Smartphones, Tablets, IoT-Geräte sowie der Raspberry Pi basieren auf ARM-Prozessoren. Nun investiert das dahinter steckende Unternehmen ARM Ltd. in die Raspberry Pi Ltd. und hinterlässt dabei einige Fragen. So viel ist jedoch klar: Ein Wechsel zur freien RISC-V Architektur scheint damit endgültig erledigt – obwohl diese Vorteile gegenüber dem proprietären ARM bietet. Dafür müssen nämlich Lizenzen bei ARM Ltd. gekauft werden. Preiserhöhungen sind bereits angekündigt und ein Übernahmeversuch scheiterte nur knapp.
Wer ist ARM?
ARM ist eine bereits 1983 entwickelte Prozessorarchitektur vom britischen Computerunternehmen Acorn. Sie war damals eine schnellere und gleichzeitig sparsamere Alternative zu den verbreiteten Prozessoren von Intel und Motorola. 1990 lagerte es die Prozessorsparte in ein eigenes Unternehmen aus. Durch eine spätere Umbenennung hat es den Name ARM Ltd. erhalten, den es bis heute trägt. Ohne den Zusatz Ltd ist üblicherweise vom der Architektur die Rede.
Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied zur Konkurrenz: Intel beispielsweise, die hohe Marktanteile bei der X86-Architektur besitzen, stellt ihr eigenen Prozessoren her. Sie können von PC-Herstellern oder Privatpersonen gekauft und verbaut werden. ARM Ltd. hingegen produziert keinerlei Prozessoren, sondern beschränkt sich auf die Entwicklung. Kunden können somit nur Nutzungslizenzen erwerben, um proprietäre ARM-Prozessoren selbst in ihre SoCs (System-on-A-Chip) einbauen zu dürfen. Auch die Entwicklung einer Prozessoren auf Basis von ARMs Technologie ist mit entsprechenden Lizenzkäufen möglich.
Die meist verbreiteten Prozessoren, welche kaum jemand kennt
Produzieren muss sie der Lizenznehmer aber selbst, oder ein Fertigungsunternehmen damit beauftragen. Das trägt zur Unbekanntheit des Unternehmens bei: Obwohl ARM zu den meistverbreiteten Mikroprozessoren gehört, sind sowohl Architektur als auch vor allem das Unternehmen ARM Ltd. vielen kein Begriff – wogegen AMD & Intel selbst viele außerhalb der IT-Branche kennen.
Und das, obwohl nahezu jeder Durchschnittsmensch einen Prozessor mit ARM-Technologie in der Tasche hat: Bei Smartphones/Tablets ist ARM so stark verbreitet, wie X86 in der PC/Notebook-Branche. Durch die Lizenzierung steht in kaum einer Smartphone-Beschreibung etwas von einem ARM-Prozessor. Stattdessen ist oft von Qualcomm zu hören, der alleine mit seiner SoC-Familie Snapdragon im Jahr 2019 einen Marktanteil von 36% erreichte.1 Diese wiederum basieren auf lizenzierten ARM-Prozessoren oder Eigenentwicklungen der ARM-Architektur.
Warum steigt ARM beim Raspberry Pi ein und was bedeutet das?
Auch der Raspberry Pi setzt seit seinem Marktstart im Jahre 2012 auf ARM-Prozessoren: Sie sind günstig und vor allem bei geringer Last vergleichsweise stromsparend. Daher werden sie oft im Internet der Dinge (IoT) eingesetzt. Dort ist oft nur recht wenig Leistung nötig, um etwa Sensoren abzufragen oder Komponenten zu schalten. Doch die Geräte sollen in der Regel 24/7 laufen.
ARM hat erkannt, dass der Raspberry Pi eine zunehmend wichtigere Rolle in der Branche spielt. Und damit sind keineswegs nur die privaten Kunden gemeint, die ihn als Plattform für freie, unabhängige Lösungen wie Home Assistant verwenden: Auch immer mehr Industriekunden haben den Raspberry Pi als kostengünstige, universelle Grundlage entdeckt. Ende 2020 verriet Eben Upton, dass mehr als die Hälfte der damals pro Jahr verkauften sieben Millionen Einheiten an die Industrie oder andere kommerzielle Kunden geliefert wurden.23 Mit alleine 44% macht die Industrie den größten Anteil aus.4
Dies bezieht sich allerdings auf die gesamten Verkäufe. In denen ist auch das Compute Module (kurz CM) enthalten: 2014 erstmals erschienen, ist es derzeit in der vierten Version erhältlich (CM4). Das CM basiert auf dem Raspberry Pi, jedoch mit einigen Anpassungen: eMMC Flash-Speicher statt Karte, PCIe-Schnittstelle und Anschluss für eine externe Antenne. Unter anderem dadurch soll sich das CM besser in eigene Platinen/Systeme einbetten lassen. Baut man darauf auf, können fertige Produkte günstiger und schneller entwickelt werden. In einigen (überwiegend proprietären) Produkten steckt bereits ein Pi, ohne dass die Nutzer davon wissen.
Die Raspberry Pi Ltd. hat Unternehmenskunden auch während der bis Mitte 2023 bestehenden Lieferengpässe bevorzugt beliefert. Ihr Argument: Kommerzielle Kunden verdienen damit ihren Lebensunterhalt. Benötigen diese den Pi für ihre Produkte, stehen Existenzen auf dem Spiel.5 Eine nachvollziehbare Argumentation, die jedoch vor allem durch Privatkunden kritisiert wurde. Während sich die Raspberry Pi Ltd. dort nicht gerade beliebt gemacht hat, ist es bei den Unternehmenskunden genau anders herum: Sie werden mit ihrer Entscheidung zufrieden sein. Auch wer bisher kein kommerzieller Kunde war, wird
ARM bekommt Anteile, Freie RISC-V Architektur damit endgültig weg
Schon länger war innerhalb der Raspberry Pi Gemeinschaft über einen Wechsel von ARM zu RISC-V diskutiert worden. RISC ist ein offener Standard unter der BSD-Lizenz. Ein auf dessen Basis entwickelter Prozessor würde sehr gut zur Philosophie des Raspberry Pi passen – wäre jedoch auch mit Aufwand verbunden.
Diese Diskussion nahm noch einmal Fahrt aus, als zwei Hiobsbotschaften die ARM-Welt aufrüttelten: Nvidia versuchte, ARM Ltd. zu kaufen. Zwar wurde dieser Plan nicht umgesetzt. Jedoch schien dies mehr an den Kartellbehörden zu scheitern, anstatt an den beiden Unternehmen. Kurz nach Abbruch der Übernahme verkündete ARM Ltd., selbst an die Börse gehen zu wollen. Außerdem folgte ein neues Preismodell für ARM-Kunden. Derartigen Risiken wäre man mit einer freien Architektur auf Basis von RISC nicht ausgesetzt.
Obwohl der Raspberry Pi Gründer Eben Upton klar war, dass Nvidia die Übernahme im Erfolgsfall für eigene Zwecke nutzen würde, äußerte er sich Anfang 2023 kritisch zu einem Wechsel: Er sah dennoch derzeit mehr Vorteile im Ökosystem von ARM. Ausgeschlossen war ein Wechsel damit für den erwarteten Raspberry Pi 5 – nicht aber grundsätzlich. Doch wer darauf gehofft hat, möglicherweise RISC-V im Raspberry Pi 6 oder 7 zu sehen, wird enttäuscht sein. In der Pressemitteilung von ARM erklärt Eben Upton:
Die Verwendung der Arm-Technologie als Grundlage unserer aktuellen und zukünftigen Produkte bietet uns Zugang zu der Rechenleistung, der Energieeffizienz und dem umfangreichen Software-Ökosystem, das wir brauchen, um die Einstiegshürden für alle zu beseitigen, von Studenten und Enthusiasten bis hin zu professionellen Entwicklern, die kommerzielle IoT-Systeme in großem Maßstab einsetzen.
Eben Upton, Raspberry Pi Gründer & CEO (übersetzt aus dem Englischen)
ARM ist damit weiterhin als Plattform gesetzt, sogar noch tiefer als bisher. Es gibt seit vielen Jahren eine Partnerschaft zwischen ARM Ltd. und Raspberry Pi Ltd. Nun besitzt die ARM Ltd. eine strategische Minderheitsbeteiligung am kommerziellen Raspberry Pi „Teil“, nämlich der gleichnamigen Limited. Zu welchen Bedingungen genau ist unklar – beide Unternehmen nennen keine Details in der Ankündigung.6
Die Risiken und Nachteile der ARM-Architektur
Auch wenn der Raspberry Pi durch seine enge Verbindung zu ARM Ltd. vermutlich bessere Konditionen aushandeln kann, kostet die Nutzung des fremden Designs Lizenzgebühren. Dazu bleibt eine starke Abhängigkeit – und damit ein gewisses Risiko. Außerdem ist ein vollständig quelloffenes Design mit einem proprietären Prozessor unmöglich, selbst wenn die Raspberry Pi Ltd. das wollte. Dies wurde zwar nicht versprochen, jedoch immer wieder aus der Community gefordert und diskutiert.
Andere Unternehmen wie Google haben zumindest Ersteres erkannt und arbeitet daher mit Qualcomm an einem RISC-V Prozessor für intelligente Armbanduhren.7 Eine spätere Ausweitung auf andere Geräte wie Smartphones ist bereits geplant – Langfristig könnte der Konzern damit von ARM unabhängig werden. Beim Raspberry Pi 5 schien man mit dem RP1 in eine ähnliche Richtung ansetzen zu wollen, in dem Teile der I/O Funktionen vom SoC in den selbst entwickelten Chip wandern – mit Erfolg, die USB 3.0 Leistung hat sich verbessert. Als nächsten großen Schritt hätte ich einen eigenen Prozessor erwartet.
Fazit: Ob das eine gute Idee ist?
Der wird nun wohl ausbleiben bzw. wenn dann eben nur auf ARM-Basis erscheinen. Es ist klar, dass ein Wechsel der Architektur nicht von heute auf morgen möglich ist. Zudem ist das RISC-V Ökosystem noch sehr frisch, vor allem Softwareseitig liegt ARM noch weit vorne. Gerade deswegen wäre es an der Zeit, damit zu beginnen. In ein paar Jahren kann das deutlich besser aussehen – vor allem wenn eine Größe wie der Raspberry Pi darin investiert. Der Pi hat schließlich auch seinen Teil dazu beigetragen, dass ARM über die Jahre zunehmend relevant geworden ist. Das war vor über 10 Jahren schließlich ebenfalls anders.
Nun zeigt sich jedoch: Die Raspberry Pi Ltd. scheint daran gar kein Interesse zu haben. Zwar sind sie strategisches Mitglied in der RISC-V Organisation,8 sogar bereits seit 2019.9 Doch seit dem wurde es sehr ruhig und es gab nicht einmal Ankündigungen zu Plänen, etwas in dieser Richtung machen zu wollen. Stattdessen wird die Verbindung zu ARM noch enger. Bestenfalls ist eventuell noch ein Microcontroller (= Raspberry Pi Pico) mit RISC-V denkbar. Für Raspberry Pis mit vollwertigem Linux dürfte sich dieses Thema erledigt haben.
Das ist schade und aus meiner Sicht sowohl ein Risiko, als auch eine verpasste Chance. RISC-V könnte eine bessere Alternative zu ARM werden. Dafür braucht es größere Unternehmen, durch Investitionen schnellen Fortschritt ermöglichen. Google scheint dazu zu gehören, die Raspberry Pi Ltd. leider offensichtlich nicht.
Quellen
- https://www.heise.de/news/Def-Con-2020-Android-Geraete-ueber-Luecken-in-Snapdragon-Chips-ausspionierbar-4866467.html ↩︎
- https://www.raspberrypi.com/news/supporting-raspberry-pis-industrial-customers/ ↩︎
- https://www.theregister.com/2020/10/19/pi_compute_module_4/ ↩︎
- https://www.theregister.com/2020/12/17/raspberry_pi_to_anoint_design/ ↩︎
- https://www.raspberrypi.com/news/production-and-supply-chain-update/ ↩︎
- https://newsroom.arm.com/news/raspberry-pi-investment ↩︎
- https://www.computerbase.de/2023-10/qualcomm-und-google-smartwatch-soc-mit-risc-v-cpu-fuer-wear-os-geplant/ ↩︎
- https://riscv.org/members/ ↩︎
- https://twitter.com/Raspberry_Pi/status/1081187761418317824 ↩︎