Von ganz oben nach ganz unten: So ließe sich die Geschichte von Blackberry zusammenfassen. Doch die Geräte werden als Hackberry Pi wiederbelebt – diesmal sogar mit quelloffener Hardware und Software. Die legendäre physische Tastatur ist mit dabei. Sie ist seit jeher das Markenzeichen des Herstellers, manche Fans vermissen sie bis heute. In diesem Beitrag erfährst du zusammengefasst vom Aufstieg und Fall des Pioneers Blackberry. Und anschließend, wie der HackBerry Pi die Geräte 2025 mit einem innovativen Ansatz nicht nur zum Leben erwecken, sondern sogar besser machen möchte.
Vor dem iPhone: Blackberry erfindet Smartphones & stirbt
Apples 2007 veröffentlichtes iPhone gilt vielen als Symbol des Smartphones. Nicht jedoch, weil Apple es erfunden hätte. Das haben andere bereits Jahrzehnte zuvor getan: Schon 1994 erschien der Simon Personal Communicator von IBM.1 Für damalige Verhältnisse war es extrem innovativ und bot im Kern bereits den Großteil aller Funktionen, die wir von heutigen Mobilgeräten kennen. Doch der Markt war noch nicht reif. Erst 13 Jahre später schaffte es Apple, das Smartphone als kommerziell erfolgreiches Massenprodukt zu verkaufen.
Blackberry bewegt sich dazwischen: Sie stellten im Jahr 2000 ihr erstes Gerät vor.2 Es ist deutlich kompakter als das 6 Jahre alte von IBM und zeichnet sich durch eine physische Tastatur aus. Die echten Tasten sollten zum Markenzeichen werden, während andere auf die Eingabe per Stift bzw. Touch setzen. 2003 (in Deutschland 2004) folgte mit dem 7230 das erste Blackberry mit Farbbildschirm.3 Das Schreiben wird als deutlich schneller beschrieben, als mit den Ziffertastaturen über die damals gängigen Handys. Revolutionär war damals die schnelle Zustellung von E-Mails über einen Proxy-Dienst des Herstellers.45
Jahre vor Apple gelang es Blackberry, die Vorteile eines Mobiltelefons mit dem des Computers zu verbinden. Allerdings eroberten sie damit primär den Markt für Geschäftskunden. Viele Chefs und bekannte Persönlichkeiten nutzten die Geräte. Im Jahr 2011 erreichte Blackberry sein Hoch mit fast 20 Milliarden US-Dollar Umsatz. Ab 2013 ging es jedoch stark Bergab: Apple etablierte den Touchscreen mit dem iPhone.6 Durch die entstehende Konkurrenz wurden Smartphones auch unter Privatkunden verbreitetet. Nach nur wenigen Jahren spielte Blackberry auf dem Mobilfunkmarkt keine Rolle mehr.
Open Source: BlackBerry kommt als Hackberry Pi zurück
Ein Student aus Dresden möchte BlackBerry zurück bringen. Die inoffizielle Neuauflage der ehemals beliebten Smartphones hört auf den Name Hackberry Pi.7 Als Basis dient ein Handheld-Gehäuse, welches dem Vorbild zwar nicht 1:1 identisch sieht. Jedoch durchaus Ähnlichkeiten aufweist. Der typische Wiedererkennungswert wird über das Markenzeichen erzielt: Die Tastatur. Sie ist ein Originalteil, welches von Blackberry Q10, Q20 oder 9900 Geräten stammt.
Spannend ist der Hackberry Pi, weil es sich nicht um das zunehmend weiter geschlossen gewordene Smartphone Nummer 7492 handelt. Das Herzstück bildet ein Raspberry Pi Compute Model 5. Es basiert auf dem Raspberry Pi, ist jedoch anpassbar und für den Einbau in anderen Produkten vorgesehen. Statt Android kommt mit dem Raspberry Pi OS ein vollwertiges, freies GNU/Linux Betriebssystem zum Einsatz. Dies kann auf die gesamte Hardware des Raspberry Pi CM5 zugreifen. In der Galerie ist beispielsweise eine Python-IDE zu sehen, die den beliebten DHT20 Sensor ansteuert – Temperatur und Luftfeuchtigkeit werden auf der Konsole ausgegeben.8 Dank des integrierten I2C Anschlusses ist dafür keine gesonderte Hardware nötig.

(Quelle: Github; ZitaoTech HackberryPiCM5)
Der HackBerry Pi kann mehr als BlackBerry
Die CM5 Basis bietet reichlich Anschlüsse, bei denen kein klassisches Smartphone mithalten kann: Zwei USB 3.0 Anschlüsse sind vollumfänglich nutzbar, wie an jedem Raspberry Pi/PC. Dazu lässt sich per HDMI ein externer Bildschirm anschließen. Im Gegensatz zum normalen Raspberry Pi ist dazu kein Adapter von Micro-HDMI auf HDMI notwendig. Das macht den HackBerry Pi als mobilen PC interessant: Unterwegs wird er über den eingebauten 4 Zoll Touchscreen (720×720) und die Tastatur sowie den integrierten Mausersatz gesteuert. Der 5000mAh Akku soll 5 Stunden im Leerlauf und 3-4h bei typischer Nutzung durchhalten. Er ist mit 1,5-2A in 2-3 Stunden voll aufgeladen. Zuhause bieten ein externer Bildschirm zusammen mit vollwertiger Tastatur & Maus mehr Platz.
Über den 2242 NVME-Anschluss kann wahlweise eine M.2 SSD oder eine Halio „KI“ Karte angeschlossen werden. Kein Smartphone besitzt austauschbaren Speicher. Bestenfalls lässt er sich dort über Micro-SD Karten erweitern, dies bieten jedoch zunehmend weniger Hersteller an. Damit die Uhrzeit bei leerem Akku auch ohne Netzwerkverbindung erhalten bleibt, hat der Hackberry Pi eine Echtzeituhr mit Knopfzelle bekommen. Ungewöhnlich: Der eingebaute Lautsprecher ist per Bluetooth angebunden.

(Quelle: Github; ZitaoTech HackberryPiCM5)
Fast fertig Bestellen möglich, aber schwierig
Die Hardware lässt sich nahezu fertig bestellen. Zur Auswahl stehen die drei bereits erwähnten Varianten Q10, Q20 und 9900, welche von BlackBerry selbst stammen und die Tastaturen der jeweiligen Geräte beinhalten. Das Raspberry Pi CM5 befindet sich nicht im Lieferumfang und muss separat erworben werden. Eine Anleitung zeigt, wie der Zusammenbau erfolgt. Nach dem Einbau des CM5 erhält er noch einen Kühlkörper, schon ist das Gerät bereit.9
Im Lieferumfang befindet sich der Hackberry Pi mit dem 5 Ah Akku, einer Heatsink zur Kühlung des CM5, ein Schraubendreher zur Montage, das schwarze Etui um ihn unbeschadet auf Reisen mitnehmen zu können und eine 32 GB Speicherkarte mit vorinstalliertem Raspberry Pi OS. Dazu soll ein mysteriöser Sticker dabei sein – er ist vermutlich zum Aufkleben auf das Gehäuse gedacht. Bei Notebooks sieht man das gelegentlich, während sich Sticker auf Smartphones nicht durchgesetzt haben. Wahlweise lässt sich weiteres Zubehör wie beispielsweise ein Tischständer oder eine externe Antenne zur Verbesserung des WLAN-Signals dazu bestellen.

(Quelle: Github; ZitaoTech HackberryPiCM5)
Warum?
Smartphones mit echter Hardware-Tastatur sind seit längerem nahezu ausgestorben. Stattdessen haben sich Touchscreens durchgesetzt, die mit dem Finger bedient werden. BlackBerry zielte auf die berufliche Nutzung ab, bei der man viel schreibt. Das Lesen und beantworten von E-Mails gehört auch heute noch zum Geschäftsalltag. Neu hinzugekommen sind lediglich andere Kanäle, wie etwa Messenger. Für Privatpersonen spielt das dagegen keine große Rolle. Sie schreiben unterwegs keine Romane, sondern eher kürzere (Chat- ) Nachrichten. Wer längere Texte verfasst, greift auf ein Notebook bzw. einen PC mit vollwertiger Tastatur zurück. Oder schließt eine externe an ein Tablet an. Dennoch gibt es bis heute einzelne Fans, die der BlackBerry-Tastatur hinterher trauern.
Der HackBerry Pi möchte jedoch nicht nur jene abholen. Das Ziel des Projektes besteht in einem mobilen GNU/Linux Computer, um die Nutzer anzuregen, sich mit ihrem Betriebssystem zu beschäftigen. Durch die Offenheit von freier Software ist das problemlos möglich. Bei dem verbreiteten Android leider zunehmend immer weniger. Zwar basiert Android auf Linux, jedoch ist es schon von Anfang an eingeschränkt worden. Einige Hersteller bauen Beschränkungen ein, welche die Installation anderer Betriebssysteme verhindern. Auch volle Root-Rechte bekommt der Eigentümer nicht mehr überall. Hinzu kommen weitere Details, wie die steigende Abhängigkeit von proprietären Google-Diensten. Das Dilemma ist einen eigenen Beitrag wert – in Kurzform entwickelt sich Android immer stärker zu geschlossener Software.
Ein Smartphone-Ersatz?
Wer nun hofft, sein unfreies Android-Smartphone gegen den HackberryPi zu tauschen, wird jedoch wahrscheinlich enttäuscht sein. Bereits die vergleichbar kurze Akkulaufzeit macht ihn als alltägliches Smartphone untauglich. Selbst bei den heutigen Geräten mit recht starkem Energiehunger möchte man mindestens über einen Tag kommen. Dazu fehlt der Zugriff auf gängige proprietäre Dienste: Apps wie WhatsApp installieren? Nicht möglich, da diese nur für Android angeboten werden. Unterwegs surfen? Nur per WLAN möglich. Telefonieren? Fällt mangels Mobilfunkverbindung flach.
Sicherlich lässt sich für manches ein findiger Workaround finden: Im Zug kommt der HackBerry Pi per WLAN ins Internet, oder eigenem Hotspot. WhatsApp kann per Web-Oberfläche genutzt werden. Aufs klassische Telefonnetz können einige sicherlich mittlerweile verzichten. Telefonieren wird seit Jahren immer unbeliebter, die Kommunikation verlagert sich weiter zu Text, Smileys und Sprachnachrichten. Wer noch telefoniert, tut das zunehmend per Internet.10 Dennoch dürften nur die wenigsten bereit sein, ihr Smartphone mit einem HackBerry Pi zu ersetzen.
In seiner Klasse kann ein deutlicher Leistungssprung erwartet werden. Der Vorgänger HackBerry Pi Zero setzte auf den Raspberry Pi Zero 2W. Dieser hat zwar wiederum deutlich stärkere Hardware als der erste Zero. Dennoch ist auch der Zero 2W im Vergleich zum CM5 abgespeckter.11
Fazit
Auch wenn der HackBerry Pi kein 1:1 Ersatz für ein BlackBerry bzw. Smartphone generell ist, sieht das Gerät sehr interessant aus. Ich sehe ihn viel mehr als kompakten GNU/Linux PC, der sich in einer ähnlichen Kategorie wie das Steam Deck bewegt.12 Statt den Fokus auf Spiele zu setzen, möchte der HackBerry Pi ein universeller PC sein und richtet sich primär an Bastler. Beides sind bisher kleine Nischen, die durchaus Potenzial haben. Das Steam Deck bietet mit einem vollwertigen GNU/Linux Desktop bereits recht viel Freiraum.
Der HackBerry Pi setzt noch eines drauf. Bei welchem nur ansatzweise vergleichbaren Gerät sind selbst die 3D-Modelle der Hardware quelloffen und frei verfügbar?13 Schade ist lediglich, dass er derzeit ausverkauft ist und damit bis auf weiteres kein praktischer Test durchführbar sein wird. Preise werden ebenfalls keine angegeben. Das wäre spannend, insbesondere im Vergleich zum Steam Deck. Nachvollziehbar ist es jedoch – schließlich handelt es sich um ein eher kleines Projekt mit sicherlich überschaubaren Produktionskapazitäten. Bis dahin können interessierte ein paar Videos auf TikTok anschauen, die verschiedene Betriebssysteme wie u.a. Kali Linux zeigen.14
Quellen
- https://www.heise.de/news/20-Jahre-Smartphone-Mit-IBMs-Simon-fing-alles-an-2293693.html?hg=1&hgi=2&hgf=false ↩︎
- https://www.mobilephonemuseum.com/phone-detail/957 ↩︎
- https://www.inside-digital.de/handys/blackberry-7230 ↩︎
- https://www.macwelt.de/article/952523/blackberry-7230.html ↩︎
- https://www.zdnet.de/39116401/smartphone-fuer-s-business-rim-blackberry-7230/ ↩︎
- https://de.statista.com/infografik/2795/weltweiter-umsatz-von-blackberry/ ↩︎
- https://github.com/ZitaoTech/HackberryPiCM5 ↩︎
- https://github.com/ZitaoTech/HackberryPiCM5/blob/main/Gallery/README.md ↩︎
- https://github.com/ZitaoTech/HackberryPiCM5/tree/main/Assembly ↩︎
- https://www.heise.de/news/Das-Smartphone-wird-immer-weniger-als-Telefon-genutzt-10379364.html ↩︎
- https://www.notebookcheck.com/HackberryPi-Zero-Mobilsystem-mit-Blackberry-Tastatur-und-Linux-kommt-mit-Hot-Swap-Akkus.871229.0.html ↩︎
- https://www.golem.de/news/desktop-modus-des-steam-deck-ausprobiert-das-fast-perfekte-linux-fuer-umsteiger-2205-165642.html ↩︎
- https://github.com/ZitaoTech/HackberryPiCM5/tree/main/3D-Modell ↩︎
- https://www.tiktok.com/@mr.hackberry_pi ↩︎