Windows Server Core mit SConfig: Das raspi-config der „headless“ Windows-Welt

Windows Server Core mit SConfig: Das raspi-config der „headless“ Windows-Welt

Der gescheiterte Versuch einer Linux-Architektur bei Microsoft? Windows Server und grafische Oberfläche gehörten lange Zeit untrennbar zusammen. Sehr zum Spott der GNU/Linux-Welt: Dort werden Server üblicherweise ohne GUI betrieben, wodurch das Betriebssystem schlanker ist. Das bedeutet: Weniger und schnellere Updates sowie eine geringere Angriffsfläche, weil weniger Software/Code auf dem System läuft. Mit Windows Server Core versucht Microsoft dieses Konzept zu kopieren – zumindest oberflächlich.

Warum grafische Oberflächen auf Servern eine schlechte Idee sind

Mit der Einführung des Windows Servers in den frühen 1990er Jahren hat Microsoft es sich einfach gemacht: Auf Desktops und Servern läuft im Kern das gleiche Windows mit der selben Oberfläche. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Es unterscheidet sich nur in den enthaltenen Programmen. Während das Desktop-Windows seit Windows 10 mit jeder Menge vorinstallierter Programme zugemüllt wurde, verzichtet Microsoft darauf in der Server-Edition. Stattdessen findet sich dort der Server-Manager, womit sich integrierte Server-Rollen von Microsoft (z.B. Active Directory, DNS, IIS Webserver usw.) einrichten lassen.

Das ist bequem, da jeder Desktop-Nutzer seine Maus per RDP auf einen Windows-Server schubsen kann. Allerdings hat das mehrere Nachteile: Durch die Desktop-Umgebung wird mehr Software installiert. Dies verbraucht etwas mehr Ressourcen und bietet eine größere Angriffsfläche. Schließlich bedeutet mehr Programmcode auch immer mehr potenzielle Sicherheitslücken.

Zur Erhöhung der Sicherheit lautet daher seit längerem die gängige Praxis, nur jene Software zu installieren, die man wirklich braucht. Technisch sind grafische Oberflächen nur in seltenen Fällen (z.B. für Terminalserver) notwendig. Es gibt keinen Grund, warum beispielsweise ein Webserver oder Domänencontroller eine grafische Oberfläche haben soll. Dies ist eben so unnötig wie beispielsweise eine Soundkarte.

So macht es GNU/Linux seit Anfang an besser

Unter GNU/Linux gibt es seit Anfang an eine Trennung zwischen Funktion und Oberfläche. Konkret heißt das: Funktionen werden in aller Regel zuerst in Kommandozeilenwerkzeugen eingebaut. Einen Webserver beispielsweise kann man über Konsolenbefehle vollständig einrichten. Falls notwendig, entsteht zusätzlich eine grafische Oberfläche als Alternative. Das ist meist eher bei Software der Fall, die man auf Arbeitsplatz-PCs am Desktop bedient. Anders gesagt: Grafische Oberflächen werden nur dort eingesetzt, wo sie sinnvoll bis zwingend notwendig sind.

Warum Microsoft das nicht kann und was sie stattdessen versuchen

Windows dagegen wurde von Microsoft nie darauf ausgelegt, ohne grafische Oberfläche zu laufen. Man wollte es sich einfach machen und erklärt die GUI schlicht als Voraussetzung, wenn man Windows Server betreiben möchte. Das änderte sich erst 2008, als Windows Server Core vorgestellt wurde. Obwohl Microsoft dies in der Doku als „Minimalinstallationsoption“ bezeichnet, ist damit nicht das gemeint, was GNU/Linux-Nutzer unter einer minimalen Installation verstehen.1 Microsoft hat es sich nämlich wieder leicht gemacht und versucht gar nicht erst, die in Windows fest integrierte Oberfläche sauber vom Rest des Betriebssystems zu trennen.

Stattdessen wurde die GUI lediglich kastriert: Einige grafische Systemkomponenten wie z.B. der Datei-Explorer, die Systemsteuerung oder gar Internet Explorer/Edge hat Microsoft entfernt. Ein frisch gestarteter Windows Server Core erinnert an ein Desktop-Windows, bei dem der Explorer abgestürzt ist. Es zeigt nur ein Konsolenfenster, das auf neueren Windows Server Core Systemen automatisch in SConfig startet.2 Dabei handelt es sich um eine textbasierte Oberfläche für grundlegende Einstellungen – etwa den Hostname ändern, Remotezugriff aktivieren/deaktivieren, Updates installieren und so weiter. Raspberry Pi Benutzer es durch raspi-config bekannt vorkommen, wenngleich die Raspberry Pi Variante optisch anders (mMn schöner) aussieht.

Die Bedienung erfolgt wie bei raspi-config über Ziffern, mit „2“ lässt sich z.B. der Hostname ändern. Ein genauerer Blick zeigt, dass hinter Windows Server Core mehr als ein Konsolenfenster steckt. Einige grafische Programme sind nach wie vor installiert und unterstützt, etwa der Task Manager oder Registrierungs-Editor. Über den eingebauten Remotedesktop-Server kann man sich sogar per RDP auf diese Ansicht verbinden.

Dennoch ist klar: Hier sollen Administratoren deutlich weniger Mäuse schubsen. Grafische Oberflächen sind nur für eine Hand voll Komponenten, deren Umsetzung als Kommandozeilenwerkzeug sich Microsoft wohl sparen wollte. Diese muss man zudem über die Namen der Binärdateien (z.B. taskmgr für Task-Manager, regedit für Registrierungs-Editor usw) händisch starten, da weder Taskleiste noch Startmenü vorhanden sind.

Wie viel bringt das?

Ein aktueller Windows Server 2025 LTSC (Build 26063) belegt auf der C-Partition 8,04 GB Speicherplatz.

Frisch gestartet werden laut Task-Manager 1,4 GB Arbeitsspeicher belegt:

Schauen wir uns zum Vergleich den identischen Windows Server 2025 Build an, der mit vollständiger Desktop-Umgebung installiert wurde. Dafür sind 11,5 GB Plattenspeicher notwendig.

Der Arbeitsspeicher ist ebenfalls auf 2,4 GB gestiegen. Das war zu erwarten, nachdem dort standardmäßig der Server-Manager auch noch im Autostart liegt.

Als Fazit bleibt ein um 1 GB geringerer Arbeitsspeicherbedarf und 3,46 GB weniger Plattenplatz.

Windows Server vs Windows Desktop

Zuletzt noch ein Vergleich mit der Desktop-Edition von Windows 11. Dort sind nicht nur weitere Windows-Komponenten enthalten. Seit Windows 10 feiert Bloatware Hochkonjunktur: Candy Crush & co. lassen grüßen. Inzwischen ist es wieder etwas weniger schlimm, zumindest TikTok, Instagram und die Spiele hat Microsoft raus geworfen. Dennoch sind weiterhin etwa Xbox und LinkedIn vorinstalliert. Dennoch sind mit z.B. Spotify weiterhin Drittanbieter-Anwendungen enthalten.

Windows 11 32H2 bringt es daher auf satte 32,9 GB an Plattenplatz. Frisch installiert sind es immerhin noch 28,3 GB, die allerdings nach Einspielen der ausstehenden Aktualisierungen auf rund 33 GB anwachsen.

Einschränkungen

Meinem Eindruck nach ist Windows Server Core unter den Nutzern von Windows Servern nicht übermäßig verbreitet. Das bestätigen auch Beiträge auf Reddit3 und für den deutschsprachigen Raum administrator.de.4 Lediglich ein Teil nutzt sie, selten flächendeckend. Dies dürfte mehrere Gründe sein: Zum einen dauert es, bis zumindest der Großteil von Microsofts eigenen Server-Rollen unterstützt wurde. Inzwischen ist diese Liste überschaubar und umfasst z.B. Fax oder Windows Deployment Services.5

Bei Drittanbieter-Software sieht es noch deutlich schlechter aus. Insbesondere ältere Programme sind nicht mit Windows Server Core kompatibel. Folglich müssen die Nutzer die vollständige Desktop-Umgebung verwenden, wodurch für den Anbieter keine Motivation entsteht, das zu ändern – ein Henne-Ei Problem. Insbesondere das kann in Unternehmensumgebungen zum Problem werden. Dort installiert man ja gerne eine Reihe an Software automatisch per Softwareverwaltung. Ist da eines dabei, das Windows Server Core unterstützt, rollt man möglicherweise gar keine Server Core aus. Auch nicht für Programme, die es unterstützen würden. Generell sind Unternehmen lieber standardisiert und scheuen tendenziell Extra-Aufwand. Mancher Admin scheut ebenfalls die Einarbeitung in etwas neues, vor allem wenn funktionell die vorherige Technologie ausreicht.

Für eine weitere Einschränkung ist Microsoft selbst verantwortlich: Wer sich einmal für Windows Server Core entschieden hat, kann nachträglich nicht mehr zum vollwertigen Desktop zurück.6 Sollte man diesen später doch benötigen – etwa weil neue Software dazu kommt – muss komplett neu installiert werden. Das lustige dabei ist, dass diese Funktion vorhanden war. In Windows Server 2008 und 2012 konnte man zwischen Core und Desktop wechseln.7 Ab Windows Server 2016 hat Microsoft diese Funktion entfernt. Als GNU/Linux-Nutzer muss ich den Kopf schütteln. Warum sabotiert sich Microsoft selbst? Unter GNU/Linux ist beides seit je her möglich. Das hatte man sich abgeschaut, um es anschließend wieder zu entfernen.

Fazit

Obwohl Windows Server Core seit 2008 existiert und damit zum Zeitpunkt dieses Beitrages satte 16 Jahre alt ist, hat es sich nur überschaubar durchsetzen können. Schlussendlich ist es nichts halbes und nichts ganzes, weil Microsoft zwar sein schwergewichtiges Windows Betriebssystem für Server leichter machen möchte. Aber ein Teil soll dann doch bleiben. Vor 16 Jahren hätte ich gesagt, das ist ein erster Zwischenschritt in die richtige Richtung. Nachdem sich seit dem wenig getan hat und sogar bestehende Funktionen entfernt wurden, hat Microsoft wohl das Interesse an einer echten Minimalinstallation verloren. Wer das möchte, kann weiterhin auf die deutlich schlankeren GNU/Linux-Distributionen zurückgreifen.

Quellen

  1. https://learn.microsoft.com/de-de/windows-server/administration/server-core/what-is-server-core ↩︎
  2. https://learn.microsoft.com/de-de/windows-server/administration/server-core/server-core-sconfig ↩︎
  3. https://www.reddit.com/r/sysadmin/comments/11upkrv/survey_windows_server_core_vs_windows_server_gui/ ↩︎
  4. https://administrator.de/forum/kleine-umfrage-windows-server-desktop-oder-core-395922.html ↩︎
  5. https://learn.microsoft.com/de-de/windows-server/administration/server-core/server-core-removed-roles ↩︎
  6. https://learn.microsoft.com/en-us/answers/questions/1195233/how-switch-from-server-core-to-the-desktop-experie ↩︎
  7. https://www.fastvue.co/sophos/blog/switch-between-windows-server-core-and-full-gui-the-easy-way/ ↩︎

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