Wie KDE die Spenden um 1952% steigerte

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Wie KDE die Spenden um 1952% steigerte

KDE kümmert sich neben dem Plasma Desktop um zahlreiche freie Programme aus dem GNU/Linux Ökosystem. Doch Sie hatten ein großes Problem: Viel zu wenig Geld, ein 6-Stelliger Betrag fehlte – pro Jahr. Mit einer einfachen Idee konnten sie ihre Spenden um sage & schreibe 1952% steigern. Und die Kampagne läuft noch. Dieser Beitrag zeigt, wie es KDE geschafft hat, aus einem deutlichen Minus ins Plus zu kommen. Und schaut dabei auch abseits auf die Freie Software Bewegung, damit diese von den Erfahrungen profitieren kann.

KDE: Vorreiter Freier Software

Bei KDE handelt es sich um eine Gemeinschaft zur Entwicklung freier Software. 1996 gegründet gehört sie zum Urgestein. Am bekanntesten ist KDE für die 2008 erstmals veröffentlichte Desktop-Umgebung Plasma. In den 17 Jahren hat sich Plasma zu einem Platzhirsch entwickelt und kommt in einigen GNU/Linux Distributionen zum Einsatz: Ubuntu (Kubuntu), Fedora KDE Plasma Desktop, sowie Manjaro KDE sind nur einige der verbreiteten Beispiele. Auch das in letzter Zeit zunehmend bekannt gewordene CachyOS setzt auf Plasma.

Einige weitere setzen zwar nicht primär darauf, bieten jedoch Plasma als zusätzliche Option an. Zudem es Distributionen wie Debian gibt, die keinen einzelnen Desktop favorisieren. Sondern verschiedene gleichberechtigt ausliefern und die Auswahl komplett dem Nutzer überlassen. Distrowatch listet derzeit 107 aktiv gepflegte Distributionen mit KDE Plasma auf.1

Plasma: Eine der führenden Desktop-Umgebungen

Die Desktop-Umgebung zeichnet sich vor allem durch eine moderne, optisch ansprechende Oberfläche sowie die hohe Anpassbarkeit aus. Ausschlaggebend zur Gründung war der Mangel an einheitlichen Oberflächen für GNU/Linux. Mit der Qt-Bibliothek sollte sich das für alle Nutzer ändern.2 Außerdem existiert ein großes Ökosystem an Qt-Anwendungen, die für ein Betriebssystem nötig sind.

Im Gegensatz zu GNOME führt Plasma keine komplett neuen Bedienkonzepte ein. Stattdessen orientiert man sich am bewährten: Taskleiste, Startmenü, Fenster. Ich nutze Plasma neben XFCE und komme damit am besten zurecht. Der Ansatz von GNOME ist eine nette Idee, den Desktop neu zu denken. Auf Mobilgeräten dürfte dieses reduzierte Konzept sicherlich funktionieren. Doch für einen vollwertigen Desktop empfinde ich es als zu minimalistisch. Zwischen Fenstern zu wechseln, ist in einem unangepassten GNOME-Desktop aufwändiger. Mit Plasma/XFCE genügt ein Klick in die Taskleiste. Wer noch Windows genutzt hat und zu freier Software wechselt, dürfte die Vertrautheit zudem schätzen.

Mehr als „nur“ Plasma

Während viele zuerst an Plasma denken, kümmert sich die gemeinnützige Organisation um insgesamt mehr als 200 Anwendungen.3 Zum einen sind das kleinere Programme der Plasma Desktop-Umgebung, wie etwa der Plasma-Systemmonitor, Spectacle (für Bildschirmfotos), Ark (Archivprogramm), KDE Connect (Synchronisation von Daten mit dem Smartphone) und viele weitere. Allerdings auch sehr umfangreiche Software, die neben GNU/Linux weitere Betriebssysteme unterstützt: Kdenlive (Filmschnitt) sowie Krita (Malen) zählen wohl zu den am häufigst genutzten.

Als eingetragener Verein (KDE e.V.)4 haben sie nicht die Absicht, euch zu Verkaufen oder euer Geld aus der Tasche zu ziehen – das bleibt skrupellosen Konzernen wie Microsoft überlassen. Das Ziel von KDE besteht in der Förderung & Entwicklung von Freier Software. Eben jener Software, die seine Nutzer respektiert und ihnen bestmöglich hilft. Ihre Arbeit wird von Spenden finanziert.5

Wenn die Spenden nicht reichen

Somit ist KDE darauf angewiesen, genügend Menschen zu erreichen, die Ihre Arbeit durch Spenden ermöglichen. Lange Zeit wurden die Aufrufe dazu in den Sozialen Netzwerken geteilt. Auch die wöchentlich erscheinenden Blog-Beiträge des Projekts enthalten gegen Ende einen Hinweis auf die notwendige Unterstützung.

Im Jahr 2023 wurden Einnahmen von über 349.000€ erzielt. Dem standen allerdings Kosten von mehr als 457.000€ gegenüber. Somit kämpfte KDE mit einem Defizit von rund -108.000€! Die Auflistung zeigt klar: Zur mit Abstand größten Einnahmequelle zählen Spenden, während am meisten Geld für das Personal ausgegeben wird.6 Das verwundert wenig, die Personalkosten liegen oft deutlich über den Materiellen. Doch mit einem 6-Stelligen Minus war die Finanzierung von KDE nicht nachhaltig gesichert. Das Problem war nicht neu – bereits 2022 reichten die Einnahmen nicht aus. Im Jahr 2023 ist das Defizit sogar deutlich gestiegen.

Neue Maßnahme: Alle fragen

Für 2024 nahm man sich daher zum Ziel, die Einnahmen zu steigern. Parallel sollen die Ausgaben möglichst stabil bleiben, damit ein ausgeglichener Haushalt entstehen kann. Dabei entstand die Idee, ab Plasma 6.2 einmal jährlich eine Benachrichtigung an die Nutzer der Desktop-Umgebung auszuspielen. Sie soll daran erinnern, dass kein großer Technik-Konzern mit astronomischen finanziellen Mitteln hinter dem Projekt steckt. Sondern ein relativ kleiner Verein, der auf kleine Spenden von vielen Nutzern angewiesen ist. Damit sollen all jene erreicht werden, die KDE nicht auf ihrem Blog oder in den Sozialen Netzwerken folgen.7

Darüber wurde umfangreich diskutiert. Mit Blick auf unfreie Software mag das lächerlich erscheinen. Doch das Niveau bei Freier Software hängt deutlich höher: Werbung wird als Belästigung angesehen. KDE sah allerdings, dass es nicht um Werbung für irgendetwas geht. So wie Windows beispielsweise (Drittanbieter-)Werbung zeigt, um Milliardengewinne noch weiter ins uferlose zu steigern.8 Sondern um die eigene Zukunft. Man blickte auf andere Projekte und sah, dass dies bei Thunderbird & Wikipedia breitflächig akzeptiert wird. Auf Wikipedia wird seit langem jährlich um Spenden gebeten.9 Ebenfalls blickte man zurück, wie frühere Spendenaufrufe auf der Webseite & in den Sozialen Netzwerken zehntausende bis hunderttausende Euro lieferten.10

Der Schritt wurde daher unter strengen Auflagen gewagt: Der Dialog ist recht klein, um möglichst wenig aufdringlich zu sein. Plasma zeigt ihn nur im Dezember an. Außerdem kommen keine manipulativen Dark Patterns zum Einsatz, wie es bei proprietärer kommerzieller Software „normal“ wurde.11 Niemand wird zum Spenden genötigt. Wer nicht kann oder möchte, drückt Nein, Danke und hat seine Ruhe. Außerdem erscheint er nur einmalig. Jede Reaktion (alle Knöpfe, Schließen) sorgt dafür, dass er nicht erneut erscheint.

Aufmerksamkeit hilft: 1952% mehr Spenden!

Die Resonanz unter den Nutzern ist gewaltig: Erhielt KDE im Dezember 2023 mit über 9.500€ bereits deutlich mehr, als in den meisten Monaten davor, knackten sie im Dezember 2024 die Marke von 100.000€. In nur einem Monat wurden 109.576€ gespendet! Das ist ein neuer Rekord und dürfte weit über dem liegen, was sich die Betreiber von der Aktion erhofft haben.

Zur Einordnung: Im Dezember 2023 wurden 9.557€ gespendet, Dezember 2022 waren es 4.640€, der Dezember 2021 kommt auf 9.827€ und im Dezember 2020 erhielt KDE 5.771€.12 Das ergibt eine durchschnittliche Spendensumme von rund 7.449€ monatlich, wenn man jeweils den letzten Monat der Jahre 2020 – 2023 berücksichtigt. Von diesem Durchschnittswert auf 109.576€ in 12/2024 entspricht einer Steigerung von satten 1.471%!

Dieser Erfolg soll 2025 noch deutlich getoppt werden. Im Dezember 2025 (Stand 20.12.2025) sind bereits rund 145.365€ eingegangen. Einen Tag später waren es gut 146.250€. Obwohl der Dezember längst nicht vorbei ist, wurde der Schnitt von 2020 – 2023 schon jetzt um rund 1952% (Stand 20.12.) bzw. 1963% (21.12.) übertroffen. Tendenz weiterhin steigend: Alle paar Minuten sind neue Spenden verzeichnet, es vergeht keine Stunde ohne.

Erfasst sind hierbei nur die per PayPal bezahlten Spenden. Weitere Bezahlmethoden wie Überweisung, Scheck [sic], Cryptowährungen, GitHub Sponsoring & Benevity sind verfügbar. Der Verbreitung nach ist davon auszugehen, dass viele PayPal nutzen. Insbesondere jene, welche durch die Benachrichtigung zum ersten mal sowie einmalig spenden. Der gesamte Betrag ist dennoch höher. Wahrscheinlich lesen sie die PayPal-Spenden über eine API aus. Bei anderen Kanälen wird das komplexer, zumal ggf. die mittlerweile standardmäßig verlangte 2-Faktor Authentifizierung einen Strich durch die Rechnung macht.

Ziel deutlich übertroffen: KDE ist nicht mehr im Minus

Im Jahr 2024 stiegen die Gesamteinnahmen auf 641.525€. Abzüglich der Ausgaben von rund 470.533€ schafft es KDE nicht nur, ihre negativen Finanzen auszugleichen. Sie erzielen sogar ein deutliches Plus von fast 171.000€!13 Das Spendenziel wurde um 108% übertroffen.14 Nach Ende des Jahres 2025 dürfte dies noch deutlich besser ausfallen, als bereits im Vorjahr.

Dieser Überschuss wird keineswegs sinnlos auf den Kopf gehauen. Bereits zuvor hat man sich Gedanken darüber gemacht und die Nutzer in einem Blogbeitrag informiert.15 Man möchte beteiligte Personen Vollzeit anstellen und ggf. weitere Personen an Board holen, die sich dadurch komplett um KDE-Projekte kümmern können. Neben einem KDE OS der nächsten Generation soll es Zertifizierungsprogramme für Hardware geben & gesteigerte Promotion. Große Distributionen wie Ubuntu, RHEL und Suse sollen Plasma als Standard-Desktopumgebung auswählen.

Ungeliebt, aber wichtig

Geld ist selten ein treibender Faktor, um freie Software zu entwickeln. Stattdessen geht es den Beteiligten um die Sache: Freie Software zu entwickeln, die den Menschen hilft, sie respektiert und ihre Freiheit wahrt. Wer mit proprietärer, kommerzieller Software aufgewachsen ist, für den ist das eine andere Welt. Dort sind diese Werte ein Fremdwort. Mit Einschränkungen & Gängelungen lassen sich die Profite stark steigern, zu lasten der Nutzer. Das ist in der FOSS-Welt unbekannt.

Es gibt jedoch ein Problem: Auch die Entwickler freier Software leben in einem System, in dem Geld statt Werte regieren. Jeder muss seinen Lebensunterhalt selbst finanzieren. Für Projekte fallen Kosten an. Selbst bei ehrenamtlicher Arbeit muss für Infrastruktur, Geräte, die Organisation von Konferenzen, Anreise usw. bezahlt werden. Dies Altruistisch auszublenden ist ehrenwert, jedoch spätestens auf Dauer zum scheitern verurteilt.

Daher benötigt freie Software zuverlässige Finanzierung. Valve (Eigentümer von Steam) ist seit Jahren der größte kommerzielle Unterstützer von Plasma.16 Nachdem sie die Desktop-Umgebung auf dem Steam Deck selbst einsetzen, ist das fair. KDE sollte allerdings nicht zu sehr von Unternehmen abhängen, insbesondere von einem einzelnen. Eine Finanzierung aus der Gemeinschaft der Nutzer heraus ist ideal. Laut eigenen Aussagen stammen 70% ihrer Mittel von privaten Nutzern.

KDEs Spendenziel für 2025 wurde bereits am 21.12.2025 um mehr als das 3-Fache übertroffen.17

Was lässt sich daraus lernen?

FOSS sollte dem mehr Priorität einräumen. Finanzielle Ressourcen sind für den Erhalt & Ausbau von Projekten wichtig. Das Thema unangenehm zu verschweigen, kann fatale Folgen haben. Man denke an Heartbleed in OpenSSL, eine der größten Katastrophen des WWW. Verursacht durch überlastete Entwickler, die in ihrer Freizeit versuchen, ein großes Projekt so gut es geht zu stemmen.

Wir brauchen eine Sensibilisierung auf beiden Seiten. Mehr Informationen von FOSS für deren Nutzer darüber, wie sie arbeiten, was benötigt wird und wie es um die Finanzen steht. KDE Plasma hat bewiesen: Das ist mit positiven Absichten möglich, ohne den Plattformverfall einzuläuten. Auf der anderen Seite muss eine angemessene Verwendung selbstverständlich werden: Wer FOSS verwendet, sollte im Rahmen seiner Möglichkeiten dazu beitragen.

Selbst wenn es „nur“ 5€ oder 10€ im Jahr sind, lässt sich damit vieles bewirken: Macht ein großer Teil mit, reicht ein kleiner Beitrag jedes einzelnen, damit großartige Software gepflegt & ausgebaut werden kann. Nehmen dagegen fast alle nur und kaum jemand gibt es zurück, leidet die Qualität. Möglicherweise steht mittel- bis langfristig sogar die Existenz von Projekten in Frage.

Fazit

Eine kleine Desktop-Benachrichtigung hat KDE nachhaltig gerettet: Bereits der erste Aufruf 2024 war ein voller Erfolg. Im laufenden Dezember 2025 wurde dies bereits übertroffen. Die FOSS-Gemeinschaft reagiert sehr empfindlich auf Werbung & sonstige Belästigungen – zu Recht. Skrupellose Konzerne wie Microsoft zeigen, wie radikal das von Unternehmen ausgenutzt wird. Doch Organisationen wie KDE wollen euch nicht benutzen, um über 100 Milliarden Dollar Gewinn & ständig noch mehr aus auch heraus zu pressen. Dort geht es ums überleben.

Während KDE zweifelsfrei wichtig für die FOSS-Bewegung ist, existieren auch zahlreiche weitere wichtige Organisationen und einzelne Entwickler: Welches FOSS-Projekt nutzt du? Wann hast du dort etwas zurück gegeben? Der beste Zeitpunkt, sie im Rahmen deiner Möglichkeiten zu unterstützen, ist jetzt! Wer finanziell eingeschränkt ist, kann auch auf anderem Wege unterstützen: Entwicklung, Dokumentation, Übersetzung, Support, Hardware usw. Geld ist nur eine von vielen benötigten Ressourcen.

Quellen

  1. https://distrowatch.com/search.php?ostype=All&category=All&origin=All&basedon=All&notbasedon=None&desktop=KDE+Plasma&architecture=All&package=All&rolling=All&isosize=All&netinstall=All&language=All&defaultinit=All&status=Active#simpleresults ↩︎
  2. https://wiki.ubuntuusers.de/Geschichte_von_KDE/ ↩︎
  3. https://apps.kde.org/de/ ↩︎
  4. https://ev.kde.org/ ↩︎
  5. https://kde.org/de/donate/ ↩︎
  6. https://ev.kde.org/reports/ev-2023/ ↩︎
  7. https://www.heise.de/news/KDE-Plasma-Kuenftig-Spendenaufrufe-auf-dem-Desktop-9854475.html ↩︎
  8. https://www.pcwelt.de/article/1664043/windows-10-werbung-nagcreen.html ↩︎
  9. https://www.spiegel.de/netzwelt/web/spendenkampagne-wikipedia-sammelt-20-millionen-dollar-ein-a-806911.html ↩︎
  10. https://invent.kde.org/plasma/plasma-workspace/-/merge_requests/4490 ↩︎
  11. https://www.heise.de/news/Mozilla-Studie-Microsoft-treibt-Nutzer-mit-schaedlichen-Designtricks-zu-Edge-9617504.html ↩︎
  12. https://kde.org/community/donations/previousdonations.php ↩︎
  13. https://ev.kde.org/reports/ev-2024/ ↩︎
  14. https://kde.org/fundraisers/yearend2024/ ↩︎
  15. https://pointieststick.com/2024/08/28/asking-for-donations-in-plasma/ ↩︎
  16. https://discuss.kde.org/t/asking-for-donations-in-plasma/20625/9 ↩︎
  17. https://kde.org/fundraisers/yearend2025/ ↩︎

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