Traumhafter Aufstieg mit mysteriösem Ende: Was passierte mit der App „Flappy Bird“?

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Traumhafter Aufstieg mit mysteriösem Ende: Was passierte mit der App „Flappy Bird“?

Vor etwa 10 Jahren wird ein Handyspiel über Nacht extrem erfolgreich, beschert dem Entwickler hohe Einnahmen und wurde nach wenigen Wochen plötzlich eingestellt. Es tauchen Smartphones auf, die mit diesem Spiel erst für zehntausende Euro, später dann für bis zu 119.000 Euro gehandelt werden. Dieser Beitrag wirft ein Blick auf die skurrile Geschichte hinter der App „Flappy Bird“.

Was ist Flappy Bird?

Im Mai 2013 erschien Flappy Bird als mobiles 2-Dimensionales Spiel für Android-Smartphones. Das Prinzip war denkbar einfach: Ein Vogel fliegt von links nach rechts über den Bildschirm. Rohre versperren ihm die Bahn, doch jedes davon hat eine Lücke. Man muss den Vogel nach oben und unten steuern, damit er durch die Lücken fliegt. So bekommt man einen Punkt. Berührt das Tier jedoch ein Rohr, endet das Spiel. Das Ziel besteht darin, möglichst lange den Rohren ausweichen zu können.

Die Idee zu Flappy Birds stammt von Dong Nguyen aus Vietnam, der sich dabei von Angry Birds (Wütende Vögel) inspirieren ließ und damals 29 Jahre alt war. Das Spiel wurde 2009 veröffentlicht, dort mussten Vögel mit Schleudern ihre Eier gegenüber Schweinen verteidigen. Da er das zu kompliziert fand, schuf er mit Flappy Bird eine Alternative, bei der man die Vögel ohne Waffen nur fliegend Steuern muss.

Ein Bildschirmfoto aus dem Spiel Flappy Bird - Quelle: Dong Nguyen/derstandard.net

Wann und wie wurde Flappy Birds erfolgreich?

Es vergehen einige Monate, in denen das Handyspiel keine übermäßig große Aufmerksamkeit bekommt. Auch als es später für Apples iOS-Plattform erscheint, sind die Kritiken mit beispielsweise 52/100 Punkten nicht besonders positiv. Doch das sollte sich kurze Zeit später ändern: Zuerst erwähnt ein Freund das Spiel im Januar 2014 auf Reddit. Der endgültige Durchbruch gelang, als Ende Januar ein bekannter YouTuber aus Schweden es in einem Video zeigte. Kurz darauf installierten sich so viele Menschen das Spiel, dass es in den am meisten heruntergeladenen mobilen Apps gelistet war – sowohl unter Googles Android, als auch dem iOS von Apple.

Doch bereits am 08. Februar 2014 kündigte der Entwickler auf Twitter/X an, dass er sein Spiel in 22 Stunden wieder offline nehmen werde. In dem knappen Beitrag heißt es nur „Ich halte das nicht mehr aus“ (übersetzt), weitere Gründe gab er nicht an. Zahlreiche Nutzer kommentierten das. Viele waren traurig und überrascht, dass sie ihr Lieblingsspiel bald nicht mehr nutzen können.

Wie kam es zum plötzlichen Ende kurz nach dem Erfolg?

Zunächst gab es Spekulationen über rechtliche Probleme durch Nintento. Nicht aus der Luft gegriffen, nachdem die Grafik an den Klassiker Super Mario World aus den frühen 1990er Jahren angelehnt war. Das verneinte er jedoch schon kurz nach seinem Tweet. Was war also geschehen? In einem am 11. Februar 2014 erschienenen Interview mit dem Forbes-Magazin äußerte er sich erstmals ausführlich zu den Gründen: Flappy Bird sei als kleiner Zeitvertreib für zwischendurch zur Entspannung gedacht gewesen. Stattdessen habe es jedoch die Nutzer süchtig gemacht. Nguyen sah darin ein Problem, das am besten gelöst wird, in dem er die App abschaltet.

Neben den Schuldgefühlen lag ein weiterer Grund in der Aufmerksamkeit, die ihm missfiel: Sein Leben war nicht mehr so angenehm wie zuvor und er konnte nicht mehr schlafen. Die Entscheidung sei kein Schnellschuss, sondern gründlich überlegt. Bei dem Interview wirkte er extrem nervös, rauchte mehrere Zigaretten in 45 Minuten und kritzelte Zeichnungen auf Papier. Anscheinend habe er zudem Todesdrohungen erhalten, welche nach dem Entfernen des Spiels zugenommen hätten.

Spiele Entwickeln wollte er weiterhin. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch mehrere andere Spiele für Mobilgeräte in den Appstores. Diese waren zwar nicht so erfolgreich wie Flappy Bird, jedoch mit Platz 6 und 18 auf iOS durchaus kein Flop. Sie sollten nicht entfernt werden, da er sie als harmlos bewertet und die Nutzer nicht süchtig machen würden. Durch den Erfolg von Flappy Bird habe er nicht nur Selbstbewusstsein erlangt, sondern auch die Freiheit, das zu tun was er möchte.

50.000 US-Dollar pro Tag für 3 Tage Arbeit

Ein Erfolg war das Spiel offensichtlich: Mehr als 50 Millionen Downloads hatte es zu diesem Zeitpunkt Anfang Februar 2014 bereits erreicht. Eine archivierte Seite vom 09.02.2014 zeigt über 548.000 Nutzer alleine unter Android. Das war wenige Stunden vor der Löschung, ab dann zeigte Google Play unter der URL nur noch eine 404 Fehlerseite. Zwar mussten die Spieler nicht direkt bezahlen, aber indirekt über die eingebaute Werbung. Und die sind bei derart hohen Nutzerzahlen beachtlich: Durchschnittlich 50.000 US-Dollar nahm er damit zu dieser Zeit ein – jeden Tag. Auf den Monat gerechnet sind das 1,5 Millionen Dollar und das nur mit diesem einen Spiel. Auch wenn er diese Spitze nur für wenige Wochen erhielt, war es eine mehr als beeindruckende Summe für den Arbeitsaufwand von laut eigenen Aussagen 2-3 Tagen.

Außerdem löschte er die App lediglich aus den App-Stores der mobilen Plattform. Zig Millionen hatten sie bereits heruntergeladen und sicherlich einige noch aus Neugierde in den letzten 22 Stunden nach der Ankündigung. Dort wurde sie nicht unbrauchbar gemacht und konnte weiterhin gespielt werden, so lange man das Gerät nicht wechselte. Diese bestehenden bestehenden Installationen generierten weiterhin Werbeeinnahmen auf unbestimmte Zeit. Der Geldfluss ist mit dem Entfernen also nicht gestoppt, sondern kann lediglich nicht mehr Wachsen. Gerade durch diese Ankündigung gab es Spekulationen, ob es nur geschicktes Marketing gewesen sein könnte.

Der Hype ging so weit, dass Smartphones mit installiertem Flappy Bird Gebote von bis zu 130.000 US-Dollar (Umgerechnet über 119.000 Euro zum Stand 2023) erhielten. Man darf sicherlich anzweifeln, ob all diese Gebote echt waren. Unbestritten ist jedoch: Zahlreiche Handys wurden nach Abkündigung des Spiels für weit mehr Geld verkauft, als sie ohne Flappy Bird wert gewesen wären. Zumindest auf Android-Nutzer mag dies absurd wirken. Schließlich hat man selbst heute noch zumindest die Freiheit, installierte Apps als APK vom Gerät zu laden. Somit dauerte es nicht lange, bis das Spiel aus anderen Quellen wieder erhältlich war. Wer diesen aus gutem Grunde nicht vertraute, konnte natürlich auch einen Freund oder Bekannten bitten, der es noch installiert hatte.

Nutzer Süchtig machen: Was Nguyen nicht wollte, hat längst System

Aus heutiger Sicht mag es verwirrend erscheinen, dass jemand ein erfolgreiches Spiel vom Markt nimmt, weil es zu sehr süchtig macht. Seit Jahren ist gut dokumentiert: Unternehmen investieren viel Geld, um ihre Nutzer mit diversen psychischen Tricks auszunutzen. Das Ziel: Sie sollen möglichst viel Spielen. Ein Entwickler erfolgreicher Spiele fasste es wie folgt zusammen:

Wir müssen die Spieler zu uns holen, sie süchtig halten und sie dazu bringen, weiterzuspielen.

Teut Weidemann

Das gilt für alle Plattformen. Mobile Geräte sind dafür jedoch noch besser geeignet als PCs und Spielekonsolen, weil sie noch stärker genutzt sowie nahezu immer verfügbar sind. Der Nutzer hat einen Tag nicht mehr gespielt? Mit einer Push-Benachrichtigung wird er beim nächsten Schreiben einer Chatnachricht abgelenkt, damit er die App wieder nutzt.

Dieses Ziel verfolgen übrigens nicht nur Spiele: Auch kommerzielle Soziale Netzwerke wie Instagram, Twtter & co. sind mittlerweile darauf optimiert, damit du als Nutzer dort maximal viel Zeit verbringst. Schließlich steigt dabei die konsumierte Werbung & Menge an generierten Daten. Anders gesagt: Je süchtiger ein Mensch danach ist, um so mehr Geld wird verdient. Grundsätzlich betrifft das alle Dienste, die ihr Geld mit Werbung verdienen.

Fazit

Mit Flappy Birds wurde viel Geld verdient. Die große Aufmerksamkeit gefiel dem Entwickler nicht und er schien besorgt um die Gesundheit der Menschen. Beides dürfte heute verwirren, nachdem sich viele von uns mit den Designs von vielen Programmen & Spielen abgefunden haben, die seit Jahren auf maximale Nutzungszeit optimiert werden. Ob das radikale Entfernen einer App dieses Problem löst, kann man kontrovers diskutieren. In einem vernünftigen Rahmen ist gegen diese Technologien nichts einzuwenden – zumal sie neben der Unterhaltung ja auch für viele weitere nützliche Dinge verwendet werden können.

Unbestritten ist jedoch, dass inzwischen viele Menschen nach Computern, Smartphones und anderer Unterhaltungselektronik süchtig geworden sind. Eine Debatte darüber, in wie weit Unternehmen diese Sucht ausnutzen sowie fördern dürfen, halte ich daher für sinnvoll. Auch zehn Jahre nach dem Erscheinen von Flappy Birds gibt es wenige Einschränkungen, die Unternehmen daran hindern, Menschen so intensiv wie möglich zu vermarkten.

Ansonsten zeigt Flappy Birds aber auch: Ein Spiel muss nicht grafisch extrem professionell und aufwendig sein, wie es bei den größeren Titeln längst Standard ist. Trotzdem – oder auch gerade deswegen – kann man mit einem einfachen Konzept Erfolg haben: Flappy Birds wurde in nur 2-3 Tagen von einer einzelnen Person entwickelt.

Weitere Informationen

  • https://www.20min.ch/story/flappy-bird-machte-die-spieler-zu-stark-suechtig-937338051627
  • https://www.derstandard.at/story/3000000034803/flappy-bird-android-iphone?ref=rss
  • https://www.vice.com/de/article/8q87ma/Flappy-Bird-fuer-100000-Dollar
  • https://www.frankfurter-hefte.de/artikel/dopamin-und-manipulation-3182/
  • http://kurt.digital/2019/05/09/endgegner-bildschirmzeit-machen-soziale-netzwerke-wirklich-suechtig/
  • https://www.welt.de/wall-street-journal/article125669981/Warum-manche-Smartphone-Spiele-suechtig-machen.html
  • https://www.giga.de/extra/videospielkultur/news/handyspiele-koennen-schnell-suechtig-machen-warnt-psychologe/
  • https://androidmag.de/report/die-suechtig-machenden-tricks-mobiler-spiele/
  • https://medienistik.wordpress.com/2021/07/22/wir-sind-am-arsch-die-dokumentation-screened-out/
  • https://www.allversum.com/brainwashing-wie-wir-uns-durch-zu-viel-bildschirmzeit-angreifbar-machen/

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