Sprinter wohl ähnlich sein könnte, erschloss sich mir zwar nicht, aber die Angst vor den Schwangerschaftsstreifen meiner Mutter, zwang mich dazu dem Mann auf den Fahrzeughof zu folgen.

    Einem Sprinter ähnlich … nun ja … das Fahrzeug hatte 2 Achsen. – Wie ein Sprinter.
    Es hatte ein Lenkrad, Sicherheitsgurte und eine Windschutzscheibe. – Wie ein Sprinter.
    Es hätte also durchaus als sprinterähnlich durchgehen können. Es gab nur ein Problem: Es war ein ausgewachsener LKW.
    Genau genommen handelte es sich, wie mir der Fahrzeugverleiher mit fachmännischem Blick erklärte, um einen 3,5 t LKW mit Kofferaufbau der Gruppe 4. Darf gerade noch so mit B Führerschein bewegt werden. Also solange man nichts zulädt.

    Länge: über 6,1m. Breite: 2,2m. Höhe: 2,2m. Ladevolumen beachtliche 20m³.

    Und ich sollte Ihn fahren. Ich sollte Ihn fahren? Natürlich, Rolf hat ja gar keinen Führerschein. Hab ich ein Glück. Ich war ja schon als Kind ein Riesenfan von ‚Auf Achse‘, mit Manfred Krug und Rüdiger Kirschstein. Das konnte ich ja jetzt mal richtig ausleben. An einem Samstag. Im Stadtverkehr. Durch die Altstadt. Toll!
    Nachdem ich meine Unterhose gewechselt und mich ausgiebig übergeben hatte, rollten wir vom Hof. Und rollen meine ich wörtlich. Wir bewegten uns im Schneckentempo, nur getrieben von der Schwerkraft in Zusammenarbeit mit einer leicht abfälligen Straße voran. Ich glaube in den ersten 10 Minuten habe ich außer der Bremse, kein anderes Pedal betätigt.
    Als wir vor Rolfs alter Wohnung ankommen, habe ich mich allerdings schon ein Wenig an dieses Monster gewöhnt. Selbst das Einparken auf dem kleinen Hof hinter dem Wohnhaus geht mir erstaunlich flott von der Hand. Ich blockierte zwar sowohl die auf dem Hof befindlichen Garagen, als auch den Aufgang zum Nebenhaus, aber das ist mir herzlich egal. Wer will kann ja versuchen dieses Ungetüm abzuschleppen.

    Beim Betreten der Wohnung schlägt mir alsbald das zu erwartende Bild entgegen: Nichts ist abgebaut. Alle Schränke, Kommoden, sowie das Bett und die Küche stehen unberührt in der siffigen Behausung. Rolf setzt sich auf‘s Sofa und dreht sich erstmal eine. Da mich der Geruch welcher kurze Zeit später das Wohnzimmer flutet, verdächtig an meine Abiturzeit erinnert, gehe ich davon aus, dass es sich nicht – oder zumindest nicht nur – um Tabak handelt.

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    Fritz (19.05.2016)

  11. #16

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    DER UMZUG

    Teil 3: Die Kaution

    Um das ganze abzukürzen: 6 Stunden später sitzen wir wieder im LKW, dessen Laderaum nun auch tatsächlich gut gefüllt ist.

    In den vergangen Stunden wurde wenig gesprochen. Das könnte daran gelegen haben, dass ich Rolf kurze Zeit nachdem er sich den Joint in die Fresse gesteckt hatte, als nichtsnutziges Stück Affenkott tituliert habe. Vielleicht auch nicht. Ich weiß es nicht und es ist mir auch egal.
    Jedenfalls hatten wir größtenteils schweigend mit dem Abbau der Möbel begonnen, wobei ich nicht verhehlen möchte, dass mir dabei das ein oder andere Möbelstück unglücklich zu Boden fiel.

    Nur ungern breche ich das Schweigen:
    „Hast du dir im Vorfeld mal angeguckt wie das mit Parkmöglichkeiten vor dem neuen Haus aussieht?“
    „Stellplätze vor’m Haus.“ – raunt mir Rolf ungewohnt wortkarg zurück.

    Wir erreichen die neue Wohngegend. Ist nett hier. Schön anheimelnd. Hat was von einer internationalen Metropole. So New York City mäßig. Stadtteil Bronx. Nach Sonnenuntergang. Also in den touristisch wenig erschlossenen Seitenstraßen.
    Vor dem Haus sind Stellplätze. Ganze drei Stück an der Zahl. Dummerweise steht auf jedem dieser Stellplätze ein PKW.
    „Hattest du nicht gesagt du hast hier ‘nen Stellplatz?“
    „Ich habe gesagt es gibt Stellplätze vor dem Haus. Davon das ich einen gemietet habe, hab‘ ich kein Wort gesagt.“

    Recht hat er. Es hätte auch keinen Unterschied gemacht. Die Stellplätze sind so eng geschnitten, dass selbst wenn alle drei frei gewesen wären, ein Parken des von mir durch die Straßen geprügelten Gefährts, auf dieser Fläche nahezu unmöglich gewesen wäre.
    Mein Blick fällt auf eine freie Fläche zwischen zwei Straßenschildern. Dort ist Platz. Mein Augenmaß verrät mir; knappe 7m.
    Eine Parklücke mit 7 Metern Länge, an einem Samstagnachmittag, in einer schmalen Einbahnstraße zu finden, gleicht einem Sechser im Lotto. Mit Zusatzzahl. Die Tatsache, dass ich einen über sechs Meter langen LKW steuere, relativiert die Situation schlagartig. Es ist natürlich noch immer ein unglaublicher Lottogewinn, nur mit dem Unterschied dass ca. 1000 Menschen die gleiche Zahlenkombination getippt haben wie ich.

    Ich fordere Rolf auf auszusteigen.
    „Warum?“
    „Damit ich dich überfahren kann. … Du sollst mich in die Parklücke einweisen du Idiot!“
    „Oh man, echt jetzt?“ – Hätte ich mir denken können, dass der Aufforderung sich zu bewegen nur unter Protest nachgekommen wird.
    Rolf steigt aus. Mit einer Hand in der Hosentasche, deutet er mir mit der Anderen überaus
    laissez-faire an, das Lenkrad volles Rohr einzuschlagen. Seine Handbewegung dabei sieht zwar eher so aus, als würde er eine Fliege verscheuchen wollen, aber ich weiß ja was gemeint ist.

    In den folgenden 5 Minuten kurbele ich am Steuerrad des Schlachtschiffs herum als ginge es um mein Leben. In Anbetracht der sich hinter mir stauenden PKW-Schlange, könnte dieser Vergleich auch durchaus stimmen.
    Irgendwann stehe ich in der Parklücke. Vielmehr: Ich habe dem von mir gesteuerten LKW die Parklücke angezogen. Wie einen Anzug der zwei Nummern zu klein war. Vorne und Hinten 45cm Spielraum zum Rangieren haben gereicht. Passt!
    Rolf geht um die Ladefläche herum, reißt die hintere Ladetür schwungvoll auf und noch bevor ich reagieren kann, vernehme ich ein saftiges „Plonck“.
    Wenn ich wüsste wie, würde ich dieses Geräusch gerne besser beschreiben. Aber jeder der schon mal auf dem Parkplatz eines Supermarktes, dem neben sich parkenden Fahrzeug, beim Aussteigen die Tür in die Seite gerammt hat, kennt dieses Geräusch: „Plonck“

    Es klang genauso. Nur um einiges lauter.

    Das rhythmisch wackelnde Straßenschild im Außenspiegel auf der Beifahrerseite verrät mir was geschehen ist. Rolf hat mit der komplett umschwenkbaren Heckladetür, den Pfeiler des Einbahnstraßenschildes mitgenommen.
    Im Seitenspiegel beobachte ich seine Reaktion: Er geht um die Tür herum. Schließt sie wieder bis zur Hälfte, um sich die entstandene Delle anzuschauen. Er öffnet die Tür wieder so weit, bis Sie leicht gegen das Straßenschild schlägt, um zu kontrollieren, ob die Position der Delle tatsächlich zu eben jenem Pfeiler passen könnte.

    Ergebnis: Ja passt!

    Rolf schließt die Tür wieder, kommt zur Fahrerseite gelaufen und ich lasse das Fenster herunter:
    „Stehst gut. War Millimeterarbeit nicht wahr? Aber leider hast du auf dem letzten Stück das Straßenschild dort hinten mitgenommen. Ist aber nur ein ganz kleiner Kratzer. Kann ja mal passieren. Wir müssen dann nur schauen, wie wir das mit der Kaution machen. Ich meine weil du doch gefahren bist und so …“

    Ich wusste schon wie wir das mit der Kaution machen würden. Ich hatte die Kaution schließlich selbst hinterlegt, weil Rolf zufälligerweise kein Bargeld dabei hatte und dem Mietwagenverleiher das Ehrenwort eines erwachsenen Mannes in einem Ed-Hardy Hoodie aus unerfindlichen Gründen nicht genügte.

    Rückblickend kann ich nicht mehr mit Sicherheit sagen was mich davon abhielt, Rolfs Kopf in diesem Moment im Takt von ‚We didn’t start the fire‘ gegen die Tür der Fahrerkabine zu schlagen. Vielleicht hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon die Erkenntnis in mir festgesetzt, dass ich nach überstandenen Umzug erstmal eine Stelle auf einer Ölplattform annehmen werde, um der Verwandtschaft für die nächsten sechs Monate aus dem Weg zu gehen.
    Vielleicht war es auch die Gewissheit, dass die läppischen 150,- € Kaution ohnehin nicht genügen würden, die faustgroße Delle in der Laderaumtür fachmännisch beseitigen zu lassen.
    Vielleicht hatte auch das passive Kiffen in Rolfs alter Wohnung zu einer gewissen Gelassenheit geführt. Fakt ist; ich lächelte meinen Ärger weg und wir begannen den LKW auszuräumen.

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    Fritz (19.05.2016)

  13. #17

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    DER UMZUG

    Teil 4: Der schlimmste Schmerz

    Zwischenzeitlich hat es zu regnen begonnen. Wobei Regen eigentlich auch der falsche Begriff ist. Regen kann erfrischend oder romantisch sein, oder zumindest konsequent von oben nach unten fallen. Nichts davon trifft auf diesen Regen zu. Der Wind peitscht ihn seitlich unter die Jacke. Du läufst dagegen an, wie gegen eine Mauer. Das hier ist kein Regen. Es ist Sprühnässe. Sprühnässe mit orkanartigen Böen und einem Temperaturabfall um gefühlt 20 Grad. Es ist unangenehm, klamm und eklig.
    Rolf und ich kommen gut voran. Rolf’s ebenso missratener Stiefvater ist inzwischen (die Uhr zeigt vier Uhr nachmittags) ebenfalls zu uns gestoßen. Wobei sein Eintreffen von meinem Cousin gefeiert wurde, als wäre Jesus ein zweites Mal auferstanden.

    Zu dritt schleppt es sich eindeutig besser. Wir laufen inzwischen in dem bewährten „drei-zwei-eins“-Rhythmus. Für all diejenigen Leser die noch nie an einem Umzug mit Fußlahmen teilgenommen haben; In der Zeit in der ich drei Mal die Treppe rauf und wieder runter laufe, läuft Rolfs Stiefvater zwei Mal und Rolf selbst immerhin noch einmal.
    Aufgrund unseres blinden Verständnisses, können wir diesen Rhythmus sogar kurze Zeit später mit der technisch anspruchsvollen „Ein-Schrank-Drei-Träger“-Methode kombinieren; Ich trage einen Küchenhängeschrank die Treppe hinauf, der gute Stiefvater trägt die passenden Einlegeböden und Rolf den dazugehörigen Schraubensatz.

    Das mein Part dabei den Löwenanteil an Belastung einnimmt, bleibt auch meinen entfernten und daher – das muss einfach mal erwähnt werden – ungemein hässlichen Verwandten nicht verborgen. Um das aufkommende schlechte Gewissen zu unterdrücken, gibt es zwei Möglichkeiten:

    1. Die eigene Schrittgeschwindigkeit erhöhen und bei jedem Treppenaufstieg zumindest mit beiden Händen etwas tragen.
    2. Den übermotivierten Packesel zum langsameren Arbeiten animieren.

    Lyrisches Gold wie …
    „Mensch mach mal halblang! Wir sind doch nicht auf der Flucht.“
    Oder
    „Gott gab uns Zeit, von der Eile hat er kein Wort verloren.“
    … wird mir daraufhin bei jedem Treppenaufstieg entgegen gehaucht.

    Als es mir zu bunt wird, kläre ich Rolf über folgenden Sachverhalt auf:
    „Keule hör zu! Es ist jetzt 17:00 Uhr. Um 19:00 Uhr schließt die Autovermietung. Morgen ist Sonntag, da hat die Autovermietung geschlossen. Du zahlst für jeden angebrochenen Tag an dem dieses Schlachtschiff da draußen die Straße blockiert. Also kannst du entweder nur für heute bezahlen, oder für heute, für Morgen und für den angerissenen Montag. Ein Tag kostet 175,-€ zzgl. Benzin und Versicherung. Also reden wir entweder von 175,-€, die du nicht hast, oder von 525,-€ die du noch viel weniger hast. Soll ich wirklich einen ruhigen machen?“

    Das hat gesessen. In Rolfs Kopf tritt ein ungeahnter Denkprozess in Gang. Vermutlich werden die Euro in seinem Kopf gerade in die für Ihn gebräuchliche Währung Kölsch und Gras umgesetzt. Das erschreckende Ergebnis sorgt dafür, dass Rolf mit einer ungeahnten Geschwindigkeit die Treppe hinunter wetzt und in einem beispiellosen Anfall von Selbstüberschätzung, die Sofalandschaft im Alleingang die enge Treppe des Altbaus herauf bugsieren will.

    ‚Selbstschutz geht vor Fremdschutz‘ – wurde mir schon bei meiner Ersthelferausbildung beigebracht, also bringe ich mich mit einem beherzten Sprung in den Kelleraufgang in Sicherheit, als mein Cousin merklich das Gleichgewicht verliert. Rolf kippt nach hinten und eine schreckliche Kettenreaktion des Materialversagens setzt sich in genau dieser Reihenfolge in Gang:

    Geländerlauf – Geländerstreben – Treppengeländer im Ganzen – Rolfs Rücken

    Der wenig später eintreffende Notarzt und ich freunden uns sehr schnell an. Er hat mein beachtliches Einparkkunststück zwischen den beiden Verkehrsschildern bemerkt. Pflichtbewusst gebe ich Ihm alle für die Erstversorgung seines Patienten benötigten Informationen:

    „Ja, die Beule in der Ladetür von dem LKW war schon.“
    „Ja, das hätte echt teuer werden können, wenn uns das mit der Beule passiert wäre.“
    „Ja, er wollte das Sofa allein die Treppe hoch tragen.“
    „Ja, wir sind verwandt.“
    „Nein, seine Eltern sind keine Alkoholiker.“
    „Nein, die Betäubung wird nicht viel bringen, der Kerl ist breit wie meine Oma auf ‘nem Konzert der Amigos.“

    Während Rolf in den Krankenwagen geladen wird und sich vor Schmerzen windet, tut er mir fast schon ein Wenig leid. Sein Stiefvater begleitet Ihn ins Krankenhaus. Ist ja klar. Kurz bevor sich die Tür des Krankenwagens schließt, winkt mich Rolf nochmal mit letzter Kraft zu sich. Seine Stimme ist brüchig und man merkt Ihm an, wie er um die passenden Worte ringt:

    „Ich weiß wirklich nicht was schlimmer ist; die schrecklichen Schmerzen oder die Gewissheit, dass der Umzug heute nicht fertig werden wird. Allein wenn ich an die Kosten denke! Aber dich hier allein lassen zu müssen, in diesem Chaos, das ist der schlimmste Schmerz.“

    Man darf jetzt über mich lachen, aber in diesem Moment kam das wirklich ergreifend rüber. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass er diesen Satz ohne Hintergedanken ausgesprochen hat. Ja, ich bin manchmal blöd.

    Um 18:59 stelle ich den LKW wieder auf den Hof vom Mietwagenverleiher. – LEER!

    Der angestrebte Feierabend verleitet den Mitarbeiter der Mietwagenfirma sogar dazu, über die Beule in der Ladetür hinwegzusehen und mir mit einem freundlichen – „Wir haben beide nichts gesehen, klar?“ – die Quittung für die Fahrzeugrückgabe (ohne Beschädigungen) auszuhändigen. Die 150,- € Kaution wandern dabei wie von Geisterhand in seine rechte Hosentasche.

    Trotz des traurigen Umstandes, dass der (angeblich) erlittene Bandscheibenvorfall Rolfs – in den Startlöchern stehende – berufliche Karriere im Keim erstickt hat, nimmt dieser Umzug auf Familienfeiern inzwischen einen ziemlich legendären Stellenwert ein.
    Ehrlich, die Geschichte wie Rolf trotz seines kaputten Rückens, diesen Umzug durchgezogen hat, kennt inzwischen jedes Kind. Sein Stiefvater findet natürlich auch Erwähnung in dieser Heldensage. Und das nicht zu knapp. Von einem muss Rolf diese Härte und die ausgesprochen beispielhafte Arbeitsmoral ja auch haben.
    Ab und zu fällt auch jemandem ein, dass ich ebenfalls an diesem Tag dabei war. Ich nehme in dieser Geschichte dann immer die Rolle vom Fahrer ein, der beim Einparken die Ladetür vom Umzugswagen zerbeult hat.

    Da sage nochmal einer, mein Cousin wäre undankbar!
    Geändert von snakesplane (19.05.2016 um 13:34 Uhr)

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    Darkfield (19.05.2016), Fritz (19.05.2016)

  15. #18

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    Es riecht nach Löwe

    Ich muss immer wieder schmunzeln, wenn ich Fernsehsendungen wie „Höhle der Löwen“ oder Filme wie „Wallstreet“ sehe: Da wird uns weißgemacht, dass die wichtigen Entscheidungen in der Wirtschaft und den Medien, von gutaussehenden, durch und durch gestylten Menschen, in einer ruhigen Umgebung, in edlem Ambiente getroffen werden. In Wahrheit verbirgt sich hinter solchen Entscheidungen, ein fein abgestimmter Apparat, aus hochspezialisierten und motivierten Fachleuten, die im Schmelzkessel des Zeitdrucks, lösungsorientiert denken.
    Die Unterschiede zum Fernsehen könnten dabei kaum auffälliger sein:

    1. Die Umgebung:
    Zur Annäherung an die Realität, verlegen wir den Handlungsort von einer edlen Lounge mit Sesseln und rotem Samtteppich, in einen grauen Bürokomplex. Von den fünf Neonröhren die an der Decke hängen, funktionieren drei einwandfrei, eine flackert, die letzte hat Ihr Leuchtmittelleben vor langer Zeit ausgehaucht.
    Der graue Teppich verrät bei einem Blick in die Ecken, dass er einstmals in stolzem dunkelblau erstrahlte. Nun liegt er ausgetreten und mit nicht näher zu definierenden Flecken übersät vor uns.
    Bei jedem Schritt scheint der Schuhabsatz gegen etwas Klebriges auf dem Teppich anzukämpfen. Zu sehen ist jedoch nichts. Vermutlich sucht der von der tristen Umgebung deprimierte Bodenbelag nach etwas menschlicher Nähe und hängt sich daher verzweifelt an jede greifbare Schuhsohle.
    Selbstverständlich regnet es. Kein Donner und Blitz. Kein Hagel. Kein Unwetter. Einfach nur stinklangweiliger Regen.

    2. Die Teilnehmer:
    Als erstes fällt der Frischling in dem extra gereinigten, etwas zu kleinen Konfirmationsanzug auf. Er hat die Ausbildungsstelle vor drei Monaten erhalten. Bei Gesprächen mit Außenstehenden erwähnt er nur zu gerne den Namen seines Unternehmens und hinterlässt wo er auch hingeht Visitenkarten. - Nicht damit Ihn die Leute kontaktieren können, sondern damit Sie wissen, dass er jetzt einen Job hat, in dem man Visitenkarten kriegt. Er war eigentlich gar nicht für das Meeting eingeladen, sondern sollte nur für Kaffee und ausreichend Sitzgelegenheiten sorgen, blieb dann aber in der Annahme auch wichtig zu sein, im Raum sitzen und keiner der Anwesenden hatte den Mut oder das Interesse Ihm zu sagen, dass er sich besser verpissen sollte.

    Als Nächstes fällt der Jungmanager mit seinem perfekt sitzenden, stylischen Outfit ins Auge. Mit seiner dicken Hornbrille von Ray Ban und der betont kackbraunen Cordhose, völlig unpassend zum marineblauen Jacket (besonders rebellische Exemplare lassen das Einstecktuch weg und lösen die Krawatte soweit, dass man erkennt, dass der oberste Kragenknopf geöffnet ist) hebt er sich so sehr von der grauen Masse seiner Mitmenschen ab, dass er einem automatisch unsympathisch wird.
    [Diese Mischung von Anbiederung und geheuchelter Nebensächlichkeit des eigenen Erscheinungsbildes, kennt man sonst nun von den Jugendkirchentagen, bei denen schon mal zu den auf einer Akustikgitarre gezupften Klängen, der Billy Idol Song Rebell Yell intoniert wird, was der Pfarrer mit einer hochgezogenen Augenbraue und Kopfschütteln bedenkt. Hier wird Punkmusik nach Noten gespielt. Auf einer Stradivari. – Rock is dead they say, long live Rock!]
    Seit der Jungmanager vor einem halben Jahr die Uni abgeschlossen hat, gilt er als die Zukunft des Unternehmens. Schlaf, Erholung, Urlaub, sind für Ihn nur Fremdworte. Seine größte Sorge ist, dass die Villeroy & Boch Kloschüssel farblich nicht zu den italienischen Fließen in seinem neuen Badezimmer passen könnte. Er ist nicht hier um für das Unternehmen zu arbeiten, sondern um den verdammten Laden endlich auf Vordermann zu bringen.

    Dann haben wir da das Arbeitstier: Ein Mitarbeiter im Alter zwischen 30 und 45. Er ist inzwischen lange genug im Unternehmen, um zu wissen wie der Hase läuft, aber auch schon wieder zu lange dabei, um sich noch Illusionen über den Erfolg des heutigen Meetings zu machen. Motivationsseminare perlen an Ihm ab, wie Wasser auf einem Lotusblatt. Sein erklärter Erzfeind ist der Jungmanager, weil er fürchtet dass dieser irgendwann tatsächlich zum Geschäftsführer aufsteigen und dann echte Anweisungen geben könnte. – Ein erschreckender Gedanke.
    Der Einfachheit halber verzichtet er auf die Krawatte (da hat das Kind zu Hause drauf gekotzt) und ein weißes Hemd (hat die Spaghetti in der Mittagspause nicht schadlos überstanden). An besonders motivierten Tagen, trägt er ein Jacket über dem einfarbigen Polohemd.
    An weniger motivierten Tagen ist man froh, wenn er überhaupt irgendetwas auf seinem aus dem Leim gegangenen Oberkörper trägt.
    Als Grundnahrungsmittel stehen Ihm Kaffee und Zigaretten, in seltenen Fällen auch Donuts zur Verfügung. Kurzum: das Arbeitstier ist kein schöner Anblick, aber er kriegt die scheiß Arbeit erledigt – und zwar jeden verdammten Monat.

    Ein besonders scheues Exemplar ist der Ängstliche. Er ist zwar schon so lange im Unternehmen, dass er das Grau seines Büros als Charaktereigenschaft übernommen hat („Es muss ja irgendwie weitergehen.“), aber noch zu weit von der Rente entfernt, um sich wirklich sicher zu fühlen. Seine größte Angst ist es mit 55 Jahren aus dem Unternehmen geschmissen zu werden („Wer nimmt mich denn noch?“). Die größte Hoffnung des Unternehmens ist, dass es diese Angst schüren kann, bis er tatsächlich zusammenklappt und die Beine hochreist, weil Ihn zu feuern inzwischen einfach viel zu teuer wäre.
    Also schleppt sich der Ängstliche unter Medikamenteneinfluss und mit einem Glücksbärchi in der abgewetzten Ledertasche (hat er von seiner Psychiaterin bekommen) auf Arbeit. Ansprechen sollte man Ihn lieber nicht, sonst könnte es passieren, dass dieses sensible Konstrukt aus Angst und Verzweiflung, implodiert und die Hälfte der Büroeinrichtung mit sich reißt.

    Zur Auflockerung der Runde trägt nicht zuletzt, der Opa bei. Beim Opa handelt es sich um einen Mitarbeiter welcher entweder wenige Wochen vor dem Renteneintritt steht oder im Alter von 60 Jahren noch mal in den Betriebsrat gewählt wurde. Mit anderen Worten: Dem kann nichts mehr passieren!
    Der Opa verbringt seine Arbeitstage inzwischen hauptsächlich damit, den weiblichen Auszubildenden die Vorzüge älterer Liebhaber näher zu bringen oder von den Zeiten zu erzählen, als er noch mit dem Telegrafen, die aktuellen Börsenkurse abfragen musste. Drüben im Postamt war das. Kurz bevor die ersten Firmenwagen angeschafft wurden. Vielleicht könnte die Firma sogar von der Erfahrung des Opas profitieren, aber er ist inzwischen meist schon vormittags blau und/oder begibt sich bereits kurz nach 12:00 Uhr auf den Golfplatz (alternativ: Tennisplatz).

    Abgerundet wird die illustre Gesellschaft vom Chef. Er ist entweder selbst Geschäftsführer, oder (im Fall von besonders faulen und unfähigen Geschäftsführern) Prokurist. Der Chef ist der einzige, der noch vor Beginn der Besprechung auf einem Stuhl sitzt. Mit einer Hand tippt er auf seinem Tablet herum – und verschiebt dabei vermutlich mal eben ein paar Millionen – mit der anderen Hand spielt er mit seinem Montblanc Füller. Die Gravur „für Papi von Mausi“ auf dem Schreibutensil, in Kombination mit dem sicheren Wissen, dass der Chef keine Kinder hat, lässt erahnen dass der Füller nicht von seiner Ehefrau stammt.
    Der maßgeschneiderte Anzug stammt natürlich von Holland & Holland in London und wird vermutlich nach diesem Tag verbrannt, oder in einem Rot Kreuz Container entsorgt („Der riecht nach den Meetings immer so nach Arbeiterklasse.“). Ein Blick auf die nagelneue Omega Constellation an seinem Handgelenk, lässt den Schluss zu, dass das vergangene Geschäftsjahr doch nicht so katastrophal gewesen sein kann, wie dies allgemein kommuniziert wurde.

    3. Die Themen:
    Bei solchen „Entscheidungsmeetings“ (oder auch gerne „Nachtrunden“) geht es nicht darum ein lohnendes Geschäft zu sondieren, ein zukunftsweisendes Auftragsangebot zu verfassen, oder eine Lösung für ein grundlegendes Problem zu finden – das hatte das Arbeitstier alles schon vor dem Frühstück erledigt.
    Es geht vielmehr darum, wie in möglichst kurzer Zeit, möglichst viel zusätzliches Geld, mit möglichst wenig eigenem Aufwand erwirtschaftet werden kann. Hierbei gilt insbesondere zu beachten, dass das Erreichen der Vorjahreszahlen, ja selbst das Erreichen der Planzahlen (welche grundsätzlich ungeachtet der Marktlage um 10% höher liegen als die Vor-jahreszahlen) nicht als Erfolg zu verbuchen ist. Damit wurde lediglich der Fortbestand der geliebten Firma bis zu diesem Moment gesichert. Nun geht es um die Zukunft, wobei der Chef nicht müde wird, seine Mitarbeiter mit Sätzen wie:
    „Ob Sie in dieser Zukunft noch Teil des Unternehmens sind, wird sich erst noch zeigen.“
    „In harten Zeiten lassen sich harte Entscheidungen nicht umgehen.“
    oder auch mit dem Evergreen:
    „Dann müssen wir uns Gedanken machen, wer den Weg noch mitgehen kann.“
    zu motivieren.

    4. Der Ablauf
    Zunächst gilt das Motto wer zuerst was sagt, verliert. Hierbei rächt es sich, dass der Frischling unbedingt bleiben wollte: Auf die Frage des Chefs, ob den Jemand einen brauchbaren Vorschlag hätte, prischt der freudig erregte Azubi in der sicheren Gewissheit, dass seine Meinung hoch geschätzt wird hervor und blamiert sich mit seiner völlig idiotischen Antwort auf Vorschulniveau bis auf die Knochen. Seine Idee wird meist mit einem „Da kommste aber um 40 Jahre zu spät mein Junge.“ (der Opa), „Also so einen Unsinn können wir uns doch echt sparen.“ (der Jungmanager), „Kann ich dann jetzt wieder ins Büro?“ (das Arbeitstier), „Also wenn wir jetzt wieder mit sowas anfangen, muss ich sagen, dass ich das einfach nicht mehr schaffe. Das ist doch Wahnsinn.“ (der Ängstliche) kommentiert und mit dem abschätzigen Urteil des Chefs („Warum sind Sie überhaupt noch hier?“) bestraft.

    Danach wandert der Blick reih um, wobei der Opa mit seinem selbstverliebten Grinsen deutlich macht, dass man Ihn besser nicht fragen sollte, die Antwort würde mit Sicherheit auf ein Lösungsfindungsseminar mit Ihm und zwei bis drei Azubinen, in einem nahe gelegenen Hotel hinauslaufen.
    Das Arbeitstier erklärt sodann ungefragt, dass er ja noch „genug auf dem Schreibtisch“ habe und sich „über so einen Unsinn nicht auch noch den Kopf zerbrechen“ könne.

    Als die saure Gurke beim Ängstlichen angekommen ist (welcher offensichtlich noch unter dem starken Eindruck der Motivationssätze des Chefs steht) bricht es aus Ihm heraus: „Ich kann einfach nicht mehr. Wir wissen doch alle wenn es dann wieder erwischen wird. Ich mache Schluss. So hat das doch alles keinen Sinn mehr. Echter Wahnsinn.“
    Nur der beherzte Zugriff von Opa und Arbeitstier verhindern einen waghalsigen Sprung des Ängstlichen aus dem Fenster, wobei dieser Versuch den wahren Grad seiner Verzweiflung offenbart, schließlich ist der Konferenzraum ebenerdig gelegen.

    Nach ca. 15 Minuten gleicht das Büro dem Aufenthaltsraum einer geschlossenen Anstalt: Während der Frischling sich eingepinkelt hat und nun zusammengekauert in der Ecke sitzt, redet das Arbeitstier dem Ängstlichen Mut zum Leben zu: „Nächstes Jahr bekommt dein VW das H-Kennzeichen, da kannste doch jetzt nicht schlapp machen! Und bitte krieg dich schnell ein, ich hab echt noch viel Scheiß auf dem Schreibtisch!“ – „Das ist doch hier alles purer Wahnsinn.“
    Der Chef und der Opa tauschen derweil verfängliche Bilder der weiblichen Auszubildenden aus den Stockwerken drei bis fünf aus und der Jungmanager formuliert den völlig schwachsinnigen Lösungsvorschlag des Azubis, in einen genialen und hoch kreativen Zukunftsansatz aus seiner Feder um.

    Endergebnis:
    Der Chef wird den vom Jungmanager umformulierten Vorschlag des Azubis mit in den Vorstand nehmen und unter tosendem Beifall, seine Millionenprämie für die Erarbeitung der Unternehmenszukunft durchpeitschen.
    Der Jungmanager erhält ein neues Firmenhandy (natürlich das mit dem Apfel drauf) und neue Fußmatten für seinen Firmen-Passat.
    Opa wird mit der Erstellung eines neuen Azubidurchlaufplans beauftragt und als Vertrauensperson für die weibliche Belegschaft bestellt.
    Der Ängstliche fällt für die nächsten sechs Monate wegen Burnout aus.
    Der Frischling entwickelt ein Bettnässerproblem, sowie narzisstische Tendenzen. Er kündigt bei der Firma und schlägt eine Karriere als Gymnasiallehrer ein.
    Das Arbeitstier darf die durch das neue Projekt anfallende Mehrarbeit, sowie die Krankheitsvertretung des Ängstlichen bewältigen.

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    Fritz (11.06.2016), TomatenKetchup (11.06.2016)

  17. #19

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    Standard AW: Der lustige Tagebucheintrag

    Parkhaus-Blues

    Gerade habe ich mir in meiner Mittagspause die Füße vertreten. Da sowohl die angestrebte Zigarette als auch das hierfür benötigte Feuerzeug heute Morgen im Wagen zurückgelassen wurden, führte mein Weg zielstrebig in das Parkhaus hinter meinem Büro.
    Wie ich gerade wieder den Wagen abschließe, sehe ich wie eine ältere Dame (ca. 80 Jahre, könnte bei dem Fahrstil aber auch 100 Jahre alt gewesen sein) verzweifelt im Parkhaus rangiert. Zugegeben, dass Parkhaus hier in der Innenstadt ist recht eng, aber bei Ihr sah das so aus, als würde Sie nicht mit einem Renault Kleinwagen, sondern mit einem ausgewachsenen Hummer unterwegs sein.
    Jedenfalls hält Sie neben mir an und lässt die Scheibe runter: „Entschuldigung Junger Mann, wären Sie so nett mir beim Einparken behilflich zu sein?“ – Na klar. Selbstredend. Man ist doch freundlich.

    Ich positioniere mich also so, dass ich Ihr den Weg zum nächsten Parkplatz lotsen kann. Sie steigt aus dem Wagen aus und drückt mir die Schlüssel in die Hand. Ich will ihr die Schlüssel sofort zurückgeben:
    „Verzeihung, aber ich dachte ich solle Sie einweisen. Bei einem fremden Auto mache ich ungern Einparkversuche. Was ist denn wenn ich Ihnen eine Beule reinfahre?“
    „Ne ne, machen Sie mal Junger Mann, wird schon nichts passieren. Sie können das doch viel schneller als ich.“
    Ich sträube mich noch ein wenig, dann sehe ich die Pippi in Ihren Augen aufsteigen. „Na gut ich mach’s“ – höre ich mich noch sagen und schon sitze ich in dieser französischen Krankheit, mit dem Blickfeld eines Panzers und einem Getriebe, für dessen Konstrukteur ein besonderer Platz in der Hölle vorgesehen ist. Mein Kopf stößt an den Fahrzeughimmel, meine Knie kuscheln mit dem Lenkrad.
    „Aber verstellen Sie mir bloß den Sitz nicht!“ ruft die rüstige Rentnerin schon wieder deutlich gefasster, als noch vor einigen Sekunden.

    Ich schmeiß den Gang rein (bzw. breche der Schaltknauf beim Versuch beinahe entzwei) und visiere die Parklücke direkt hinter mir an. – „Ne ne ne, nich‘ die. Die hier vorne.“ (Madam hat also auch noch Ansprüche und weist auf den wahrscheinlich beschissensten Platz im ganzen Parkhaus, zwischen zwei dicken Betonpfeilern hin.
    „Aber hören Sie doch, der hier ist doch viel schöner. Da haben Sie beim Einsteigen viel mehr Platz und können ganz gemütlich wieder rausfahren. Wollen wir nicht lieber den hier nehmen?“ – Versuche ich Omi zu Vernunft zu bringen.
    „Nein, ich stehe seit 5 Jahren auf diesem Platz. Den bin ich gewohnt.“ (deswegen kommt Sie wahrscheinlich auch nicht alleine in die Lücke)
    Also den Rückwertigen raus, den Ersten rein. Vollgas voraus. – „Was machen Sie den? Sie müssen rückwärts einparken, sonst komme ich doch so schlecht wieder raus.“ Faucht mich Omi inzwischen wieder ganz in Volkssturm-Stimmung an.

    Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Parklücken in besagtem Parkhaus in Fahrtrichtung, stets leicht versetzt zu einander liegen. Ein Einparkmanöver wie Omi es verlangte, erfordert ein Wenden auf dem Punkt (im Parkhaus), mit anschließendem Rückwärtseinparken, gegen die Fahrtrichtung. Solche Manöver kenne ich sonst nur aus Youtube-Videos, oder dem Geschicklichkeitsspiel „Park my ride“. Diskutieren war sinnlos und da sich bereits drei Fahrzeuge hinter uns gesammelt hatten, brachte ich es auch nicht übers Herz die Alte allein stehen zu lassen.

    Ich will mich nicht selber loben, aber das Wendemanöver mit anschließendem rückwärts Einparken, auf einer Fläche von sagen wir mal 5m², bedurfte insgesamt nur 5 Züge. Die Karre stand ohne einen Kratzer, so wie Omi es wollte, millimetergenau zwischen den Pfeilern. Als ich ausstieg meinte ein Taxifahrer (welcher gerade noch wild hupend hinter uns gewartet hatte) im vorbeifahren nur: „Nich‘ schlechd, kannsde bei mir anfang.“

    Omi kontrollierte ihr Fahrzeug, mit einer schier unverschämten Genauigkeit, stellte sich vor den Wagen und stellte fest: „Naja, nicht wirklich gerade. Beim nächsten Mal geben Sie sich bitte ein bisschen mehr Mühe!“ – ich zähneknirschend: „Nichts zu danken! Schlüssel steckt, Gang ist draußen, schönen Tag noch.“ – „Was steckt?“ – Ich schreie: „Ihr Schlüssel steckt noch im Zündschloss. Der Motor ist im Leerlauf.“ – Omi pissig: „Ja gut dann muss ich den halt selber ausmachen.“

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    Darkfield (01.07.2016)

  19. #20

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    Standard AW: Der lustige Tagebucheintrag

    Scrubs in Real Life

    Ich habe mich verletzt … jetzt nicht wirklich schlimm … also naja … auch nicht zu verharmlosen … ich habe mir in die Hand geschnitten.

    Da kommt Blut. In nicht zu vernachlässigenden Mengen. Ich sollte einen Arzt aufsuchen.

    30 Minuten später stehe ich mit einem Handtuch um die verletzte Pfote gebunden, in der Notaufnahme des örtlichen Kreiskrankenhauses. Eine Krankenhausnotaufnahme am Wochenende entspricht in Ihrem Erscheinungsbild ziemlich genau der Fernsehserie „Scrubs“; chaotische Zustände, keiner der vorbeihuschenden Assistenzärzte ist über 30 und die Schwester hinter der Anmeldung strahlt die Herzlichkeit eines russischen Stahlarbeiters aus.
    Kurzum: Man fühlt sich als Patient sofort gut aufgehoben.

    Als ich einen Schritt auf den Anmeldetresen zu mache, schlägt mir sodann der durchdringende Blick der osteuropäischen Metallverarbeitungsangestellten entgegen: „Nummer ziehen!“
    Ich blicke mich um. Es ist 21:10 Uhr abends; die Notaufnahme ist leer. Es wird wohl noch ein paar Stunden dauern, bis die ersten Jugendlichen im zugedröhnten Zustand, Ihre Kenntnisse über die hiesigen Baumvorkommen auffrischen wollen. Keine einzige Menschenseele befindet sich im Warteraum, oder in einem der angrenzenden Behandlungsräume. – Ich soll eine Nummer ziehen!

    Ich betätige den roten Ticketauswurfknopf, am mittig im Raum platzierten Nummernautomaten. Der Schnipsel zeigt die Nummer 3. Der leuchtende Kasten über der Anmeldung zeigt die Nummer 1. Die Schwester betätigt einen Schalter und die Nummer 2 leuchtet auf. Nichts passiert. Wie auch? Außer der Anmeldetussi und mir, gibt es kein anderes atmendes Wesen in der Notaufnahme.
    Die Erfahrungen die ich in den vergangen Minuten gesammelt habe, legen den Schluss nahe, dass wer auch immer die Nummer 2 gezogen hatte, inzwischen höchstwahrscheinlich bereits verstorben ist. Das Fehlen eines Leichnams legt darüber hinaus auch die völlige Verwesung der sterblichen Überrreste meines Vorgängers nahe.
    Die Schwester wartet. Ich warte. Wir blicken uns durch die Trennscheibe welche zum Zweck der Diskretion, zwischen Anmeldebereich und Warteraum gezogen wurde an. Die Szene erinnert an die Klimax eines Western mit John Wayne: Sie blickt auf die Uhr. Sie wartet. Sie beobachtet wie der Sekundenzeiger eine vollständige Umrundung vollzieht. Genau nach 60 Sekunden Wartezeit - in denen wie zu erwarten war, nichts geschehen ist - drückt Sie erneut den Schalter und die Nummer 3 leuchtet über Ihrem Schädel auf.

    Ich trete vor. Der verängstigte und offensichtlich nicht unerheblich verletzte Patient wird hier in der Notaufnahme nicht etwa mit einem „was fehlt Ihnen denn“ oder „wo tut’s denn weh“ sondern mit einem verbindlichen „Ihre Krankenkassenkarte … bitte“ begrüßt.

    Nachdem die Kostendeckung meiner Behandlung abgesichert ist, geht es ans Eingemachte der Diagnostik:
    „Was ist passiert?“ – „Ich habe mich geschnitten.“

    „Geht das auch ein bisschen genauer?“ – Ich hebe die blutende Hand: „Ich habe mich in die Hand geschnitten.“

    „Wie haben Sie das gemacht?“ – „Mit einem Messer.“

    „Nein, warum? Also wieso?“ – „Soll ich die Frage doppelt beantworten oder war die Formulierung als Redundanz zu verstehen?“

    „Hä?“ (deutlich lauter) „Wobei haben Sie sich verletzt?“ – Ich könnte Ihr jetzt wahrheitsgemäß von meinem unrühmlichen Versuch erzählen eine Ananas zu schälen, entscheide mich aber für die unterhaltsamere Variante: „Aus Gründen der religiösen Selbstverstümmelung.“

    Die Schwester verzieht keine Miene.

    „Haben Sie in den letzten 24 Stunden Drogen, Alkohol oder Medikamente eingenommen?“ – „Nein, ja, nein.“

    „Was denn nun?“ – Ich wiederhole langsam und deutlich: „Nein, ja, nein! – In der von Ihnen aufgeführten Reihenfolge.“

    (Kopfschütteln auf der anderen Seite des Tresens) „Dann nehmen Sie bitte Platz!“

    Der menschliche Körper trägt je nach Geschlecht, Gewicht und Größe, zwischen 4,5 und 6 Litern Blut in sich. Je nach Konstitution und Situation kann eine Person vorübergehend bis zu 30% Blutverlust verkraften, bevor Sie in einen Schockzustand verfällt, welcher zur Verlangsamung des Blutkreislaufs und damit verbunden zum Verlust des Bewusstseins führt.
    Ich will hier weder die Schwere meiner Verletzung noch die Dauer der Wartezeit in der Notaufnahme dramatischer schildern als es tatsächlich war, aber ich möchte glaubhaft versichern, keine Erinnerung mehr daran zu haben, wie ich den Weg vom Warteraum zum Behandlungszimmer zurückgelegt habe:

    Plötzlich lag ich auf einer Behandlungspritsche, meine Wunde war bereits desinfiziert und ein offensichtlich indisch stämmiger 12-Jähriger war mit Nadel und Faden an meiner Hand zu Gange, während er in äußerst gebrochenem Deutsch in das zwischen seiner Schulter und seinem Ohr festgeklemmte Telefon sprach.

    „Nein Patient auf 310 nicht nüchtern mache. OP verschoben weil Arzt nicht da. Keine Ahnung. Nicht gefunden.“ (wenn jetzt den Arzt, oder den Patienten?)

    „Ich noch bis 7 Dienst … Jaja bis 7 … Kann kaum noch aus Augen gucken … Habe was genommen … Hilft nicht sein müde zu sehr.“ (vielleicht hätte die Schwester ja unserem ‚Life of Pi‘ mal Ihre redundanten Fragen nach Drogen, Alkohol und Medikamenten stellen sollen)

    „Ja die Neue sehr scharf … sehr, sehr scharf … will Nachtschicht machen mit Neue … hehehe.“ (dabei zwinkert mir der umgeschulte Dell-Hotline-Mitarbeiter zu, als wolle er mir nachgemachte AC/DC Merchandise Artikel verkaufen)

    Plötzlich höre ich auf dem Flur etwas krachen. Slumdog Millionär hört es auch und bleibt verschreckt und regungslos sitzen. Dann steckt ein anderes Kind das man in einen viel zu großen Kittel gekleidet hat, seinen Kopf durch die Tür des Behandlungsraums:

    „Radschesch, der Matusczyk hat nen Notfall in der 3. Der braucht mal ein Skalpell.“

    „Was‘n für eines?“

    „Ein scharfes.“

    Radschesch atmet tief durch, legt Nadel und Faden bei Seite und schreit durch die halb geöffnete Durchgangstür hinter Ihm: „Schwester Müller, Dr. Matusczyk braucht Skalpell.“ – Schwester Müller stellt die Frage welche in diesem Moment auch mir auf der Seele brennt. – „Was denn für eines?“ – Radschesch zögert keine Sekunde: „Ein scharfes!“ Radschesch grient, ich griene, der Kleinwüchsige Assistenzarzt in der Tür grient.

    Im Nebenraum hört man die sonore Stimme eines offensichtlich hinzugerufenen Erziehungsberechtigten, welcher hier den Kindergarten bei Laune halten soll: „Das mit dem Skalpell hat sich erledigt.“
    Die Frage ob der Arzt mit der Stimme von Morgan Freeman den Patienten auch ohne das geforderte Schneideinstrument versorgen konnte, oder ob sich der Fall auf ähnliche Art erledigt hat, wie der des Wartenden mit Schnipsel Nummer 2, kann hier leider nicht beantwortet werden.

    Meine Wunde jedenfalls wurde überaus fachmännisch versorgt und es sollten keine bleibenden Schäden zurück bleiben. Die Narbe erinnert allerdings verdächtig an die Naht auf einem Fußball der Marke Adidas, aber das kann auch Zufall sein.
    Geändert von snakesplane (09.08.2016 um 08:56 Uhr)

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    DotNet (22.08.2016)

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