Die Weitergabe von fremden Telefonnummern ist Illegal. Diese Einschätzung ist nicht neu, jedoch bisher kaum in die Praxis umgesetzt worden. Nun hat das AG Bad Hersfeld einen solchen Verstoß geahndet: Der Mutter eines Kindes muss von jedem einzelnen WhatsApp-Kontakt Ihres Sohnes die Zustimmung einholen, dass ihre persönlichen Daten an WhatsApp in die USA übermittelt werden dürfen.
Automatischer Datenabgleich illegal
Knackpunkt ist der automatische Datenabgleich von WhatsApp: Der verbreitete Messenger greift auf das private Telefonbuch des Nutzers zu. Alle eingetragenen Handynummern werden regelmäßig an WhatsApp gesendet. So kann der Betreiber feststellen, welche Kontakte des Nutzers den Chatdienst ebenfalls nutzen. Allerdings haben die Inhaber der fremden Telefonnummern nie ihr Einverständnis dazu erklärt – Obwohl es sich um personenbezogene Daten handelt. Dass die WhatsApp-Server in den USA stehen, wo das Datenschutzrecht deutlich schwächer ist wie in Deutschland, macht die Sache nur noch schlimmer.
Um die Datenschutzrechte dritter nicht zu verletzten, müsste vor der WhatsApp-Installation daher tatsächlich das Einverständnis jedes Kontaktes eingeholt werden. Ansonsten könnten rein rechtlich Abmahnungen, Unterlassungsklagen und Schadensersatzansprüche entstehen.
WhatsApp hat Haftung auf Nutzer übertragen
Der Betreiber ist sich dieses Problemes durchaus bewusst. Um nicht ebenfalls in die Haftung genommen zu werden, hat WhatsApp sich bereits letztes Jahr durch neue AGB abgesichert. Wir haben in folgendem Artikel darüber berichtet: Fragwürdige Datenschutzerklärung übermittelt WhatsApp-Nutzerdaten an Facebook. Zusammengefasst hat jeder Nutzer durch die neuen AGB bestätigt, eine Vollmacht zur Weitergabe fremder Daten an WhatsApp zu besitzen.
Im Wortlaut heißt es dort:
Du stellst uns regelmäßig die Telefonnummern von WhatsApp-Nutzern und deinen sonstigen Kontakten in deinem Mobiltelefon-Adressbuch zur Verfügung. Du bestätigst, dass du autorisiert bist, uns solche Telefonnummern zur Verfügung zu stellen, damit wir unsere Dienste anbieten können.
Diese Passage steht in einem zum damaligen Zeitpunkt 19 DIN A4-Seiten langen Dokument. Es überrascht daher nicht, dass dieses fragwürdige Vorgehen bislang kein größeres Aufsehen erregte.
Gerichtsurteil gegen Mutter bestätigt Rechtsverstoß
Bislang gab es in dieser Hinsicht keine nennenswerten Entscheidungen mit Praxisrelevanz. Dies änderte sich mit dem Urteil vom 20.03.2017, AZ F 111/17. Hier ging es ursprünglich um die Regelung des gemeinsamen Umgangsrechtes zweier geschiedenen Eltern mit dem 10-Jährigen Sohn. Dabei wurde auch thematisiert, ob und in wie fern das Handy des Jungen von ihm genutzt werden darf – Vor allem für WhatsApp. 13 Jahre sind nämlich eigentlich das Mindestalter für den Dienst. Hierbei wurde festgestellt, dass die Datenschutzerklärungen sehr schwammig formuliert wurden. Unter anderem mit einem Zitat der obigen Passage.
Der automatische Datenabgleich wird vom Gericht analog damit verglichen, einer fremdem Person das Handy auszuhändigen und durch sie das gesamte Adressbuch abzuschreiben. Anschließend habe diese Person weitreichende Möglichkeiten über diese Daten – etwa die Nutzung zu Werbezwecken. Auch das Nicht-Lesen der AGB ist keine Entschuldigung: Der Nutzer mache sich dadurch „[…] zum Mittelsmann des dahinterstehenden Unternehmens WhatsApp Inc und deren Geschäftsmodell […]“ – Der Nutzer handle hier mindestens fahrlässig.
Nutzer sind laut Gericht unmündig
Ferner stellte sich die Frage, wie es sich bei Nutzern der App verhält: Der Sohn habe etwa 20 Kontakte, von denen 16 WhatsApp nutzen. Kann bei den 16 Nutzern davon ausgegangen werden, dass sie sich über die Risiken im Datenschutz bewusst sind? Diese Frage verneinte das Gericht klar. Es stellte fest, dass Nutzungsbedingungen und Datenschutzvereinbarungen von den meisten Anwendern gar nicht gelesen werden. Viele würden diese einfach überspringen, um den jeweiligen Dienst nutzen zu können. Dies sei bei vielen Apps wie u.a. WhatsApp zudem sehr einfach möglich.
Das Gericht sieht den durchschnittlichen Verbraucher daher als nicht mündig an, eine derart schwerwiegende Einverständniserklärung abzugeben – die außerdem auch noch Grundrechte einschränkt.
Unwissende Eltern müssen sich informieren
Interessant ist auch die Urteilsverkündung. Dort wurde der Mutter auferlegt, mindestens einmal pro Monat mit ihrem Sohn über die Nutzung des Smartphones zu sprechen. Und zusätzlich sein Adressbuch selbst in Augenschein zu nehmen. Die Eltern sind in der Pflicht, bis zur Volljährigkeit des Kindes die Nutzung des Smartphones zu beaufsichtigen, sowie zu begleiten. Fehlendes Wissen ist dafür keine Ausrede: Fehlendes Wissen müssen sich Erziehungsberchtigte „unmittelbar und kontinuierlich aneignen“ – Ansonsten könne die Pflicht zur Begleitung/Aufsicht nicht ordentlich erfüllt werden.
Doch das war nicht alles. Vor Gericht stellte sich heraus, dass die Mutter große Lücken im Verständnis von WhatsApp aufwies – obwohl sie ihrem Sohn erlaubte, die App zu benutzen. Eine Auflage des Gerichts bestand darin, ihre Versäumnisse im Bereich Datenschutz schnellstens nachzuholen. So solle sie online auf der Plattform „Klicksafe“ mindestens drei Themen-Bereiche nach Wahl vollständig durchlesen. Zusätzlich erwarten die Richter alle 4 Monate einen schriftlichen Bericht, welche Erkenntnisse die Frau aus den Informationen gewonnen hat.
Fazit: Wie verhalten? Droht eine Abmahnwelle?
Grundsätzlich sind Abmahnungen möglich, scheinen jedoch eher unwahrscheinlich: Die Abmahner müssten sich im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis befinden. Außerdem würden diese als WhatsApp-Nutzer damit indirekt selbst einen Gesetzesverstoß eingestehen. Wer den Dienst nicht verwende, kann gar nicht sicher wissen, dass seine Handynummer illegal weitergegeben wurde. Dies ist allerdings nichts neues. Experten wie der IT-Anwalt Christian Solmecke vertreten diese Sicht bereits seit längerem. Allerdings ist zu erwarten, dass durch die mediale Verbreitung zu diesem Urteil viele erst davon erfahren, denen die Problematik bislang überhaupt nicht bewusst war.
Wer auf Nummer sicher gehen will, benötigt eine Einverständniserklärung seiner Kontakte – am besten schriftlich. Realistischer scheint hier allerdings der Umstieg auf sicherere Alternativen wie Signal oder Threema. Hier kann der Nutzer besser kontrollieren, was mit seinen Daten geschieht. Wer nicht gleich komplett wechseln möchte, sollte allerdings zumindest geschäftliche Kontakte aus dem Adressbuch entfernen. Da ist das rechtliche Risiko noch einmal höher.
Wie wird es weitergehen?
WhatsApp ist nicht zum ersten Mal wegen Datenschutzskandalen in der Kritik: Erst kürzlich versuchte der Konzern, WhatsApp-Daten an den Mutterkonzern Facebook weiterzugeben. Diese Praxis wurde in Deutschland jedoch relativ schnell als unzulässig erkannt, sodass die Verbindung gestoppt werden musste. Eine weitere Klage könnte dies zusätzlich anfeuern, und langfristig für den Dienst in der jetzigen Form problematisch werden. Bleibt zu hoffen, dass WhatsApp sich hier in der Pflicht sieht, sich mehr um den Datenschutz seiner Anwender zu kümmern.
Weiterführende Informationen auf wbs-law.de