Radxa Rock 5B: Stärkere Raspberry Pi 5 Alternative mit KI

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Radxa Rock 5B: Stärkere Raspberry Pi 5 Alternative mit KI

Der Radxa Rock 5B ist ein interessanter Einplatinencomputer (SBC): In einigen Punkten verspricht er höhere Leistung, als das neue Raspberry Pi Spitzenmodell und besitzt „KI“ Funktionen. Darüber hinaus macht er manches besser, manches anders. Wir werfen im Folgenden einen ersten Blick auf den Rock 5B und vergleichen mit dem bekannten Raspberry Pi.

Radxa – ein langjähriger Raspberry Pi Konkurrent

2013 entwickelte Radxa Einplatinencomputer auf Basis des Rockchip RK3188 SoC (System-on-a-Chip) – kurz nach Markteinführung des Raspberry Pi im Jahre 2012.1 Von Anfang an lässt sich erkennen, dass der Raspberry Pi ein Vorbild gewesen sein muss. Allerdings möchte das Unternehmen den Pi nicht lediglich kopieren, wie es andere Klone tun. Sondern man versucht, ihn um fehlende Funktionen zu erweitern und dadurch besser zu machen.

Bereits der erste Radxa Rock besaß beispielsweise 8 GB eingebauten Flash-Speicher als Alternative zu den oft kritisierten Micro-SD Speicherkarten, welche beim Raspberry Pi bis heute Standard sind. Der GPIO-Anschluss unterstützte schon damals den PWM-Standard, um Lüfter über eine eigene Datenleitung stufenlos regeln zu können. Raspberry Pi Nutzer mussten sich über 10 Jahre gedulden, bis dies dort im Raspberry Pi 5 kürzlich nachgerüstet wurde. Diese Philosophie hat Radxa bis heute bei behalten, über die Jahre sind verschiedene Einplatinencomputer erschienen. Darunter auch Modelle wie der Rock Pi S, der noch kompakter als der kleine Raspberry Pi Zero ist.2

Künstliche Intelligenz kommt in die Einplatinencomputer: NPU zum CPU

Bildquelle: radxa.com

Im Rock 5B3 ist ein Rockchip RK3588 SoC (System-on-a-Chip) verbaut. Darin stecken gleich zwei Prozessoren: 4x Cortex-A76 + 4x Cortex-A55 Kerne, somit stehen insgesamt 8 Kerne zur Verfügung. Es handelt sich um die big.LITTLE Architektur von ARM: Ein schwächerer Prozessor soll stromsparend alltägliche Aufgaben übernehmen, während der zweite stärkere nur bei Bedarf aktiviert werden muss. Etwas vergleichbares hat Intel 2021 in ihre Alder Lake X86 Prozessoren ebenfalls eingebaut, um Energie zu sparen.4

Der Raspberry Pi 5 nutzt diese Technologie noch nicht und setzt auf den BCM2712: Darin steckt nur ein Cortex A76 ohne zweiten Prozessor. Im CPU-Benchmark erreicht der Raspberry Pi 5 mit 2.152 Punkten zwar deutlich mehr, als sein Vorgänger – dieser schaffte es nicht mal in den dreistelligen Bereich.5 Doch der Rockchip RK3588 bringt es mit seinen acht Kernen auf insgesamt 4.515 Punkte, womit er wiederum den Raspberry Pi 5 abhängt.6

Neben einem eingebetteten Grafikprozessor (GPU) steckt allerdings auch eine NPU (Neuromorphic processor unit oder Neural processing unit = Neuromorpher Prozessor) im Rockchip RK3588 mit bis zu 6TOPs. Selbst in der X86-Welt sind diese noch neu und selten, Intel begann erst im Dezember 2023 mit deren Einführung.7 Dort werden sie als Intel Core Ultra Prozessoren vermarktet.8 NPUs sind für maschinelles Lernen optimiert – also der Technologie, die oft hinter dem Type-Thema „KI“ steckt. Ganz neu ist die Technik nicht, Qualcomm hat schon 2018 einen Prozessor mit NPU vorgestellt.9 Erst mit dem durch ChatGPT breitflächig entfachten KI-Hype werden alle darauf aufmerksam, inklusive Intel.

In der Praxis sollen NPUs beispielsweise in Videokonferenzen den Hintergrund in Echtzeit verwischen oder ersetzen und dabei effizienter sein, weil sie auf derartige Mustererkennung spezialisiert sind. Das entlastet Prozessor und Grafikprozessor. Der Rock 5 unterstützt dafür Frameworks für tiefgehendes Lernen (Deep Learning, DL) wie TensorFlow, PyTorch und weitere.

Anschlüsse (fast) auf dem Niveau eines modernen PCs

Neben 4 USB Anschlüssen (2x USB 3.0 & 2x USB 2.0) sind zwei HDMI-Buchsen vorhanden.10 Bereits das ist eine Erwähnung wert, weil der Raspberry Pi 4 zwar ebenfalls zwei Bildschirme nutzen kann – allerdings nur über Micro-HDMI. Damit lässt sich die Platine verkleinern, doch kaum ein Monitor besitzt Micro-HDMI. Man benötigt daher einen Adapter oder ein Adapterkabel von Micro-HDMI auf HDMI – das entfällt bei Radxa. Einzigartig dürfte wohl der zusätzliche HDMI-Eingang sein. Denkbar wäre damit beispielsweise die

Die Ethernet-Buchse unterstützt 2,5 Gigabit pro Sekunde und ist damit schneller, als der immer noch oft vorherrschende Gigabit-Ethernet Standard. Nicht nur beim Raspberry Pi 4 ist mit 1GB/s Schluss, auch einige X86 Mainboards setzen weiterhin darauf. Unter X86-Systemen ist das aufgrund der standardisierten Erweiterungsmöglichkeiten kein wirkliches Problem. Bei Einplatinencomputern setzt man dagegen im Zweifel lieber auf modernere/stärkere Hardware. Um die 2,5GB/s ausreizen zu können, sind allerdings entsprechende Anwendungsfälle (Übertragen größerer Dateimengen) und Netzwerk-Hardware nötig. Viele Router/Switche werden derzeit noch der Flaschenhals sein. Die Preise sinken jedoch, sodass sich dies beim nächsten Austausch bereits ändern kann.

Beim Massespeicher hat der Rock 5 ebenfalls mehr zu bieten: Ein Flash-Speicher kann wahlweise per eMMC oder M.2 angeschlossen werden. Wie auf X86-Mainboards befindet sich der M.2-Schacht direkt auf der Platine – weiteres Zubehör wie HATs ist dadurch nicht erforderlich. Je nach Anwendungsfall hat das Vor- und Nachteile: Ist der Betrieb einer M.2 SSD vor dem Kauf bereits festgelegt, spart man sich beim Rock 5 Zubehör. Um Platzprobleme bei Gehäusen muss sich ebenfalls nicht gesorgt werden. Der Raspberry Pi 5 ist mit einer PCIe-Schnittstelle dagegen universeller.

Geht es um Funkverbindungen, muss man beim Rock 5B allerdings verzichten – WLAN und Bluetooth sind nicht an Board. Allerdings können sie nachgerüstet werden. Hierfür stehen verschiedene Module bereit, neben hauseigenen des Herstellers auch ein paar von Intel. Jedes Modul enthält jeweils WAN und Bluetooth zusammen. Sie unterscheiden sich durch den Standard und damit auch die maximale Datenrate.11

Erfreulich: Zur Stromversorgung unterstützt er den USB PD 2.0 (Power Delivery) Standard. Dieser wurde entwickelt, um verschiedene, auch stärkere USB-Geräte mit dem gleichen Netzteil versorgen zu können. Der Raspberry Pi 5 hält sich leider nicht an den Standard und lässt sich nur über das offizielle, hauseigene Netzteil uneingeschränkt nutzen.

Software: Bei Radxa geht es gemütlich zu

Bei Einplatinencomputern hat es sich – nicht zuletzt aufgrund fehlender Standards – etabliert, dass der Hersteller eine GNU/Linux Distribution für seine Einplatinencomputer anpasst und sie als offizielles Betriebssystem führt. Radxa macht es genau so, hier setzt man auf Debian.12

Allerdings noch Debian 11 Bullseye, welches 2021 erschienen ist. Zwar wird es derzeit noch mit Aktualisierungen versorgt. Mitte 2023 erschien der Nachfolger Bookworm (12), den der Raspberry Pi 5 bereits seit November 2023 unterstützt. Dieser Artikel wurde Mitte Mai 2024 erstellt und nach wie vor ist kein Bookworm für den Rock Pi 5B in Sicht – das wirft nicht gerade das beste Licht auf die Pflege der Software.

Noch interessanter wird es beim brandneuen Rock 5C (siehe folgender Abschnitt): Sein erstes Abbild erschien erst Ende April 2024 und setzt weiterhin auf Debian 11. Die Nutzer müssen mit veralteter Software leben, obwohl eine neue Debian-Version längst zur Portierung verfügbar wäre. Außerdem: Je länger das Upgrade vom Hersteller aufgeschoben wird, um so weniger Zeit bleibt Hardwareherstellern für die Prüfung/Portierung und den Kunden für das Einspielen.

In der Community sieht es dagegen deutlich besser aus. Die auf Debian basierte, herstellerunabhängig gepflegte Distribution DietPi (hier im Kontext des RPI ausführlich vorgestellt) zeigt, was möglich ist: Sie unterstützt den Rock 5B bereits seit V8.12. Sie bietet nicht nur Abbilder auf Basis von Debian 12 Bookworm, sondern sogar für den in der Testphase befindlichen Nachfolger Debian 13 Trixie.13 Sie sind erst wenige Tage alt.

A, B oder C?

Der Rock 5 ist in mehreren Varianten erschienen:14 Modell A15 und B16. Sie teilen viele Gemeinsamkeiten wie etwa den M.2 Schacht, 3,5″ Klinkenstecker (der beim Raspberry Pi 5 gestrichen wurde) oder die umfangreichen RAM-Editionen mit bis zu 32GB Speicher. Doch im Detail gibt es kleine Unterschiede. So ist der Rock 5A kleiner und entspricht dem Kreditkarten-Format, ähnlich wie beim Raspberry Pi. Dadurch muss man z.B. auf normale HDMI-Buchsen verzichten. Der Rock 5B ist ungefähr 1/3 größer als ein Pi.17 Aufgrund dieser Unterschiede gibt es zwei getrennte Dokumentationen.18

Brandneu wurde im April 2024 der Rock 5C vorgestellt, der als „Lite“ Edition mit abgespecktem Rockchip RK3588 erhältlich ist: Sie enthält weiterhin 4xA55 Kerne, dazu allerdings nur zwei A76 Kerne statt vier. WLAN und Bluetooth wurden wiederum fest verbaut.1920

Preis & Fazit

Für einen Preis von derzeit 75,95€ ist der Radxa Rock 5B Blue Edition mit 4 GB Arbeitsspeicher erhältlich – allerdings beim japanischen Shop Arace.21 Vom Preis-Leistungsverhältnis erscheint das interessant, da seine Hardware an manchen Stellen mehr zu bieten hat, als der Raspberry Pi 5. Doch da der Rock 5B nach wie vor in keinem deutschen Shop erhältlich ist, muss man neben Versandkosten oben drauf mit Einfuhrabgaben rechnen. Preislich kommen wir damit schnell in Dimensionen, in denen Mini-PCs ziemlich interessant werden.

Zumal die X86 Architektur mehr Freiheiten gewährt – ARM bindet bei der Software durch fehlende Standards stark an den Hersteller. Selbst bei neu vorgestellten Einplatinencomputern geht es Radxa gemütlich an und setzt auf ältere Betriebssysteme. Damit sind sie nicht alleine, auch beim Test des Orange Pi 5 habe ich diesen Punkt kritisiert. Dort bestand der Großteil der angeblichen Betriebssystemvielfalt sogar nur aus bisher unveröffentlichten Ankündigungen. Diese Fälle zeigen einmal mehr: Bei ARM ist gute Hardware alleine zu wenig.

Insbesondere bei den leistungsstarken Rock 5B Editionen mit 16 GB RAM (131,95€) oder gar 32 GB Arbeitsspeicher (206,95€) bewegen wir uns mit dem notwendigsten Zubehör (SSD, Netzteil, Gehäuse) bereits in einem üppigen Preisbereich. Ein solches System wird für mehr genutzt, als ein paar LEDs blinken zu lassen oder Sensoren auslesen. In diesen Dimensionen möchte man Investitionssicherheit haben – und nicht knapp ein Jahr nach der Veröffentlichung von Debian 12 immer noch den Vorgänger nutzen müssen. Wer stattdessen einen X86-PC kauft, der kann Debian 12 Bookworm seit Anfang an nutzen. Eben so wie jede andere der hunderten GNU/Linux-Distributionen, die für X86 existieren. Wenn es sein muss, lässt sich sogar ein Windows (als VM) installieren. Zumindest für die größeren Modelle von Radxa stelle ich in Frage, ob man dafür ARM kaufen sollte.

Quellen

  1. https://www.cnx-software.com/2013/09/07/radxa-rock-development-boards-with-rockchip-rk3188-are-available-for-developers-now/ ↩︎
  2. https://www.notebookcheck.com/Raxda-HAT-Der-Raspberry-Pi-Konkurrent-Rock-Pi-S-bekommt-PoE-und-Klinke.496168.0.html ↩︎
  3. https://www.notebookcheck.com/Radxa-Rock-5B-Blue-Edition-Leistungsstaerkere-Alternative-zum-Raspberry-Pi-5-auch-mit-HDMI-Eingang-startet.771057.0.html ↩︎
  4. https://arstechnica.com/gadgets/2021/11/intels-alder-lake-big-little-cpu-design-tested-its-a-barn-burner/ ↩︎
  5. https://www.cpubenchmark.net/cpu.php?cpu=ARM+Cortex-A76+4+Core+2400+MHz&id=5743 ↩︎
  6. https://www.cpubenchmark.net/cpu.php?cpu=Rockchip+RK3588&id=4906 ↩︎
  7. https://www.videoaktiv.de/2023121537114/news/editing/intel-core-ultra-prozessor-mit-npu-fur-ki-funktionen.html ↩︎
  8. https://www.intel.de/content/www/de/de/products/details/embedded-processors/core-ultra.html ↩︎
  9. https://www.gamestar.de/artikel/was-ist-eine-npu-neural-processing-unit,3406143.html ↩︎
  10. https://docs.radxa.com/en/rock5/rock5b/hardware-design/hardware-interface ↩︎
  11. https://docs.radxa.com/en/rock5/rock5b/accessories/wifi_bt_access ↩︎
  12. https://docs.radxa.com/en/rock5/rock5b/getting-started/download ↩︎
  13. https://dietpi.com/downloads/images/ ↩︎
  14. https://wiki.radxa.com/Rock5/5B/de_DE ↩︎
  15. https://docs.radxa.com/en/rock5/rock5a/getting-started/overview ↩︎
  16. https://docs.radxa.com/en/rock5/rock5b/hardware-design/hardware-interface ↩︎
  17. https://www.makeuseof.com/rock-5-vs-raspberry-pi-4-buy/ ↩︎
  18. https://wiki.radxa.com/Rock5/getting_started#get_start_specs ↩︎
  19. https://radxa.com/products/rock5/5c/ ↩︎
  20. https://www.notebookcheck.com/Radxa-Rock-5C-Neuer-Einplatinenrechner-ist-auch-eine-Alternative-zum-Raspberry-Pi-und-unterstuetzt-8K-Bildausgabe.821870.0.html ↩︎
  21. https://arace.tech/products/radxa-rock-5b-blue ↩︎

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