Microsoft hat es sich mit Österreich verscherzt: 16.000 Arbeitsplätze wurden erfolgreich vom proprietären Office-Paket des Konzerns auf das quelloffene LibreOffice umgestellt. Der Hauptgrund liegt im Cloudzwang. Auch zahlreiche Privatanwender sind genervt und möchten sich nicht zu einem Cloudkonto mit allen Nachteilen gängeln lassen. Das Bundesheer beobachtete diese Entwicklung. Nach insgesamt 5 Jahren Vorbereitung folgt die rote Karte für den Software-Konzern, das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Was ist das Bundesheer?
Für alle, die nicht aus Österreich stammen und wenig Kontakte dort hin besitzen, sodass sie mit dem Begriff Bundesheer möglicherweise wenig anfangen können – eine kurze Zusammenfassung als Einstieg: Das Militär in Österreich wird Bundesheer genannt. Die Aufgaben in der Landesverteidigung, Katastrophenhilfe und Unterstützung ziviler Behörden. Es ist im Kern mit der Deutschen Bundeswehr vergleichbar. Im Detail gibt es einige Unterschiede. Beispielsweise hat Österreich einen allgemeinen Grundwehrdienst von 6 Monaten, Deutschland (noch) nicht. Entsprechend der Größe des Landes ist das Bundesheer kleiner: 16.000 Berufssoldaten, 7.000 Grundwehrdiener und 30.000 Angehörige der Miliz.1 Milizsoldaten sind eingegliedert, leben jedoch im Alltag weiterhin primär in einem alltäglichen Beruf.
Weitsicht in Österreich
Wer denkt, dass die durch Donald Trump verursachte Panik der letzten Monate dafür verantwortlich ist, irrt. Österreich ist nicht aus dem Tiefschlaf erwacht, sondern beobachtet die Entwicklung von Microsoft seit Jahren. Was erwartbar ist. Schließlich dürften die Anforderungen an Sicherheit & Kontrolle hier wohl zu den höchsten zählen. Insbesondere der Cloudzwang bereitete große Sorgen. 2020 war man darüber derart alarmiert, dass klar war: Microsoft wird den Kunden auch noch die Kontrolle über ihre Infrastruktur nehmen. Als Konsequenz wurde der Entscheidungsprozess gestartet, um eine bessere Lösung zu finden.
Primäres Ziel war das stärken der digitalen Souveränität. Und zwar abseits von Bullshit-Werbeversprechen, die Microsofts unfreie Dienste mit einem Stück Papier angeblich souverän machen wollen.2 Das ist so seriös, wie auf McD-Burger einen „Sind gesund“ Aufkleber anzubringen. Das Militär in Österreich möchte echte Unabhängigkeit: Selbst betriebene Software, worüber sie die Kontrolle haben. Quelloffene Software, die Transparenz sowie Möglichkeiten zur Anpassung schafft.
Befürchtungen holen die Realität ein
Der damalige Stand mag ein Kompromiss gewesen sein, doch wie lange noch? Schließlich wurde Office 2016 von Microsoft nur bis Oktober 2025 unterstützt. Derzeit steht ein Nachfolger zur Verfügung. Dies überrascht manche, da von einem noch radikaleren Kurs ausgegangen worden war. Allerdings macht deren skrupelloses Vorgehen bereits seit längerem klar: Das wird mittel- bis langfristig verschwinden. Mit Clouddiensten & Abonnements nimmt das Unternehmen derart unfassbar viel Geld ein, dass es Blut geleckt hat. Der klassische dauerhafte Verkauf von Software bringt im Vergleich damit nur Taschengeld.
Mit dieser Prognose lag Österreich komplett richtig. Inzwischen wurden die Daumenschrauben längst angezogen: Microsoft schafft die dauerhaften Exchange Server Lizenzen ab. Wer ihn selbst betreiben möchte, wird zum Abo mit wiederkehrenden Kosten gezwungen.3 Besonders dreist: Die letzten Kaufversionen Exchange 2016 & 2019 wurden beide zum Oktober 2025 eingestellt.4 Das gab es in der Geschichte noch nie. Schließlich ist Exchange 2019 erst 3 Jahre später erschienen und sollte somit deutlich länger unterstützt werden. Offensichtlich kann man es nicht erwarten, die über 100 Milliarden Jahresgewinn in noch viel absurdere Höhen zu treiben – auf Kosten der Kunden.5
Exchange ist hier nur ein Beispiel. Mit Office 365 drängt der Konzern ebenfalls stark in Richtung Cloud. Beispielsweise werden Dateien neuerdings automatisch dort gespeichert, statt auf dem eigenen PC. Unter Windows 11 macht MS gar kein Geheimnis mehr darum: Ein Cloudkonto ist offiziell Voraussetzung, um das System nutzen zu dürfen. Tricks zur Umgehung dieses unliebsamen Zwangs werden zunehmend verfolgt. Das Office 365 Paket ist bereits stark von Clouddiensten abhängig. Dort werden die Daumenschrauben ebenfalls angezogen: Statt auf dem eigenen PC speichert es Dateien standardmäßig in der öffentlichen MS-Cloud.6
Die Microsoft-Abhängigkeit war bereits deutlich weniger schlimm
Zum Abschluss des Projektes hielten die beiden Projektverantwortlichen einen 30-Minütigen Vortrag unter dem Titel Migration to LibreOffice – A step to digital sovereignty; Approach and experiences auf der LibreOffice-Konetenz im September 2025.7 Die insgesamt 15 Folien sind als PDF-Datei frei abrufbar. Ergänzend wurde im Ö1 Podcast Digital.Leben am 16.09.2025 darüber gesprochen.8 Leider ist die Folge nicht mehr abrufbar, da Ö1 diese anscheinend nach 3 Monaten löscht…
Beim Aufzeigen der Projektumgebung offenbart sich eine erste positive Überraschung: Dateien liegen auf Sama-Servern, die mit GNU/Linux betrieben werden. Mail-Dienste (Outlook/Exchange) und Software zur Zusammenarbeit (z.B. SharePoint) von Microsoft kommen nicht zum Einsatz. Lediglich Microsoft Office 2016 Professional, welches noch ohne Cloud auskommt. Exzessiv nutze man Access, außerdem einige VBA-Skripte – vermutlich in MS Excel. IT-Dienste sollen tief in MS Office integriert sein.
Während eine gewisse Abhängigkeit von MS durch das Office-Betrebssystem und damit wahrscheinlich auch Windows gegeben ist, scheint diese noch weitaus weniger eskaliert zu sein, als bei vielen Behörden/Unternehmen. Die Dateien liegen weiterhin lokal unter eigener Kontrolle. Kein Microsoft 365, wodurch diese in die schlecht geschützten öffentlichen Clouddienste des US-Unternehmens abfließen würden.
16.000 Arbeitsplätze werden umgestellt
Insgesamt sind 16.000 Arbeitsplätze betroffen, es handelt sich also um keinen kleinen Umstieg. Zum Vergleich: Im Bundesland Schleswig-Holstein hat man 25.000 PCs von Windows & Office zu GNU/Linux mit LibreOffice migriert. Hier muss man allerdings die Verhältnisse der Bevölkerungsgröße beachten: Österreich hat rund 9,2 Millionen Einwohner. In Deutschland sind es 83,6 Millionen – mehr als 9x so viel.
Nach dem Start 2020 war der Entscheidungsprozess 2021 abgeschlossen. 2022 begann die Detailplanung, worauf die Umsetzung folgte. Konkret hat man interne Entwickler ausgebildet, um notwendige Anpassungen vorzunehmen. Gemeint sind hiermit wohl die zuvor erwähnten Makros. Zu dieser Zeit konnten erste Mitarbeiter auf eigenen Wunsch hin bereits LibreOffice ausprobieren. 2023 bekamen alle Anwender Schulungen, womit der Einsatz von LibreOffice verpflichtend wurde. Dabei holte man sich nach einer Ausschreibung die Unterstützung von CIB, die auf quelloffene Lösungen spezialisiert sind.9
Das Aus für Microsoft Office
2025 ist die Umstellung so weit fortgeschritten, dass man Microsoft Office endlich losgeworden ist: Office 2016 wurde als Standard-Software entfernt. Lediglich für besondere Ausnahmen hält man Office 2024 LTSC vor. Allerdings nur nach vorheriger Genehmigung. Es soll also bei einzelnen Ausnahmen bleiben, die begründet & durch den Vorgesetzten als legitim eingestuft werden müssen. Damit entfällt eine großflächige Erneuerung der 2025 auslaufenden Office 2016 Lizenzen.
Nicht nur nehmen, sondern auch geben
Ein wichtiges Mantra von freier & quelloffener Software ist die des Gebens & Nehmens. Jeder einzelne muss nicht einmal viel dazu beitragen. Wie bei der Schwarmfinanzierung genügt bei vielen Teilnehmern ein relativ geringer Betrag, damit alle von einem tollen Ergebnis profitieren. Kostenreduktion ist dabei durch die Aufteilung immer noch möglich, wenngleich das beim Bundesheer bewusst kein Ziel war. Unabhängigkeit & Flexibilität stehen im Fokus. Man möchte handlungsfähig sein, wenn es im Zweifel alle anderen nicht mehr sind.
Positiv ist, dass man dies erkannt hat: Es wurde aktiv an LibreOffice mitgearbeitet, um die Software zu verbessern. Und das in beachtlichem Umfang: Mehr als 5 Mannjahre fließen zurück in die Community. So können auch andere von den investierten Ressourcen profitieren.
Eine zentrale Übersicht scheint es dazu in Österreich nicht zu geben. Doch dafür enthält die Präsentation auf Folie 13 Auszüge aus Sponsored features. Gemeint sind damit jene Funktionalitäten, die man selbst entwickelt oder erweitert hat. Statt sie nur intern zu verwenden, flossen sie in das LibreOffice-Projekt ein – können also von jedem genutzt werden.
Wie gelingt eine erfolgreiche Migration?
Diese Frage wird häufig gestellt. Zum einen, weil manche Umstellungen scheitern – oft nicht aus technischen Gründen, wie LiMux demonstrierte. Oder aus Interesse heraus, wie es gemeistert werden kann. Viele sind grundsätzliche Themen, die nichts mit LibreOffice, GNU/Linux oder einer anderen Software zu tun haben.
Mit einer Folie dazu schließt die Präsentation ab: Man benötigt ein Projektteam mit ausreichenden Ressourcen sowie Support-Dienste für die Anwender. Das mag offensichtlich klingen. Doch gerade wenn Geld sparen zum Ziel gehört, ist beides nicht unbedingt selbstverständlich. Verwand damit ist auch das Verbessern/Anpassen von LibreOffice. Prinzipiell bei OSS grundsätzlich möglich. Fällt allerdings nicht vom Himmel, sondern erzeugt entsprechenden Aufwand.
Den Plan frühzeitig anzukündigen, sollte ebenfalls einleuchten. Eben so die Nutzung möglichst früh durchzusetzen sowie der Aufbau einer Community. Das wird gerne durch Power-Nutzer gemacht: Sie zu überzeugen, hat ähnliche Wirkung wie eines Botschafters. Statt zu zwingen, werden sie die Software zu den Anwendern bringen. Ein Abgleich der Arbeitsabläufe geht in Richtung Verständnis des Fachbereichs. Eine weitere offensichtliche Weisheit, die in der Praxis oft unzureichend berücksichtigt wird. Beispielsweise durch ausschließlichen IT-Blick.
Nächstes Projekt: GNU/Linux statt Windows?
Zu den restlichen Umstellungen gibt es wenige offizielle, verifizierbare Informationen. Eine Quelle spricht davon, dass zumindest in einem Ressort Mitte 2025 weitgehend auf quelloffene Software (LibreOffice, GNU/Linux & PostgreSQL) umgestellt worden sei.10 Offizielle Quellen oder Bestätigungen konnte ich dazu keine finden, dort ist ausschließlich von LibreOffice die Rede.
Zumindest in der Vergangenheit nutzte man dort Windows. Dies legt alleine der Ist-Zustand mit Office 2016, Access & co. nahe. Außerdem geriet das Bundesheer 2018 in die Schlagzeilen: Sie sollen proprietäre Microsoft-Software mit viel zu wenigen Lizenzen eingesetzt haben. 9.000 gültige Windows & Office Lizenzen sind für rund 17.000 Arbeitsplätze vorhanden gewesen. Des Bundesheer bestreitet dies. Interessant: Details zu den Verträgen blieben unter Verschluss, weil sie Geheimhaltungsklauseln beinhalten.11
Der Schritt, sich als Nächstes Windows zu entledigen, wäre nur folgerichtig & konsequent. Schließlich handelt es sich um unfreie Software, die ebenfalls als potenzielles Sicherheitsrisiko betrachtet werden muss – inklusive Abhängigkeit. Wenn auch weniger extrem, als öffentliche Clouddienste. Mit der MS Office Migration ist die wichtigste Vorarbeit geleistet. Schließlich ist LibreOffice plattformunabhängig für GNU/Linux verfügbar.
Das Microsoft-Zeitalter bröckelt
Österreichs Bundesheer reiht sich in eine zunehmend wachsende Gruppe an Organisationen ein, die nicht länger von einem skrupellosen Großkonzern abhängig sein wollen. Hier wurde die Reißleine beim ausufernden Cloudzwang gezogen, der für das Bundesheer völlig inakzeptabel ist. Meiner Ansicht nach etwas zu spät, doch besser spät als nie. Der Widerstand gegen MS wächst, wie man nicht nur in Schleswig-Holstein sehen kann. Viele weitere Projekte sind in den letzten Jahren entstanden. Zunehmend wachen Organisationen aus der Abhängigkeit auf.
Zeitgleich gibt es immer noch welche, die den Schuss nicht gehört haben. Ein Negativbeispiel ist die Schweizer Bundeskanzlei: Sie versucht bereits seit 2 Jahren, das Land maximal Abhängig von MS zu machen – inklusive Clouddienste, die bekanntlich zahlreiche Risiken (Sicherheitsmängel, Datenschutzprobleme, Kontrollverlust) verursachen. Doch die Schweizer Armee lässt sich nicht um den Finger wickeln: Der Chef lehnt diese unfreien Clouddienste ab und fordert quelloffene Software.12
Es wäre sicher sinnvoll, wenn er mit seinem Kollegen aus Österreich sprechen würde. Bevor er von politisch motivierten Entscheidungen überrannt wird. Die können im Extremfall dazu führen, dass die Schweiz im Notfall von außen handlungsunfähig gemacht wird. Das wäre eine komplette Katastrophe – insbesondere für ein Land, welches stolz auf seine Neutralität & Unabhängigkeit ist.
Fazit: Vieles geht, wenn die Entscheider wollen
Solche Projekte stehen & fallen mit unabhängigen Entscheidern. Sie müssen neutral informiert im Sinne ihrer Organisation bzw. der Bevölkerung handeln. Damit ist klar: MS ist schon lange keine Option mehr, erst Recht nicht mit ihren katastrophalen Clouddiensten. Nach dieser Erkenntnis ist Rückgrat gefragt: Nicht beim kleinsten Gegenwind umfallen, wenn Hardcore-Kapitalisten mit Ausreden jammern, warum ohne Microsoft angeblich alles Still stehen würde.
Es gibt zahlreiche erfolgreiche Umstellungen, die beweisen: Das ist Bullshit. Selbst Google, einer der größten Konzerne weltweit, nutzt seit Jahrzehnten GNU/Linux. Aktuell auf über 100.000 Laptops. Österreich ist nun ebenfalls im Klub, die Migration wurde im September 2025 erfolgreich abgeschlossen.13 Im extrem konservativen Bayern scheint das noch nicht angekommen zu sein. 14 Dort sollte ebenfalls jemand mit den Österreichern sprechen & den Entscheidern erklären, dass die 1990er vorbei sind. Weit haben sie es ja nicht.
Quellen
- https://www.youtube.com/watch?v=qf5TF1mUe_c&t=865s ↩︎
- https://borncity.com/blog/2025/06/17/microsofts-souveraene-cloud-angekuendigt-weisse-salbe/ ↩︎
- https://www.dorner-systems.de/microsoft-exchange-server-se-wird-es-nur-noch-im-abo-modell-geben/ ↩︎
- https://www.borncity.com/blog/2025/01/24/exchange-server-2016-2019-erreichen-im-oktober-2025-ihr-eol/ ↩︎
- https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/716295/microsoft-aktie-wie-der-ki-boom-den-gewinn-ueber-100-milliarden-treibt ↩︎
- https://www.mo-company.com/blog/microsoft-365-zwingt-zur-cloud-so-verhindern-sie-es/ ↩︎
- https://events.documentfoundation.org/libreoffice-conference-2025/talk/JXACRF/ ↩︎
- https://oe1.orf.at/programm/20250916/807304/Freie-Software-fuer-das-Bundesheer ↩︎
- https://www.cib.de/oesterreichische-bundeswehr-weg-zur-digitalen-unabhaengigkeit-mit-cib/ ↩︎
- https://bkftv.at/2025/06/12/bundesheer-zieht-durch-microsoft-raus-open-source-rein/ ↩︎
- https://www.derstandard.at/story/2000071408191/bundesheer-keine-raubkopien-lizenzierung-ordnungsgemaess ↩︎
- https://www.ossdirectory.com/de/topnews/details/schweizer-armeechef-lehnt-wechsel-auf-microsoft-m365-ab-und-fordert-open-source-alternative ↩︎
- https://www.heise.de/news/Oesterreichs-Bundesheer-stellt-auf-LibreOffice-um-10660756.html ↩︎
- https://www.heise.de/news/Cloud-Zoff-in-Bayern-wegen-Milliardenauftrag-an-Microsoft-ohne-Ausschreibung-11114453.html ↩︎







