Microsoft lockte Windows-Nutzer zunächst mit Dark Patterns zum hauseigenen Cloud-Konto. Anfangs optional werden sie zunehmend Pflicht. Der Konzern betont die Vorteile, doch verschweigt gravierende Nachteile. Jeder der noch Windows nutzt, sollte folgende Gefahren kennen – ansonsten kann es zu bösen Überraschungen kommen. Das reicht bis zur Polizei, die früh morgens zur Hausdurchsuchung anrückt.
Was ist ein Microsoft-Konto?
Wie alle anderen großen Technikkonzerne auch, bietet Microsoft seit Jahren eine stetig wachsende Palette an Clouddiensten an: Office 365, Hotmail/Outlook und Xbox sind nur einige Beispiele. Zur Bequemlichkeit wurde ein zentrales Konto eingeführt, mit dem man sich an allen externen Internetdiensten anmelden kann. Bei Google ist das Prinzip ähnlich.
Ein großer Unterschied bei Microsoft: Ihr Windows besitzt das Monopol im Desktop-Bereich und das Unternehmen hat dort sein Cloudkonto ebenfalls eingebaut. Bisher legten Windows-Nutzer bei der Installation ein lokales Konto an. Dies wurde auf dem Gerät selbst erstellt, d.H. man konnte sich damit nur an diesem PC/Laptop anmelden. Alternativ betreiben Unternehmen über das Active Directory (AD) ein Benutzerverzeichnis, damit sich Anwender an ihrem Windows-PC mit den gleichen Konten anmelden können, wie an SAP, dem Intranet und weiteren Diensten.
Mit dem Microsoft-Konto in Windows ändert sich das: Nicht mehr der Benutzer hat die Kontrolle über das Konto, sondern der Konzern. Meldet man sich damit am Computer an, verbindet er sich mit den Cloudservern des Konzerns. Erst wenn die ihr Okay geben, lädt sich der Desktop und der Computer kann genutzt werden.
Eine unnötige Abhängigkeit
Der Konzern verkauft das natürlich als Vorteil: Ein Konto für alles, Synchronisation mit mehreren Geräten und so. Dass jede Medaille zwei Seiten hat, kehrt das Unternehmen unter den Teppich. Analog zur Lebensmittelindustrie. Dort lügt man den Kunden gerne mit einer angeblich „verbesserten Rezeptur“ ins Gesicht – während die Qualität in Wahrheit sogar schlechter geworden ist, weil teure Zutaten aus finanziellen Motiven durch billigere ersetzt wurden.1
Nach dem vorherigen Absatz sollte der größte Nachteil offensichtlich sein: Eine extrem starke Abhängigkeit von Microsoft und dem Internet: Keine Internetverbindung verfügbar? Störungen/Ausfälle beim Anbieter? Konto gesperrt? Dann ist dein PC/Laptop unbrauchbar. Selbst wenn du gar keine Internetanbindung benötigst, weil du z.B. (extra für diesen Fall) lokale Filme oder Dateien auf dem Gerät abgelegt hast. Microsoft erzwingt eine Abhängigkeit, die nur firmenpolitisch zu begründen ist – nicht technisch. Windows hat seit Jahrzehnten eine lokale Nutzerverwaltung, bei der lokale Konten auf dem PC angelegt werden – unabhängig von Internet oder fremden Servern. Diese wird gezielt versteckt, um Nutzer zum Cloudkonto zu leiten.
So viele Dienste wurden schon eingestellt oder eingeschränkt
Microsoft ist derart groß – als ob die untergehen! Den Punkt können wir uns schenken? Mitnichten. Derartiges wurde 1999 beispielsweise von Nokia behauptet, die zu diesem Zeitpunkt mit 203 Milliarden Euro an der Börse gehandelt wurden.2 Nokia war der Marktführer bei Handys, wie Microsoft auf Desktop-Systemen. Bis Anfang in die 2010er Jahre blieben sie das auch. Doch dann kam die Ära der Smartphones, die Nokia nicht marktreif bekam.3 2007 hatten sie noch etwa 50% Marktanteil, versanken 2012 mit 3,5% in der Bedeutungslosigkeit.4 Statt naiv ist es also eher realistisch anzunehmen, dass ein großer Konzern verschwinden könnte. Die damals fünftgrößte Marke der Welt hat nur 6 Jahre gebraucht, um von ganz oben nach ganz unten zu fallen.
Dass sich ein Unternehmen selbst gegen die Wand fährt, ist zudem nicht die einzige Gefahr. Gerade große Konzerne sind breit aufgestellt, haben dadurch jedoch eine hohe Erfolgserwartung. Alleine Google hat in 27 Jahren bislang 297 Dienste eingestellt, weil sie nicht profitabel genug waren.5 Im Schnitt wurde seit der Firmengründung fast jeden Monat ein Dienst abgeschaltet. Microsoft kommt auf 163.6 Dort ist man sogar auf dem Niveau angekommen, Projekte mehrfach sterben zu lassen.7
Beispiel OneDrive: Von ehemals 15 GB sind noch mickrige 5 GB übrig
Einschränkungen und nachteilige Änderungen gab es bereits mehrfach: Als Lockangebot stellte der Cloudspeicherdienst OneDrive jedem Nutzer 15 GB ohne Mehrkosten zur Verfügung. 2016 reduzierte Microsoft dies um Faktor 3 auf nur noch 5 GB. Wem das nicht reichte, der musste zukünftig ein Cloud-Abo abschließen. Ähnliches geschah mit dem im April 2023 eingestellten Teams Classic. Hier wurden sogar Daten gelöscht, wenn Nutzer nicht rechtzeitig ihre Daten sicherten.8
Gut für wen? Cloud lässt Microsofts Geldspeicher platzen
Worauf Microsoft in der Werbung ebenfalls nicht hinweist ist der Umstand, das sie von Clouddiensten am meisten profitieren. Nur durch die neuen Abos wächst Microsoft rasant und hat zeitgleich die finanzielle Sicherheit, über Verlängerungen regelmäßig neue Einnahmen ihrer Kunden zu verfügen.9 Zusätzlich hilft der Konzern noch etwas nach, in dem eine exorbitant steigende Zahl an zusätzlichen Funktionen zum M365 Abo dazu gebucht werden kann.10 Durchaus sind dort Dinge enthalten, die bisher ohne Aufpreis erhältlich waren – etwa in Teams Premium.11
Generell lassen sich Preiserhöhungen deutlich leichter durchdrücken, wenn der Nutzer tief im Ökosystem gefangen ist. Wer als Spieler die Xbox Dienste (auch unter Windows) nutzt, musste alleine 2024 beispielsweise bereits zwei Preiserhöhungen hinnehmen.12
Du musst bei Clouddiensten jederzeit damit rechnen, dass Funktionen geändert oder eingeschränkt werden, mehr/einen Aufpreis kosten oder der Konzern diese sogar entfernt.
Alles ist weg, wenn Microsoft dir das Konto sperrt
Falls du dir denkst: Yolo, mir ist alles egal – soll Microsoft mich doch ausnehmen. Immerhin bin ich ihnen dann wichtig, weil sie ja mit mir ordentlich Geld verdienen. Getreu dem Motto: Der Kunde ist König. Nun, für Microsoft bist du eher das Produkt und selbst dort nur eines aus Millionen. Bereits seit Jahren häufen sich die Fälle, in denen der Konzern Nutzerkonten sperrt – ohne ihnen mitzuteilen, warum. Sie sollen gegen den Servicevertrag verstoßen haben. Betroffene versuchen Microsoft zu Kontaktieren, werden dort jedoch ignoriert.13
In einem Falle wurde nicht nur das Konto gesperrt, der Inhaber bekam über 1 Jahr später Besuch von der Staatsanwaltschaft: Verdachts des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischer Schriften. Ursache war ein einziges Bild aus einer riesigen Fotosammlung, welches ein Kleinkind aus der Familie nackt zeigte.14 Große Cloudanbieter durchleuchten die Daten ihrer Nutzer seit Jahren freiwillig und leiten vermeintlich illegale Pornografie an die Polizei weiter.15 Der OneDrive-Nutzer hatte dabei noch Glück: Bereits 2015 wurde ein anderer Nutzer nachts von einer Hausdurchsuchung überrascht, weil unter tausenden Bildern die KI bei einem den Verdacht auf illegale Pornografie feststellte.16 Das muss übrigens keineswegs bedeuten, dass tatsächlich strafbare Pornografie vorliegt. Die Zahl der Falschmeldungen steigt stetig. Alleine von 2022 auf 2023 hat sie sich verdoppelt.17 Lächerliche 50% beträgt die Trefferquote – statisches Raten. Die naive Denkweise „Wer nichts zu verbergen hat, der hat nichts zu befürchten“ wird noch absurder, als sie es schon immer war.
Spiele im 4-Stelligen Wert sind auch verloren
Hier zeigen sich die Schattenseiten des „Ein Konto für Alles“ Ansatzes. Der Betroffene hatte über 1.000€ in Xbox Spiele investiert. Diese waren verloren, als sein Microsoft-Konto gesperrt wurde. Dass die Sperre mit Xbox nichts zu tun hatte, störte den Konzern nicht. Ist dieser der Meinung, man habe in einem Clouddienst was böses getan, wird das gesamte Konto gesperrt. Solche Fälle wiederholten sich. Sogar während der Pandemie, als ein Arzt um entsprechende Aufnahmen zur Ferndiagnose bat.18
Betroffene haben kaum Möglichkeiten, dagegen vorzugehen.19 Man müsste klagen, jedoch in Irland.20 Microsoft hat diesen Standort ausgewählt, da sie unterbesetzt ist und man bei Datenschutzverstößen meist glimpflich davon kommt.21 Selbst die auf Windows fokussierten Kollegen hinterfragten daher schon vor Jahren, ob ein Microsoft-Konto zum unkalkulierbaren Risiko wird. Sie sehen das Vertrauen in Microsoft schwer geschädigt und raten dazu, auf die Nutzung der Clouddienste zu verzichten. Dort sehe man nahezu täglich neue Meldungen von Betroffenen.22
Microsoft als Gefahr für dich und deine Daten
Dies gilt auch für die Sicherheit der Daten. Microsoft hat schon mehrfach eindrucksvoll demonstriert, dass sie es mit der Sicherheit in den Clouddiensten nicht besonders ernst nehmen. Selbst auf riesige Datenmengen des Konzerns selbst konnten unbefugte spielend leicht zugreifen. Microsofts Clouddienste werden daher aus verschiedenen Kreisen zunehmend als (Sicherheits-) Risiko betrachtet.232425 Die große Abhängigkeit von diesem einen Konzern verhindert den Wettbewerb, sodass Microsoft gar keine Motivation hat, ihren Schweizer Käse abzudichten.
Im Übrigen überwachen die Cloddienste ihre Nutzer noch weitaus mehr, als mit lokalen Konten und lokaler Software. Windows kennt 1.000 Ereignisse, alleine Office 365 dagegen bis zu 25.000 (!). Das fand eine Analyse der niederländischen Regierung heraus – Microsoft selbst sagt dazu wenig und scheint den Überblick verloren zu haben. Da Microsoft keine Möglichkeit zur Abschaltung der Datensammelwut bietet, wurde zur Nutzung lokaler Konten geraten.26 Manche dieser Daten macht Microsoft übrigens den Unternehmenschefs zugänglich, um ihre Mitarbeiter zu überwachen. Nach größeren Protesten im Jahre 2020 schränkte Microsoft dies zumindest etwas ein.27
Die Geschichte des Cloud-Zwangs: Salami-Taktik von Microsoft
Als freiwillige Option mag das akzeptabel sein, wie in vielen anderen Bereichen des Lebens auch. Doch bei Microsoft hält das nicht lange: Sie möchten mehr Nutzer in ihrer Cloud sehen. Da viele Nutzer das nicht freiwillig getan haben, wurden sie mit dem Microsoft-Konto Zwangsbeglückt. Angefangen hat es in Windows 10 mit Dark Patterns, die gutgläubige Anwender zum Wechsel auf das Cloudkonto bewegen sollten. Diese Manipulationsversuche gestaltete der Konzern immer ausgefeilter, bis man den zunehmend versteckteren Knopf zur Einrichtung eines lokalen Kontos in Windows 10 Home gar nicht mehr sieht. Nur durch Tricks wie das Trennen der Internetverbindung mit zurück-vor navigieren ist es über Umwege noch möglich, wenn man weiß wie.28
Ab 2019 nervt Microsoft die Nutzer bei Neuinstallationen und Upgrades dazu, die per MS-Konto angebotenen Dienste wie OneDrive oder Office 365 doch gefälligst zu nutzen. Nachdem sich dadurch wohl nicht genügend haben gängeln lassen, taucht diese Vollbild-Werbung später immer öfter auf.29 Perfide: Sie lässt sich überhaupt nicht abschalten, selbst ein Schließen-Knopf fehlt. Lediglich „Vorerst überspringen“ wird auf den zweiten Blick erkennbar. Die Beschriftung ist kein unwichtiges Detail, sondern stellt klar: Aus Microsofts-Sicht gibt es keine Wahl mehr zwischen lokalem und Cloud-Konto. Du kannst das höchstens auf später verschieben, ein „Nein“ steht überhaupt nicht zur Debatte.
In Windows 11 Home wird ein Microsoft-Cloudkonto von vorneweg zur Mindestanforderung erklärt. Durchgesetzt hat es der Konzern vorerst nur in Home.30 Das war jedoch nur die gleiche Art von kurzfristiger Verschnaufpause – wohl um nicht zu viel negative Kritik auf sich zu ziehen. Einige Monate später wird die Pflicht zum Cloud-Konto auf Windows 11 Pro ausgeweitet.31 Auch andere Dienste wie z.B. das von MS gekaufte Spiel Minecraft müssen sich der Kontopflicht unterwerfen, sonst verhindert ein Update den Start.32
Vor ~20 Jahren: Microsoft bestimmt, ob ihr ein gekauftes Windows legal nutzen dürft
Bisher hat man sich eine Windows-Lizenz gekauft – meist indirekt in Form eines PCs oder Notebooks, bei dem die Lizenz bereits im Preis mit einberechnet wurde. Man legt sich ein lokales Konto an, aktiviert Windows 10 (oder damals dessen Vorgänger) mit dem Lizenzschlüssel und kann Windows unbegrenzt nutzen. Bereits hier ist eine Abhängigkeit enthalten: Die Aktivierungsserver von Microsoft. Seit Windows XP genügt ein Lizenzschlüssel nicht mehr. Sondern man muss diesen bei Microsoft aktivieren – wahlweise per Telefon oder Internet.33
Wie spielt man beispielsweise ältere Spiele in X – XX Jahren, wenn Microsoft die Produktaktivierung für diese Version längst eingestellt hat? Bereits bei Windows XP hat Microsoft die Lizenzaktivierung selbst nach dem Lebensende 2014 nicht abgeschaltet.34 Die Aktivierungsserver blieben vorerst online, jedoch nur drei Jahre lang bis 2017.35 Nun müssen sich Nutzer andere Wege suchen – obwohl sie eine Lizenz erworben haben. Das Web ist voll davon. Manche bewegen sich rechtlich in einer Grauzone oder sind illegal, da es sich nach wie vor um proprietäre Software handelt. Ältere Windows Versionen erzwingen keine Aktivierung bei Microsoft: Man gibt den Lizenzschlüssel ein und kann das Betriebssystem nutzen – so einfach könnte es sein. Jahrzehnte später hat Microsoft diese Benachteiligung der Kunden nicht aufgehoben – Im Gegenteil. Der Konzern ist ein großer Fan von Digitaler Rechteverwaltung (DRM).
Werbung, Werbung und Abos
Wer vor einigen Jahren Windows 10 installiert & eingerichtet hat, wird schockiert sein, wenn er das Gleiche 2024 mit einem Windows 11 System inklusive MS Cloudkonto macht: Bereits bei der Einrichtung wird man mehrmals mit Dark Patterns dazu gedrängt, doch bitte wenigstens einen Dienst zu abonnieren. Es fängt mit einem „Angebot“ an, Microsoft 365 für 30 Tage kostenlos zu testen. Das ehemals Office 365 genannte Paket umfasst diverse Office-Programme im Monats- oder Jahresabo. „Glück“ ist hier übrigens irreführend. Es handelt sich um eine geschickte Werbemaßnahme, die jedem angezeigt zu werden scheint.
Natürlich geschieht all das nicht ohne Hintergedanke – wer das Angebot annehmen möchte, muss eine Kreditkarte hinterlegen. Nur so kann der Konzern das vermeintlich kostenfreie Probeabo nach einem Monat automatisch verlängern, falls der Nutzer vergisst zu kündigen.
Wer darauf nicht eingeht, bekommt die nächste Werbung zu Gesicht. Der „Game Pass“ von Xbox ist Microsofts Abo-Dienst für Spiele. Hier ist das Unternehmen weniger Großzügig: Statt eines kostenlosen Tests muss 1€ für den Probemonat bezahlt werden. Spannend ist die Beschriftung des Knopfes für jene, die das nicht möchten: Während man M365 noch „ablehnen“ konnte, wird hier lediglich „Vorerst überspringen“ erlaubt. Wozu gibt es diese Hintertür? Wer das Abo hier verweigert, wird zukünftig so lange mit Werbung gegängelt, bis er kauft?
Selbst wenn das nicht der Fall ist und es sich lediglich um eine ungünstige Übersetzung handeln sollte – bereits jetzt ist Windows total mit Werbung zugemüllt, ständig wird es mehr.
Ein Auszug der jüngsten Errungenschaften:
- Wer Windows 10 nutzt, erhält ungefragt Werbung für Windows 11, die sich über den gesamten Bildschirm legt.36
- Ihr wollt wissen, wie das Wetter ist? Windows hat dafür eine App, jedoch inzwischen voller Reklame.37
- Mit dem Startmenü hat Microsoft Werbung an einer alltäglich genutzten Stelle eingebaut.38 Natürlich ohne Kennzeichen, damit sie vor allem bei unbedarften Nutzern besser wirkt.39
- Möchte man Systemeinstellungen ändern, missbraucht Microsoft das, um euch z.B. Spieleabos aufs Auge zu drücken.40
Sollte ein Betriebssystem eine digitale Litfaßsäule sein? In meinen Augen ist das dort komplett Fehl am Platz. Es soll primär dazu dienen, Anwendungsprogramme zu starten und diese möglichst produktiv zu nutzen. Den Nutzer mit Reklame von dem abzuhalten, was er machen möchte, ist das genaue Gegenteil davon. Besonders dreist finde ich das, weil Windows-Nutzer für ihre Lizenz bezahlt haben. Auch bei den Fertig-PCs ist sie im Kaufpreis enthalten. Man stelle sich vor, der Autoverkäufer klebt Monate oder Jahre nach dem Kauf plötzlich ständig neue Werbefolien auf das bezahlte Auto. Würdet ihr euch für diesen Dienst bedanken? Wohl kaum, sondern ihn daran erinnern, wer das Auto erworben hat.
Nicht jeder Werbeplatz ist eine Folge des zur Anmeldung genutzten Cloud-Kontos. Allerdings erhöht dies die Werbeflut und schafft für MS neue Motivation: Wer bereits mit Online-Konto angemeldet ist, wird zum leichteren Ziel. Schließlich sinkt die Hemmschwelle, für ein Abo zunächst noch ein MS-Konto anzulegen. Es genügt maximal die Eingabe von Zahlungsdaten, sofern diese nicht bereits hinterlegt sind. Das dürfte auch einer der Gründe sein, warum Windows 11 ein solches MS-Konto erzwingt – in kleinen Schritten führt man die Nutzer per Salami-Taktik ans gewünschte Ziel, wo sich weit mehr Geld verdienen lässt, als mit klassischen Software-Lizenzen.
Aber aber die anderen: Apple macht das doch auch so!
Immer wieder wird mit den mobilen Plattformen argumentiert: Wer ein Apple iOS oder Android-Smartphone nutzt, der müsse schließlich ebenfalls ein iCloud respektive Google-Konto anlegen. Bereits das stimmt so nicht: Man kann die Einrichtung von Google bei Android überspringen.41 Generell hat man dort noch vergleichsweise viele Freiheiten. Custom-ROMs wie /e/OS ermöglichen es, Android komplett ohne Google-Dienste zu verwenden.42 Übrigens kritisiere ich den Konto-Zwang von Apple ebenfalls – wie einige andere Dinge, bei denen Apple die Freiheit der Kunden nicht respektiert. Denn genau darum geht es: Die unfreien Verhaltensweisen.
Und das passiert auf dem eigenen Gerät. Stell dir vor, du kaufst eine DVD oder Blu-ray. Um sie abspielen zu können, müsstest du dir ein Konto beim Produzenten machen. Ohne Cloud-Login, kein Film. Dieser Vergleich hinkt schon deutlich weniger, weil es technisch keinen Grund gibt, die Wiedergabe ohne das Konto zu verweigern. Außerdem hast du die Kopie des Filmes zur dauerhaften Wiedergabe erworben. Bei z.B. Netflix dagegen haben wir eine ganz andere Ausgangslage: Sie verlangen ein Konto, um Zugang zu Filmen zu gewähren, deren physische Kopien dir nie gehören. Kündigst du das Abo, erlischt der Anspruch auf die Inhalte – vergleichbar mit einer Mitgliedschaft im Fitness-Studio. Hier kann zudem damit argumentiert werden, dass beide (Netflix & Fitness-Studio) dich als zahlenden Kunden identifizieren müssen. Ein selbst gekauftes Trainingsgerät dagegen eben so wenig, wie die gekaufte Scheibe.
Ein Pseudo-Argument
Das Pseudo-Argument „die anderen machen das auch“ akzeptiere ich übrigens generell nicht. Wenn alle aus dem Fenster springen, wird es dadurch gut, sodass du es ebenfalls tust? Hoffentlich nicht, ohne es selbst als sicher zu erachten. Diese Argumentation hat schon in der Schulzeit wenig geholfen, wenn man mit der Note 4 zu den Eltern kam und beteuerte: „Aber die anderen haben auch schlechte Noten“. Haben eure Eltern geantwortet: „Achso, na dann ist alles gut, hier hast du armer 50€“? Wahrscheinlich nicht. Der Punkt ist nämlich: Die Note wird nicht besser, nur weil andere ebenfalls schlecht waren. 4 bleibt 4, egal ob die anderen 1er oder 6er haben.
Dabei handelt es sich um eine Nebelkerze als Rechtfertigung. In der Psychologie nennt man so etwas Rationalisierung.43 Wenn andere ebenfalls schlecht sind, kann es schließlich nicht an dir liegen, oder? Es war die schwere Klausur. Hier hilft der nächste Effekt: Verantwortungsdiffusion.44 In einer Gruppe fühlen sich Menschen tendenziell weniger verantwortlich.45 Daher sammeln sich an Unfallstellen gerne Menschenmassen, die nicht helfen – warum soll ausgerechnet ich etwas tun? Es sind ja auch noch 10 andere da. Alleine entfällt diese Möglichkeit, um die Untätigkeit vor sich selbst zu rechtfertigen.
Nach diesem Schema wird jedoch immer wieder argumentiert. Bei den Windows 11 Einschränkungen zum Beispiel gab es auch ein paar, die das schulterzuckend hinnehmen, weil Apple die Unterstützung von MacOS schon länger nach ein paar Jahren einstellt. Ist genau dasselbe inhaltsleere Argument. Der Logik nach könnten wir so ziemlich jede Gängelung hinnehmen, weil sich immer jemand findet, der noch krasser drauf ist. Wie 40 Stunden Woche und ihr wollt 30h? In Japan sind 80+ Arbeitsstunden üblich.46 Also heult gefälligst nicht herum, sondern hängt mal lieber ein paar Überstunden an die 40h dran, faules Pack!!!111einself
Fazit: Das Microsoft Cloud-Konto ist ein erhebliches Risiko auf vielen Ebenen
Schiebt alles in unsere Cloud, da ist alles einfach und sicher. Wenn ihr nicht wollt, helfen wir gerne nach – so könnte man Microsofts Haltung zusammen fassen. Wie so oft entpuppt sich die Werbung meist bestenfalls als Halbwahrheit, oder gar als plumpe Lüge: „Actimel aktiviert Abwehrkräfte“ lässt grüßen, was mittlerweile als dreiste Werbelüge verboten ist.47
Windows mit einem Cloudkonto zu nutzen, schafft Abhängigkeit, schadet der Privatsphäre noch mehr und die Verwendung von Microsofts Clouddiensten ist ein erhebliches Risiko für die Sicherheit der eigenen Daten. Insbesondere Unverschlüsselt muss man damit rechnen, dass „künstliche Intelligenz“ diese Daten analysiert und auffällige Inhalte an die Polizei weiterleitet. Die Zahl der Falschmeldungen ist dabei massiv – jeder hat dabei etwas zu befürchten. Folglich bleibt an dieser Stelle nur, klar vor der Verwendung eines Microsoft-Kontos in Windows zu warnen. Eben so wie dem ungeschützten Speichern persönlicher Dateien in fremden Clouddiensten wie OneDrive.
Quellen
- https://www.vzhh.de/themen/lebensmittel-ernaehrung/einkaufsfalle-supermarkt/skimpflation-lebensmittel-von-schlechterer-qualitaet ↩︎
- https://www.heise.de/news/Nokia-Nummer-1-in-Europa-17779.html ↩︎
- https://www.elektroniknet.de/kommunikation/nokia-stuerzt-von-platz-1.81000.html ↩︎
- https://www.umweltdialog.de/de/wirtschaft/businesscase/2018/Erfolgreich-sterben-Das-Beispiel-Nokia.php ↩︎
- https://killedbygoogle.com/ ↩︎
- https://killedbymicrosoft.info/ ↩︎
- https://winfuture.de/news,138054.html ↩︎
- https://bellmatec.de/microsoft-teams-classic-wird-eingestellt/ ↩︎
- https://www.heise.de/news/Microsoft-steigert-Einnahmen-staerker-als-erwartet-dank-Cloud-Wachstum-und-KI-9613764.html ↩︎
- https://www.drwindows.de/news/kostenfalle-microsoft-365-immer-mehr-komponenten-gibt-es-nur-gegen-aufpreis ↩︎
- https://www.computerwoche.de/a/wichtige-teams-funktionen-bald-nur-noch-gegen-aufpreis,3613589 ↩︎
- https://www.inside-digital.de/news/preiserhoehung-bei-microsoft-das-kommt-auf-windows-und-xbox-nutzer-zu ↩︎
- https://www.drwindows.de/news/microsoft-konto-gesperrt-und-der-support-stellt-sich-tot ↩︎
- https://www.drwindows.de/news/fotosammlung-auf-onedrive-erst-kam-die-kontosperre-dann-der-staatsanwalt ↩︎
- https://www.heise.de/news/Google-scannt-Cloud-Dateien-nach-rechtswidrigen-und-schaedlichen-Inhalten-6298682.html ↩︎
- https://www.lawblog.de/archives/2015/01/12/eine-datei/ ↩︎
- https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/kinderpornografie-zahl-der-falschen-verdaechtigungen-bei-online-bildern-massiv-gestiegen-a-a746b118-82e7-4560-8ba4-45f02489768c ↩︎
- https://www.drwindows.de/news/konto-sperrfalle-onedrive-vorsicht-vor-dem-upload-privater-fotos ↩︎
- https://www.drwindows.de/news/microsoft-bitte-nachmachen-google-bietet-einspruchsverfahren-gegen-kontosperrungen ↩︎
- https://www.drwindows.de/news/gesperrte-microsoft-konten-das-sagt-der-anwalt ↩︎
- https://netzpolitik.org/2023/irland-datenschutz-hinter-verschlossenen-tueren/ ↩︎
- https://www.drwindows.de/news/wird-die-nutzung-eines-microsoft-kontos-zum-unkalkulierbaren-risiko ↩︎
- https://www.borncity.com/blog/2023/08/03/sicherheitsrisiko-microsoft-azure-schwachstelle-seit-mrz-2023-ungepatcht-schwere-kritik-von-tenable-teil-2/ ↩︎
- https://www.deraktionaer.de/artikel/medien-ittk-technologie/alphabet-meckert-ueber-microsoft-erhebliches-risiko-fuer-nationale-sicherheit-20334232.html ↩︎
- https://www.notebookcheck.com/Ehemaliger-Direktor-fuer-Cyber-Politik-im-Weissen-Haus-sieht-Microsoft-als-nationales-US-Sicherheitsrisiko.830508.0.html ↩︎
- https://blog.ashampoo.com/de/2018-11-27/der-fleissigste-datensammler-auf-ihrem-rechner-ist-nicht-windows ↩︎
- https://netzpolitik.org/2020/microsoft-office-365-ueberwachung-des-verhaltens-angestellter-soll-beschraenkt-werden/ ↩︎
- https://www.netzwelt.de/anleitung/177434-windows-10-home-installation-lokalem-konto-erzwingenso-gehts.html ↩︎
- https://www.gamestar.de/artikel/windows-10-update-fullscreen-meldung-nutzen,3358590.html ↩︎
- https://www.computerbase.de/2021-06/windows-11-neuerungen-upgrade-pfad-und-anforderungen-im-detail/#abschnitt_msaccountpflicht_fuer_windows_10_home ↩︎
- https://www.computerbase.de/2022-05/windows-11-22h2-pro-account-pflicht/ ↩︎
- https://www.netzwelt.de/news/199193-minecraft-microsoft-sperrt-konto-morgen-handelt.html ↩︎
- https://support.microsoft.com/de-de/windows/produktaktivierung-f%C3%BCr-windows-online-und-supporttelefonnummern-35f6a805-1259-88b4-f5e9-b52cccef91a0 ↩︎
- https://www.heise.de/news/Windows-XP-Microsoft-aktiviert-auch-nach-Ablauf-des-Support-Zeitraums-2090082.html ↩︎
- https://www.connect-living.de/ratgeber/windows-xp-kostenlos-virtualbox-download-3198436-16176.html ↩︎
- https://www.golem.de/news/windows-10-bildschirmfuellende-werbung-fuer-windows-11-ist-zurueck-2402-181960.html ↩︎
- https://www.golem.de/news/wetter-app-mehr-werbung-in-windows-11-2407-186610.html ↩︎
- https://futurezone.at/b2b/windows-11-werbung-im-startmenue-kommt-update-wie-ausblenden/402870602 ↩︎
- https://windowsarea.de/2024/04/microsoft-testet-neue-startmenue-werbung-in-windows-11-ohne-kennzeichnung/ ↩︎
- https://winfuture.de/news,143651.html ↩︎
- https://www.techbook.de/mobile-lifestyle/android-ohne-google-konto ↩︎
- https://e.foundation/de/e-os/ ↩︎
- https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/rationalisierung/12462 ↩︎
- https://lehrbuch-psychologie.springer.com/glossar/verantwortungsdiffusion-1 ↩︎
- https://de.linkedin.com/pulse/verantwortungsdiffusion-frank-a-walter ↩︎
- https://www.japandigest.de/aktuelles/kolumne/karoshi-neuer-diskurs/ ↩︎
- https://www.t-online.de/leben/aktuelles/id_54729936/schluss-mit-actimel-aktiviert-abwehrkraefte-.html ↩︎