Viele Nutzer sind von den Gängelungen zu Windows 11 verärgert. Einer hat von den zunehmenden Eskalationen endgültig genug und verklagt Microsoft. Dabei geht es auch um die Marktherrschaft für KI. Der Schwerpunkt sind zwei Notebooks des Klägers, welche die künstlich hohen Anforderungen von Windows 11 nicht erfüllen. Er kritisiert die radikal hohen Anforderungen sowie den kurzen Übergangszeitraum. Seine Forderung ist nachvollziehbar, allerdings gefährlich. Sollte sie tatsächlich durchgesetzt werden, kann Microsoft sie ausnutzen, um alles noch schlimmer zu machen.
Kontext: Der Ärger um Windows 10 & 11
Ende 2021 erschien Windows 11 – und sorgte mit zahlreichen künstlich erhöhten Systemanforderungen für entsetzen: TPM 2.0, Secure Boot und weitere fragwürdige proprietäre Microsoft-Technologie musste im PC vorhanden sowie aktiviert sein. Hunderte Millionen von PCs erfüllen diese Hürde nicht. Geht es nach Microsoft, müssen sie entsorgt & neu gekauft werden. Erstmals zwang der Konzern seine Nutzer außerdem zu einem Cloudkonto. Weitere Gängelungen & Einschränkungen folgten, wodurch Windows 11 zum umstrittensten Betriebssystem wurde.
Warum wird Microsoft verklagt?
Der US-Amerikaner Lawrence Klein hat genug davon und verklagt Microsoft.1 Die insgesamt 25-Seitige Klageschrift ist öffentlich einsehbar.2 Er wirft Microsoft vor, die Windows 11 Anforderungen seien ein Vorwand, um Nutzer zum Kauf von neuen PCs mit KI Chips (gemeint sind wohl NPUs) zu drängen. Damit soll die Marktdominanz gesichert & für Copilot+ ausgebaut werden – auf Kosten der Nutzer. Das aus seiner Sicht abrupte Ende von Windows 10 gefährde Nutzerdaten. Sogar jene, die das System gar nicht verwenden. Damit wird vermutlich auf die Quasi-Monopolstellung angespielt. Unternehmen & sogar staatliche Einrichtungen verwenden noch immer Windows. Dadurch sind Daten von Bürgern/Kunden gefährdet.
Die Folgen für Dritte sind katastrophal
Das ist ein wichtiger Punkt, der oft kaum Berücksichtigung erhält. Wenn jemand auf seinem privaten PC Windows und/oder andere Microsoft-Software nutzt, so gefährdet er „nur“ sich selbst. Bei einem Unternehmen sieht es ganz anders aus. Dort sind dessen Mitarbeiter, Kunden sowie ggf. weitere involvierte Personen ebenfalls betroffen. Man trägt also Verantwortung. Noch gravierender ist die Lage bei staatlichen Einrichtungen. Selbst in der Theorie hat hier der Bürger wenig bis keinen Einfluss darauf bzw. kann sich der Nutzung von Microsoft-Produkten nicht entziehen.
Hierbei handelt es sich um kein theoretisches Szenario. Bereits mehrfach wurden schwere Mängel bekannt, die Microsofts Behauptung (Sicherheit hat Priorität Nummer 1) erneut gelinde gesagt fragwürdig erscheinen lassen. Erst vor wenigen Monaten wurden schwere Sicherheitslücken bei Microsoft SharePoint bekannt. Damit war es möglich, bereits am ersten Wochenende etwa hundert Organisationen anzugreifen.3 Selbst die US-Atomwaffenverwaltung (!!!) war durch die Nutzung von SharePoint verwundbar.4 Dies macht abermals deutlich, wie extrem gefährlich die breitflächige Nutzung von Microsoft-Software & deren Diensten ist.

Angestrebte „KI“ Dominanz: Wie berechtigt ist die Klage?
Seit langem ist es offensichtlich: Die radikal hohen Systemanforderungen von Windows 11 sind kommerziell und damit künstlich begründet, nicht technisch. Microsoft selbst liefert nicht unterstützte Wege zur Umgehung. Damit funktioniert deren neues Betriebssystem selbst auf sehr alten PCs, die über 10 Jahre älter sind, als offiziell erlaubt. Selbst die c’t hat das bereits vor längerem eingesehen.
Die Dominanz bei KI dürfte dabei zunächst keine große Rolle gespielt haben. Immerhin startete der große Hype erst danach. Stattdessen steckt simple Profitsteigerung dahinter: Jeder neu verkaufte PC mit Windows 11 bringt dem Konzern Geld über die im Preis enthaltene Lizenz. Durch die starken Einschränkungen der unterstützten Hardware sinken die Entwicklungs- und Supportkosten weiter. Zumindest nach 2032. Selbst hierbei profitiert Microsoft bereits doppelt zulasten der Kunden. Dass viele neue Computer mittlerweile Copilot+ kompatibel sind, ist daher nicht kriegsentscheidend. Als dritte Einnahmequelle nimmt man das zusätzlich natürlich gerne mit.
Gute Argumente: Hunderte Millionen Geräte betroffen
Es wird auf die hohe Anzahl an Geräten hingewiesen, denen ein Upgrade auf Windows 11 verwehrt bleibt. Schätzungsweise sind dies 240 Millionen. Natürlich gibt es verschiedene Schätzungen. Je nachdem, ob und in wie weit man davon ausgeht, dass Teile dieser Geräte auf GNU/Linux migriert werden. Oder die Nutzer durch inoffizielle Hacks Windows 11 trotzdem installieren. Auch werden manche ihr Windows 10 schlicht nach Oktober 25 weiter laufen lassen – ob mit ESU oder ohne.
Insbesondere bei denen ohne sind die Konsequenzen am gravierendsten. Dies greift man ebenfalls auf und weist dabei vor allem auf Organisationen hin. Deren Verhalten kann die Sicherheit von Dritten gefährden – etwa Unternehmen & staatliche Einrichtungen, die Daten verarbeiten. Selbst wenn die dadurch geschädigten Personen gar keine Produkte/Dienste von Microsoft verwenden.
Weniger Zeit für höhere Anforderungen
Die Ursachen sind klar mit den hohen künstlichen Anforderungen an Prozessor und TPM genannt. Arbeitsspeicher & Speicher finden ebenfalls Erwähnung, wohl der Vollständigkeit halber. Entscheidend ist: Dies stellt eine radikale Steigerung gegenüber Jahrzehnten an früheren Windows-Versionen dar. Außerdem kann der Konzern kaum erklären, warum das notwendig sein soll. Wenngleich diese Anforderungen so hart wie noch nie erzwungen werden. Bisher gab es moderatere Voraussetzungen. Diese waren zudem eher eine Empfehlung. Mit Windows 11 blockiert Microsoft gezielt etwas ältere Systeme (vor 2017).
Vergleiche mit den zahlreichen Vorgängern gibt es auch beim zeitlichen Ablauf. Er zählt dabei ab dem Veröffentlichungszeitpunkt des Nachfolgers, wie lange der Vorgänger noch unterstützt wird. Bis Windows XP zurück lag dieser Zeitraum bei 7-8 Jahren. Windows 10 wird nur 4 Jahre nach Veröffentlichung von Windows 11 eingestellt. Durch den kurzen Übergangszeitraum ist Windows 10 noch stark verbreitet, beim Klagezeitpunkt mehr als 50%. Inzwischen ist die Verbreitung zumindest laut Statcounter etwas gesunken auf 45,5% im August.5 In Deutschland ist der Windows 10 Anteil mit rund 58,6% deutlich höher.
Manipulative Informationen entlarvt
Microsoft Ankündigungen werden als manipulativ bemängelt. Es gab ja inzwischen mehrere Werbekampagnen für Windows 11. Das reicht von E-Mails an Nutzer mit Cloudkonto, über OneDrive-Reklame6 bis hin zu Vollbild-Anzeigen in Windows 10 für Windows 11.7 Darin lenkt der Konzern klar einseitig auf den Neukauf eines Windows 10 PCs oder Laptops. Andere Optionen werden bestenfalls am Rande erwähnt. Ich hatte das auch bereits kritisiert. Zumindest die offiziell unterstützten Alternativen wie z.B. ESU-Programm wären für eine halbwegs neutrale Information erforderlich. Vollständig fair wäre es, auch freie Software wie GNU/Linux zumindest zu erwähnen.
Lebensende erst seit einem statt zehn Jahren bekannt?
Aber Microsoft hat nichts davon getan. Obwohl sie mit ESU Geld verdienen würden. Sei es direkt durch die Zahlungen, oder indirekt mit Daten & abhängigen Nutzern. Alleine bei Unternehmen, die den Umstieg verschlafen haben, gehen Prognosen von über 6 Milliarden Euro aus.8 Dazu kommt spätestens mittelfristig eine Migration. Selbst gegen eine (zunehmend teurer werdende) Extrazahlung möchte Microsoft das Betriebssystem nur noch maximal drei Jahre lang Pflegen.
Anscheinend ist Windows 11 für den Konzern noch lukrativer. Den Preis zahlen wir alle: Kunden lassen sich zum Neukauf treiben, selbst wenn der unnötig ist. Dazu kommt eine riesige Verschwendung von Ressourcen durch das Verschrotten funktionsfähiger PCs. Während parallel das Recycling auch nach Jahrzehnten nicht funktioniert. Da wir auf dem gleichen Planeten leben, betrifft es spätestens langfristig jeden von uns.
Doch es werden auch Argumente genannt, die falsch wirken. Oder zumindest Unklarheiten hinterlassen. Eine davon findet sich bereits in den ersten Sätzen der Klageschrift:
Less than a year ago Microsoft announced that it would cease providing support for Windows 10 devices as of October 14, 2025.
Die Klage wurde am 26.06.2025 eingereicht. Aus Sicht des Klägers sei das Lebensende von Windows 10 also kurz danach kommuniziert worden. Eines der wenigen positiven Dinge an Microsoft ist allerdings ihr klarer Lebenszyklus für Windows.9 Bereits zur Veröffentlichung von Windows 10 legten sie fest, dass es ab Oktober 2025 nicht mehr gepflegt wird. Für einen begrenzten Zeitraum lässt sich weitere Unterstützung gegen Bezahlung mit Geld oder Daten erwerben.
Ich kann mir diese Sicht nur mit der Vermutung erklären, er bezieht sich auf Werbung/Hinweise im Betriebssystem. Windows 10 ist schon lange mit Werbung verseucht. Die nutzte Microsoft auch, um für den Neukauf von Windows 11 „kompatiblen“ PCs zu trommeln. Das begann zwar schon früher. Ein Teil der Kampagnen wurden gestoppt und daher wohl nicht allen angezeigt. Folgender Satz stützt diese These:
Neither Microsoft nor its original equipment manufacturers (OEMs) disclosed to customers the potential additional costs or the consequences of Microsoft’s decision to end support for all operating system versions compatible with the device.
Aus Nutzersicht könnte man argumentieren, dass der durchschnittliche Nutzer nicht über den Lebenszyklus von Windows informiert ist. Verkaufte PCs mit Windows-Lizenz erhalten soweit mir bekannt keinen Hinweis darauf. Somit hat der 0815 Nutzer das Lebensende ggf. tatsächlich erst durch die Werbekampagnen mitbekommen. Oder die Medien. Seit einigen Monaten erscheinen auch außerhalb der IT immer wieder Artikel dazu. In dem Fall sollte es allerdings klar formuliert werden. So bietet man dem Konzern unnötige Angriffsfläche. Der hat nun natürlich die Steilvorlage, die Behauptungen seien falsch, weil man das Lebensende seit 10 Jahren angekündigt hat.
Diese Forderung ist gefährlich
Der Kläger hat eine klare Vorstellung, wie Microsoft per Gerichtsurteil zur Lösung gezwungen werden soll: Der Konzern müsse Windows 10 weiterhin unterstützen, bis die Zahl der Geräte unter einen „angemessenen Schwellenwert“ fällt. Das soll verhindern, dass Verbraucher & Unternehmen unfairerweise zu unnötigen Ausgaben sowie Risiken gedrängt werden. Ich kann den Gedanke dahinter nachvollziehen. Allerdings übersieht er, sie aus dem Blickwinkel eines rein kommerziell orientierten Konzerns zu betrachten.
Dort bietet sie Schlupflöcher. Beispielsweise könnte Microsoft die Windows 10 Installationen zum 14.10.2025 schlicht komplett unbrauchbar machen. Dank Zwangsupdates ist das technisch leicht machbar. Der Marktanteil würde schnell sinken und damit formell die Bedingung erfüllen. Im Sinne der Nutzer ist das selbstverständlich nicht. Sondern es wäre eine Verschlechterung. Ich halte es daher für eine schlechte Idee, durch solche Forderungen den Konzern zu noch mehr schmutzigen Tricks zu motivieren.
Nachhaltiger ist eine Lösung, die ich an anderer Stelle bereits mehrfach erwähnt habe: Hersteller proprietärer Software dazu verpflichten, diese bei Einstellung quelloffen zu veröffentlichen. Das mag radikal sein, doch damit wäre dieses Problem fundamental gelöst. Windows 10 würde als freie Software weiterentwickelt. Microsoft möchte das nicht? Dann werden sie es sich überlegen, das Betriebssystem selbst weiterhin zu pflegen.
Finanziell tut ihnen das bei über 100.000.000.000€ Gewinn (!) im letzten Finanzjahr (!!!) definitiv nicht weh. Zumal sie Windows 10 wegen der IoT LTSC Edition ohnehin bis 2032 mit zumindest Sicherheitsaktualisierungen versorgen.10 Es wäre nahezu kein Aufwand, dies allen zugänglich zu machen. Das machen sie nicht, um die 100 Mrd. Gewinn noch weiter zu steigern. Mit Windows 11 lässt sich mehr Geld aus euch heraus holen.
Fazit: Der Mexit ist überfällig
Es werden noch weitere Aspekte genannt, auf die ich hier im Detail nicht eingegangen bin. Beispielsweise ihre Vormarktstellung im KI Bereich. Insgesamt enthält die Klage gute Argumente. Viele von ihnen habe ich ebenfalls bereits im Zuge des Windows 11 Disasters genannt. Als großes Problem sehe ich die fehlerhafte Darstellung des Lebensendes von Windows 10. Das könnte dem Konzern in die Karten spielen.
Wie erfolgreich die Aussichten stehen, ist sehr schwer zu sagen: Ich bin kein Jurist, dazu wird US-Recht angewendet. In der Praxis dürfte es für viele PCs bereits zu spät sein. Vor allem Unternehmen müssen mit mehr Vorlauf planen. Die Katastrophe für unsere Umwelt lässt sich bestenfalls noch etwas abmildern. Dennoch begrüße ich es, dass gegen die skrupellosen Geschäftstaktiken von Microsoft geklagt wird. Nur durch Handeln lässt sich etwas ändern. Möglicherweise lässt sich damit Microsofts radikale Entwicklung zumindest in Zukunft zügeln.
Wer noch Windows nutzt, der sollte nicht darauf warten – sondern sich lieber selbst helfen: Nur freie Betriebssysteme wie GNU/Linux bieten einen dauerhaften Ausweg aus dem Hamsterrad. Und weit mehr Freiheit, als Microsoft-Nutzer wohl jemals sehen werden. Sei Teil des Mexit (Microsoft Exit)!11
Quelle
- https://winfuture.de/news,152832.html ↩︎
- https://www.courthousenews.com/wp-content/uploads/2025/08/klein-v-microsoft-san-diego-complaint.pdf ↩︎
- https://www.heise.de/news/Schwere-Sharepoint-Luecke-Schon-am-Wochenende-100-Organisationen-kompomittiert-10495463.html?view=print ↩︎
- https://winfuture.de/news,152440.html ↩︎
- https://gs.statcounter.com/os-version-market-share/windows/desktop/worldwide ↩︎
- https://winfuture.de/news,142209.html ↩︎
- https://winfuture.de/news,142209.html ↩︎
- https://www.heise.de/news/6-7-Milliarden-Euro-Windows-10-Ende-als-Gelddruckmaschine-fuer-Microsoft-10632489.html ↩︎
- https://learn.microsoft.com/de-de/lifecycle/products/windows-10-home-and-pro ↩︎
- https://learn.microsoft.com/de-de/lifecycle/products/windows-10-iot-enterprise-ltsc-2021?branch=live ↩︎
- https://www.borncity.com/blog/2025/08/11/microsoft-wird-wegen-supportende-in-den-usa-verklagt/ ↩︎