Elektronische Scooter gehören in einigen größeren Städten mittlerweile dazu und sind nahezu überall verfügbar. Bei der technischen Funktion zeigen sich viele Unternehmen leider wenig transparent. Dabei müssen in den Scootern kleine Computer stecken, um etwa die Position an interessierte Mieter zu melden und Buchungen zuordnen zu können. Nun wurde bekannt, dass ein Unternehmen dabei auf die beliebten Raspberry Pis als universelle Mini-Computer setzt. Was dazu bekannt ist und wieso wir das erst jetzt erfahren, zeigt dieser Beitrag.
Start und begonnener Niedergang der E-Scooter?
Während die Idee kleiner Tretroller schon viele Jahrzehnte alt ist, wurden sie lange eher als Kinderspielzeug eingesetzt. Erst zur Jahrtausendwende gelang es dem Schweizer Unternehmen Micro mit einem robusten, höhenverstellbaren Roller auch Erwachsene zu überzeugen. Zunächst Handbetrieben, etablierten sich in den späten 2010er Jahren zunehmend E-Tretroller, die von Unternehmen zur Miete bereitgestellt werden. Paris war hierbei 2018 Vorreiter.
Doch nicht jeder ist jedoch davon begeistert: Paris hat jüngst per Abstimmung entschieden, den kommerziellen Verleih zu verbieten – 15.000 Roller werden seit Wochen eingesammelt, sie sind nur noch in Privatbesitz erlaubt. In anderen Städten kam es zumindest zu Einschränkungen – etwa durch Begrenzung der Anzahl an Anbietern. So wurden Lizenzen nicht verlängert. Einer davon ist Spin, der eine Vorliebe für Raspberry Pis zu pflegen scheint.
Woher kamen die Spin-Scooter?
Spin wurde 2016 gegründet und wenige Jahre später vom Autobauer Ford gekauft. Mitte Juli 2021 erhielt das Unternehmen die vierte Lizenz in Seattle, eine Großstadt in den USA mit 737.000 Einwohnern. Davor hatte die Stadt bewusst nur drei Unternehmen genehmigt – das Vierte soll erst später folgen, um neue innovative Technologie einzubringen. Spin bewarb sich und setzte sich durch, da ihre Roller mit Sensoren ausgestattet werden. Sie sollen mit maschinellem Lernen zu einem besseren Park- und Fahrverhalten führen. Beispielsweise erkennt der Roller, ob er auf der Straße oder dem Gehweg fährt, um Fußgänger sowie den Fahrer zu warnen. Nachdem die Konzepte grundsätzlich funktionierten, wurde das Thema Sicherheit zunehmend wichtiger. Spin konnte hier punkten und durfte bis zu 2.000 E-Scooter aufstellen.
Doch im Mai 2022 kündigte Seattle an, dass die Verträge mit Spin und Wheels nicht verlängert werden. Stattdessen hat man sich für ein neues Unternehmen namens Bird entschieden. Die genauen Gründe wurden nicht genannt – nur, dass die Auswahl schwierig gewesen sein soll. Als Konsequenz hatten beide Unternehmen mehrere Wochen Zeit, um ihre E-Roller einzusammeln und damit den Dienst in Seattle zu beenden.
Ein Raspberry Pi im Spin-Roller
Das hat nicht so richtig funktioniert: Zwar sammelte Spin einige Roller ein, jedoch verblieb ein Teil in der Stadt. Ausgeliehen werden konnten sie wahrscheinlich nicht mehr, da der Anbieter den Auflagen von Seattle folgen musste, die Dienste nach der Übergangsfrist einzustellen. Nach einiger Zeit wurden Bastler auf die herumstehenden Fahrzeuge aufmerksam und bauten sie auseinander. Dabei kam ein Raspberry Pi 4B zum Vorschein, der mit einem Hat auf den GPIO-Pins um verschiedene Funktionen erweitert wurde. Genauere Informationen sind leider nicht verfügbar: Spin selbst ist wenig transparent über ihre eingesetzte Technologie. Die originale Quelle des Bildes ist seit einigen Tagen nicht auffindbar: Es wurde in einem sozialen Netzwerk gepostet, welches nicht mehr erreichbar ist. Der Post dort wurde von Tom’s Hardware aufgegriffen, der allerdings wenig weitere Informationen enthält. Mehr Details wären sicherlich interessant. Vor allem wenn per Reverse Engineering die auf dem Pi laufende Software analysiert wurde.
Es liegt nahe, dass die Scooter damit verschiedene Sensoren ansteuern. Der Raspberry Pi sendet diese entweder an externe Server, oder verarbeitet sie selbst. Letzteres würde erklären, warum ein vergleichsweise leistungsstarker Raspberry Pi 4 gewählt wurde – und nicht etwa der Zero 2. Dieser würde sich für ein akkubetriebenes Gerät anbieten, um möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Eine hohe Reichweite ist im Interesse aller.
Fazit: Interessant, aber eine Raspberry Pi 4 Jagd ist nicht (mehr) nötig
Obwohl es viele industrielle Raspberry Pi Kunden gibt, hört man von ihnen vergleichsweise wenig. Daher finde ich es um so interessanter, wenn sich Gelegenheiten bieten zu erfahren, wo er verbaut ist. Tausende Scooter-Fahrer haben ihn genutzt, ohne davon zu wissen. In den USA suchten manche gezielt zurückgelassene Scooter, um sie wegen der enthaltenen Raspberry Pis auszuschlachten. Rechtlich gehören sie Spin. Ob sie so lange Zeit nach der Einstellung des Dienstes noch ein Interesse daran haben, mag bezweifelt werden. Manch einer mag daher argumentieren, bevor sie entsorgt werden, ist es besser, zumindest die Raspberry Pis zu retten. Das ist diskutabel. Ein akuter Mangel besteht seit einigen Wochen nicht mehr – dennoch sparen sich glückliche Finder dadurch den Kaufpreis.
Spin wurde übrigens 2022 erneut verkauft, dieses mal an ein Startup auf Berlin: Tier vermietet elektronische Scooter und Fahrräder. Hier wurde deutlich, wie viele Fahrzeuge Spin besitzt: 50.000 Stück hat Tier durch den Kauf übernommen, wodurch die Flotte des Käufers nun insgesamt 300.000 umfasst. Alleine bei diesem Anbieter waren wohl mindestens 50.000 Raspberry Pis auf den Straßen, von denen zumindest ein Teil bei Tier weiter rollt.
Quellen & weiterführende Informationen
- https://www.golem.de/news/spin-ford-bringt-seine-e-scooter-nach-deutschland-2002-146912.html
- https://sdotblog.seattle.gov/2021/07/09/spin-scooter-share/
- https://www.seattlebikeblog.com/2022/05/13/city-announces-new-scooter-and-bike-share-permits-spin-and-wheels-are-out-bird-is-in/
- https://techcrunch.com/2022/03/02/tier-mobility-acquires-spin-from-ford-marking-entry-into-north-america/
- https://www.spin.app/