Neuer Radxa Rock 4D: Raspberry Pi in günstiger & besser?

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Neuer Radxa Rock 4D: Raspberry Pi in günstiger & besser?

Radxa scheint mit dem Rock 3D auf den ersten Blick den Raspberry Pi 5 nicht nur geklont, sondern in mehreren Aspekten verbessert zu haben. Unter anderem kehrt die 3,5″ Klinkenbuchse zurück. Auch eine NPU für KI Anwendungen ist vorhanden. Zeitgleich erinnert der Preis an die ersten Raspi-Modelle. Während die Hardware durchaus überzeugen kann, werden beim genaueren Hinsehen allerdings Schwächen deutlich. Immerhin gibt es einen Fortschritt, der Besserung verspricht.

Reichlich Anschlüsse

Der 40-Pin GPIO-Header fällt als erstes auf: Erst orientiert sich am Raspberry Pi, wie es bereits die Vorgängermodelle taten. Sinnvollerweise nicht in schwarz, sondern farblich für die jeweiligen Schnittstellen hervorgehoben. Darunter sind 5x UART, 3x SPI, 6x I2C, 1x PCM/I2S, 2x SPDIF, 7x PWM, 1x CAN, 1x ADC, 27x GPIO, 2x5V Ein- und Ausgang, 2x 3,3V Ausgang. Damit überragt er das Vorbild. Ein Lüfter zur Kühlung lässt sich gesondert anschließen.

Anbindung ans Netzwerk ist per RJ45 (Ethernet) Möglich. Er unterstützt 10/100/1000Mbit/s. PoE wird unterstützt, allerdings nur per externem Zubehör über einen HAT. Soweit ist Radxa mit dem Raspberry Pi identisch. Im Vergleich dazu setzt der ROCK 4D auf das neuere Wi-Fi6. Beim Raspi muss man sich mit dem Vorgänger 802.11ac (Wi-Fi5) begnügen. Bluetooth 5.4 ist ebenfalls auf dem Board integriert.

Generell orientiert sich der ROCK 4D bei den Anschlüssen stark am Raspberry Pi: 2x USB 3.0 und 2x USB 2.0 sind bei beiden identisch. Auch die Anordnung weist große Ähnlichkeit auf. Im Detail werden Unterschiede sichtbar. Beim ROCK 4D ist weiterhin eine 3,5″ Klinkenbuchse verfügbar. Sie kann sowohl als Ausgang (Kopfhörer/Lautsprecher), als auch Eingang für Mikrofone verwendet werden. Beim Raspberry Pi gehörte sie bis zum 5er Modell lange zur Standardausstattung.

Ähnlich sieht es mit vollwertigen HDMI-Ausgängen aus. Die Micro-USB Anschlüsse verbrauchen zwar weniger Platz auf der Platine. Dafür besitzt sie kein Monitor, sodass zum Anschluss Adapter notwendig sind. Dafür bekam der ROCK 4D nur einen HDMI-Anschluss spendiert, der die 4K-Auflösung mit bis zu 120 Hz unterstützt. Ein zweiter Bildschirm ist per DSI möglich, dort allerdings nur bis maximal 2K. Zum Anschluss von Kameras stehen CSI und DSI-Schnittstellen bereit.

Interessant sind die UFS & FPC-Anschlüsse auf der Rückseite. Per FPC wird 1x PCIe 2.1 bereitgestellt. Sie ermöglichen die Verbindung mit Erweiterungskarten. Unter anderem sollen damit SSDs angeschlossen werden können. Auch eine Erhöhung der Gigabit Ethernet-Geschwindigkeit auf 2,5GB lässt sich damit umsetzen. Allerdings erfordert beides HATs als Zubehör.

Leistung

Das Herzstück bildet der Rockchip RK3576, er besitzt insgesamt 8 Kerne: Davon 4 Cortex-A72 Performance-Kerne mit 2,2 GHz Takt sowie 4 sparsamere Cortex-A53 mit 2,0 GHz. Damit setzt der Rock 4D bereits auf die Big-Little-Architektur, die Energie sparen soll. Wenig anspruchsvolle Aufgaben werden von den langsameren Kernen abgearbeitet, die dafür sparsamer sind. Benötigt man mehr Leistung, springen die Performance-Kerne mit höherem Energiebedarf ein. Der Raspberry Pi 5 dagegen nutzt mit dem BCM2712 nur die 4 Kerne des Cortex-A76. In Benchmarks erzielt der RK3576 beim Einsatz aller Kerne daher 10,6% mehr Leistung. Schwächelt dafür allerdings beim Single-Threading mit 34,4% weniger Performance.1 Allerdings existieren zum RK3576 nur zwei Messungen, der BCM2712 hat 6.

Zusätzlich besitzt er eine NPU mit 6 TOPS (INT8). Radxa war beim Hype um Künstliche Intelligenz (was besser als Maschinelles Lernen bezeichnet wäre) bei den Einplatinencomputern ganz vorne dabei: Bereits der Rock 4B hatte 2024 eine solche Recheneinheit, die auf KI Operationen optimiert sein soll. Beim Raspberry Pi zog man mit einem AI Kit nach. Während dort die NPU über einen HAT als Erweiterungsplatine bereitgestellt werden muss, ist sie beim ROCK 4D integriert. Sie lässt sich mit gängigen Bibliotheken wie TensorFlow, PyTorch und ONXX ansteuern. Auch der 4B hat sie auf der Platine aufgelötet.

Das hat seine Vor- und Nachteile: Integriert benötigt man kein weiteres Zubehör. Vor allem wenn man für andere Zwecke einen HAT braucht, kann das von Vorteil sein. Auch das Finden eines passenden Gehäuses wird durch Erweiterungsplatinen schwieriger. Dafür ist nachgerüstetes Zubehör flexibel. Es spart Geld & Energie, falls nicht benötigt. Wird die Hardware leistungsfähiger, lässt sie sich durch stärkere Austauschen – ohne einen kompletten Einplatinencomputer neu kaufen zu müssen.

Software

Hier liegt meist der Knackpunkt. Die Hardware eines Raspberry Pi Klons zu entwickeln, ist für ein größeres Unternehmen keine all zu große Herausforderung. Dementsprechend viele gibt es davon. Da es ARM an Standards wie BIOS/UEFI mangelt, sind die unterstützten Betriebssysteme stark von den Herstellern abhängig. Kernel-Patche, die nicht in den Upstream Linux-Kernel einfließen, sind leider üblich. Wie bei Smartphones gilt daher: Pflegt der Hersteller seine Software nur zögerlich oder gar überhaupt nicht mehr, ist man als Kunde aufgeschmissen.

Diese leidige Erfahrung durften auch Radxa-Kunden bereits machen: Im Forum beschwert sich der Käufe eines Radxa 4C+ über das mehr als 1,5 Jahre Debian Bullseye (11) Abbild.2 Und das zu Recht, immerhin muss ein derart altes Abbild viele Aktualisierungen herunterladen – Tendenz steigend. Dazu wurde der Nachfolger Debian Bookworm (12) bereits Mitte 2023 veröffentlicht.

Auch fast ein halbes Jahr später hat sich an der leidigen Situation wenig verändert. Unter den offiziellen Abbildern3 ist Debian 11 vom 12.03.2023 gelistet. Das alternativ angebotene Ubuntu 20 ist noch älter, laut Dateiname vom 09.11.2022. Dazu nutzt es den 4.4er Kernel, Debian 11 immerhin 5.10. Android 11 hat seit 19.08.2022 keine Updates mehr gesehen. Selbst das können ROCK 4A, 4A+ und 4B toppen: Der Hersteller bietet stabil nur Debian 10 (Lebensende Juni 2024!) auf dem Stand von April 2022 an. Eine auf Debian 11 basierte Beta von Android 11 wurde seit April 2023 nicht mehr angefasst.

Lauter alte Betriebssysteme: Radxa vernachlässigt seit Jahren die Pflege seiner Abbilder

Doch beim System-on-a-Chip (SoC) des Rock 4D sind erste Fortschritte erkennbar: Linux unterstützt ab der im März 2025 erschienenen Version 6.14 den Rockchip RK3576 offiziell.4 Damit kann der Mainline-Kernel ohne Anpassungen von Radxa genutzt werden. Zusätzlich stellt der Hersteller mit Radxa OS ein angepasstes Debian bereit.5 Die Übersichtsseite verspricht zusätzlich Debian 12 und Android 14. Der Download-Bereich listet diese nicht auf.

Unterstützung auf Raspberry Pi Niveau für die Industrie & Extrembastler?

Nicht nur hier ist offensichtlich, wie sehr man sich am Raspberry Pi mit seinem ebenfalls auf Debian basierten Raspberry Pi OS orientiert. Radxa verspricht eine Verfügbarkeit bis September 2035.6 Diese 10 Jahre sind eine Ansage, die nur wenige Einplatinencomputer bieten. Der Raspberry Pi punktet damit bereits seit längerem bei kommerziellen Kunden.

Auszug aus dem Product Brief: Bis mindestens 2035 soll der Rock 4D verfügbar sein.

Auf diese Zielgruppe scheint man es abgesehen zu haben. Bereits im Untertitel des Product Brief wird er als Industrial AI Single Board Computer bezeichnet. In der Einführung ist von zwei Versionen die Rede: Eine kommerziell bezeichnete mit RK3576 SoC, der für den Konsummarkt gedacht zu sein scheint. Die zweite besitzt einen RK3576J und soll für die Industrie geeignet sein.

Neben dem SoC unterscheiden sich die Varianten im unterstützten Temperaturbereich. Die kommerzielle Edition ist für 0°C bis 60°C Umgebungstemperatur geeignet. Beim industriellen RK3576J dürfen es -40°C bis 85°C sein. Für die meisten Privatkunden dürfte das unerheblich sein. Außer, es sind Experimente unter extremeren Bedingungen geplant. Wer den Einplatinencomputer beispielsweise draußen platzieren möchte, wird die 0°C im Winter deutlich unterschreiten. Hierfür ist der RK3576J besser geeignet. Auch wenn der Normale das ggf. ebenfalls aushält, ist von einer reduzierten Lebensdauer auszugehen.

Attraktiver Preis

Interessant macht den Radxa ROCK 4D sein Preis: Er ist ab 26,95€ mit 2GB RAM (LPDDR5) erhältlich.7 Derzeit ausverkauft, jedoch ist der Aufpreis auf 35,95€ für 4GB Arbeitsspeicher überschaubar. Selbst 16GB sind mit 89,95€ deutlich günstiger, als der Raspberry Pi 5. Für den Raspi muss man derzeit mindestens 52,50€ ausgeben und erhält damit lediglich 2GB RAM. Allerdings hat die Sache einen Haken: Derzeit ist der Rock 4D ausschließlich bei Acarde Tech lieferbar, einem Shop mit Sitz in Hong Kong. Mit dementsprechendem Aufpreis (Versandkosten, Zollabgaben) ist zu rechnen. Das kann sich jedoch in Zukunft deutlich verbessern, wenn ihn Shops in Deutschland oder der EU in größeren Mengen importieren.

Fazit

Der ROCK4D ist preislich interessant – viele vermissen Einplatinencomputer für rund 27€ bzw. 36€. Der Raspberry Pi hat diesen Preisbereich vernachlässigt und sich lange auf die Varianten mit mehr Arbeitsspeicher fokussiert. Die Hardware hat vieles vom Vorbild übernommen, einiges wurde im Detail verbessert. Statt auf mehr CPU-Leistung bringt der ROCK4D eine NPU für KI Anwendungen mit. Im Sinne einer universellen Bastelplattform bietet die Hardware ein interessantes Gesamtpaket zum attraktiven Preis.

Um so bedauerlicher ist es, dass ARM bei der Software bis heute ein riesiges Gefrickel ist. Die Architektur hinkt Meilenweit hinter X86 mit ihren Standards hinterher. Radxa wälzt diese Nachteile auf den Kunde ab und vernachlässigt die angepassten Betriebssystemabbilder für viele ihrer ROCK-Modelle kläglich. Jahrelang veraltete Abbilder zeigen klar, dass professionelle Softwarepflege offensichtlich kein Thema ist. Zeitgleich verspricht das Unternehmen lange Unterstützung und möchte Industriekunden gewinnen. Das klingt nach einer gefährlichen Kombination für noch mehr IoT-Geräte, die dank alter Software eine Gefahr für ihren Besitzer und andere Menschen im Internet darstellen.

Zumindest die jüngste Aufnahme des verbauten Rockchip RK3576 SoC in Linux lässt hoffen, dass dies zukünftig weniger schlimm wird. Auf X86-Niveau wird ARM so aber nie kommen – es bleibt ein Flickenteppich, der zukünftig wohl ein paar weniger Flicken haben wird.

Quellen

  1. https://www.cpubenchmark.net/compare/6213vs6054/Rockchip-RK3576-vs-BCM2712 ↩︎
  2. https://forum.radxa.com/t/updated-images/25236 ↩︎
  3. https://wiki.radxa.com/Rock4/downloads ↩︎
  4. https://kernelnewbies.org/Linux_6.14#Architectures ↩︎
  5. https://docs.radxa.com/en/rock5/rock5c/radxa-os ↩︎
  6. https://dl.radxa.com/rock4/4d/docs/radxa_rock4d_product_brief.pdf ↩︎
  7. https://arace.tech/products/radxa-rock-4d?variant=43924040581300 ↩︎

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