Konzerne lieben die Cloud, da sie Abhängigkeit und Umsatz der Benutzer stark steigern, was zu üppigem Wachstum führt.1 Die Windows-Nutzer werden daher zunehmend Zwangsbeglückt. Werfen wir einen Blick Microsofts undokumentierte Strategie, um so viele Nutzer wie möglich zu ihren Clouddiensten zu drängen. Wer sich der aggressiven Werbung nicht beugt, dem schiebt Windows schon mal ungefragt private Daten in OneDrive. Zumindest hierzulande scheint die EU uns vor dem allerschlimmsten zu schützen.
Windows 11: Ein großer Schritt in Richtung Cloudzwang
Wer Windows 11 installiert, wird bereits von Anfang an zu einem Microsoft Online-Konto gedrängt. Neben den hohen Hardwareanforderungen ist dieser Onlinezwang seit Anbeginn einer der Hauptkritikpunkte. In den rund drei Jahren seit Veröffentlichung der ersten Windows 1 Version hat der Konzern diverse Schlupflöcher unbrauchbar gemacht, mit denen sich dieser Zwang umgehen konnte. Ganz am Anfang reichte beispielsweise das Trennen der Internetverbindung, um der MS Cloud zu entgehen. Mittlerweile funktionieren bloß noch gut versteckte Umwege, weitere Verschärfungen dürften folgen.
Dicke Gewitterwolken in Microsofts Cloud
Das ist problematisch, weil Windows damit noch mehr Daten sammelt und diese bei Microsoft keineswegs gut aufgehoben sind. Der Konzern wurde bereits mehrfach aufgrund eklatanter Sicherheitsmängel gehackt. Viele weitere blieben folgenlos, weil man mehr Glück als Verstand hatte – BingBang ist nur eines der extremsten Beispiele. Microsoft ist derart nachlässig, dass sie von US-Behörden als Nationales Sicherheitsrisiko betrachtet werden.2
Darüber hinaus sperrt das Unternehmen besagte Cloudkonten, zu denen die Nutzer genötigt werden, gerne unangekündigt wegen angeblicher AGB-Verstöße. Den Kunden wird weder mitgeteilt, was genau sie falsch gemacht haben.3 Noch haben sie eine Chance, das Problem mit einem Menschen zu klären – der wäre ja viel zu teuer für die paar Euro der Privatkunden. In diesem Falle sind nicht nur sämtliche Daten (OneDrive, E-Mail usw) plötzlich verloren. Wer sich dem Cloudzwang in Windows 11 gebeugt hat, kann sich an seinem lokalen Computer ebenfalls nicht mehr anmelden.
Es gibt also mehr als genug Gründe, nicht mit Microsoft Russisch Roulette zu spielen. Sondern mit lokalen Konten zumindest so weit Souveränität zu bewahren, wie das bei einem proprietären Betriebssystem möglich ist. Diese sind nach wie vor im Betriebssystem vorhanden. Doch MS macht es den Nutzern immer schwerer, sie zu nutzen.
Plötzlich liegen private Daten in der OneDrive Cloud
Das Goethe-Zitat „Und bist du nicht willig, so brauch‘ ich Gewalt“ scheint das Unternehmen wörtlich zu nehmen. Wer sich Microsoft beugt und Windows 11 mit einem Cloudkonto einrichtet, der ist zwar für die Anmeldung von der MS Cloud abhängig. Aber die eigenen Dateien bleiben weiterhin auf dem PC. Schließlich wird lediglich die Anmeldemethode ausgetauscht – statt das Passwort mit dem Nutzerverzeichnis auf dem Gerät abzugleichen, verschiebt sich dieser Teil in die MS Cloud. Gibt diese die Anmeldung frei, bekommt man Zugang auf seinen lokalen Computer.
Noch erschreckender ist jedoch das Standardverhalten: In den sogenannten Datenschutzeinstellungen ist maximales Datensammeln und Übermitteln standardmäßig aktiv, also ein Opt-out. Wer die Datensammelwut von Microsoft zumindest soweit wie es der Konzern erlaubt eingrenzen möchte, muss jeden Haken einzeln abwählen. Im Gegensatz zu EU-Version (bei der das teuer werden dürfte), ist im Rest der Welt übrigens alles auf einer Seite. Hier sollen die Nutzer offensichtlich schnell drüber scrollen und am besten nur „Weiter“ klicken.
Das extremste kommt allerdings noch: Microsoft legt Teile der Bibliotheken mittlerweile einfach in die OneDrive-Synchronisation. Alles was man in diese lokalen Ordner legt, landet automatisch in Microsofts Cloddiensten. Und das ohne die Erlaubnis des Nutzers, oder wenigstens eine Information darüber.
Auch die Ende 2023 eingeführte Windows-Sicherung4 ist automatisch eingeschaltet. Sie sichert persönliche Daten sowie diverse Einstellungen von Windows in OneDrive.
Darunter sind weitere sensible Informationen wie z.B. der WLAN-Schlüssel und andere Zugangsdaten.
Die EU macht Windows weniger schlimm
Nachdem die DSGVO höhere Hürden setzt und kein stillschweigendes Zustimmen akzeptiert, musste MS etwas tun. Wer eine Region in der EU (z.B. Deutschland) auswählt, bekommt nach der Kategorisierung & Werbezustimmung eine weitere Frage gestellt: Ihre Daten mit OneDrive sichern. Das bezieht sich zum einen auf die Cloud-Synchronisation, d.H. Dateien aus lokalen Bibliotheken werden automatisch in Microsofts Clouddienste geladen.
Die Datenschutzeinstellungen sind in der EU zwar immer noch manipulativ, aber deutlich weniger: Es ist keine Vorauswahl getroffen, Nutzer müssen selbst etwas anklicken. Bei diesem Opt-in hingegen ist Zeit auf der Seite verbringen erwünscht, um sich zu Gunsten von MS für möglichst viel Datensammeln zu entscheiden. Statt auf einer Seite liegen diese Einstellungen daher auf X. Jede ist mit einem längeren Text versehen, der die Botschaft vermittelt: Sende mehr Daten an Microsoft, das ist nur zu deinem Besten und hat keine Nachteile für dich.
Werbung für Cloudabos an jeder Ecke
Dahinter steckt eine Strategie. Schon bei der Installation & Einrichtung werden Nutzer von Cloudkonten mehrfach mit Werbung genervt, wie sie an unseriöse Werbebanner erinnern: Man habe Glück und dürfe ein Cloudabo kostenlos testen. Der Gipfel ist Microsofts Gamepass. Den gibt es zwar nicht kostenlos, aber man sei auserwählt, den für nur 1€/Monat auszuprobieren. Hier kann der Nutzer nicht einmal mehr ablehnen, sondern bloß noch „Vorerst überspringen“. Was auch immer das heißen mag. Eine klare Wahl sieht definitiv anders aus.
Natürlich nutzt MS dies, um dem Nutzer Cloudabos anzudrehen – eine neue Kostenfalle.5 Schließlich ist die Hemmschwelle besonders gering, wenn er sich nicht erst am Clouddienst anmelden muss. Wer beispielsweise die Einstellungen öffnet, sieht auf 3/6 Kacheln Reklame dafür. Dazu der Hinweis, doch bitte Microsoft auch noch die eigene Handynummer anzuvertrauen. Schließlich werden Datensätze wertvoller, je authentischer sie sich einer echten Person zuordnen lassen.
Fazit: Microsoft kann noch extremer
Dieses Experiment zeigt, dass Microsoft keineswegs alles ausgeschöpft hat. Sie können weitaus extremer abdriften, wenn sich der Konzern nicht durch Regulierung dazu gezwungen sieht, wenigstens einen Gang runter zu schalten. Das tut er nur da, wo es unvermeidlich erscheint. Selbst da testet man Grenzen aus67. Während EU-Bürger dadurch etwas weniger unmündig und manipulativ behandelt werden, betrachtet das Unternehmen den Rest der Welt als Freiwild.
Das sollte zu denken geben. Insbesondere weil es auch bei uns Politiker gibt, die derartigen Konzernen wohlwollend die Hand schütteln. Was dabei heraus kommt, lässt sich an Projekten wie LiMux sehen: Microsoft gewinnt, die Menschen verlieren Geld und vor allem Souveränität. Wenn MS das Stöcken hebt, fragen die im Vendor Lock-in gefangenen nur noch Wie hoch? und springen darüber. Nachdem die Cloud-Sparte im aktuellen Quartal „nur“ um +21% gewachsen ist8, wird der Konzern sie weiter nach oben stellen.
Quellen
- https://www.computerbase.de/2024-07/quartalszahlen-microsoft-legt-bei-cloud-und-software-zu-hardware-schwaechelt/ ↩︎
- https://www.golem.de/news/us-behoerden-microsoft-als-gefahr-fuer-die-nationale-sicherheit-2404-184408.html ↩︎
- https://www.drwindows.de/news/wird-die-nutzung-eines-microsoft-kontos-zum-unkalkulierbaren-risiko ↩︎
- ↩︎
- https://www.drwindows.de/news/kostenfalle-microsoft-365-immer-mehr-komponenten-gibt-es-nur-gegen-aufpreis ↩︎
- https://www.golem.de/news/cookie-banner-microsoft-muss-60-millionen-strafe-wegen-cookies-bezahlen-2212-170715.html ↩︎
- https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/microsoft-millionenstrafe-daten-kinder-xbox-100.html ↩︎
- https://www.computerbase.de/2024-07/quartalszahlen-microsoft-legt-bei-cloud-und-software-zu-hardware-schwaechelt/ ↩︎