Illegales Monopol: Verliert Google den Chrome-Browser?

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Illegales Monopol: Verliert Google den Chrome-Browser?

Chrome ist der mit Abstand verbreitetste Webbrowser. Doch der Boden für Google wird dünner, es droht ein historisch einmaliges Urteil. Nachdem ein US-Gericht das illegale Aufrecht erhalten seiner Monopolstellung bei der Websuche festgestellt hat, wird über eine Zerschlagung nachgedacht. Im Fokus steht Chrome mit 49,5% Marktanteil alleine in Deutschland. Weltweit ist die Marktmacht mit rund 66,7% noch größer.1 Was Google vorgeworfen wird und welche Konsequenz das für die zahlreichen Nutzer des Browsers haben kann, zeigt dieser Beitrag.

Warum Google dauernd wegen Marktmissbrauch verklagt wird

Als einer der weltweit größten Konzerne ist Google mit vielen Klagen konfrontiert. Vor allem in der EU kommt es immer wieder zu Verurteilungen. Ein Beispiel: Google hat beim Preisvergleich seine eigenen Dienste ganz oben platziert. Das bewertete der Europäische Gerichtshof als Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung und verhängte eine Strafe von 2,42 Milliarden Euro.2

Nur wenige der vielen Urteile haben eine größere Bedeutung. Darunter 2018 die mit 4,3 Milliarden Euro höchste Strafzahlung gegen ein einzelnes Unternehmen. Der Grund war Googles Vorgabe, dass Hersteller von Android-Smartphones mit verschiedenen Apps von Google ausstatten müssen.3 Vor allem der Chrome-Browser wurde von der EU als Wettbewerbswidrig gesehen. Da er als Standard-Browser vorinstalliert ist, konnte er auf Mobilgeräten schnell einen hohen Marktanteil erreichen: Von Anfang 2013 bis Anfang 2015 stieg er auf 30%.4 Gute zwei Jahre später war die 50% Marke geknackt – ein Beispielloser aufstieg, von dem sämtliche Konkurrent nur träumen kann.5 Selbst Apple hat in diesem Zeitraum sogar Marktanteile verloren.

Dank der zwanghaften Installation in Android wuchs Google Chrome innerhalb weniger Jahre zum dominierenden Browser auf allen Mobilgeräten

Kartellverfahren: „Dieser Fall betrifft die Zukunft des Internets“

2023 wurde Google in einem Kartellverfahren vorgeworfen, den Wettbewerb rechtswidrig ausgehebelt zu haben. Etwa durch Verträge mit großen Smartphone-Herstellern wie Apple und Samsung, bei denen sich Google als Standardsuchmaschine einkaufte. Alleine Apple und Samsung bekommen dafür zusammen 18 Milliarden US-Dollar pro Jahr.6 Für den Konzern geht es um viel Geld: Rund 73% seiner Einnahmen werden mit Werbeeinnahmen über die Google-Sucher erzielt.

Im Prozess ging es maßgeblich um die Frage, wie wichtig eine Standardeinstellung wie z.B. die voreingestellte Suchmaschine ist. Google ist der Auffassung, der Nutzer könne sie leicht ändern, wolle das aber gar nicht. Dem entgegen stehen die Milliardenzahlung für die Standardsuchmaschine.7

Dieser Fall betrifft die Zukunft des Internets

Kenneth Dintzer, Vertreter des klagenden Justizministerium zur Eröffnung des Prozesses

Der Richter entschied großteils gegen Google und stellte fest: Es handelt sich um ein illegales Monopol. Mit diesen Verträgen zur Standardsuche wurde es gefestigt.8 Große Konzerne wie Apple werden dadurch davon abgehalten, selbst eine Suchmaschine als Konkurrent zu starten. Googles Suche konnte ihren Marktanteil daher von etwa 80% im Jahr 2009 auf 90% bis 2020 ausbauen – während selbst Microsofts Bing als nächst größerer Anbieter mit unter 6% weit abgeschlagen ist. Außerdem kontrolliert der Gigant mit Google Ads die Preise für Internetwerbung.9

Bereits dieses Urteil ist historisch einmalig, seit Microsoft in den 1990er Jahren im „Browserkrieg“ seine marktbeherrschende Stellung mit Windows und dem hauseigenen Internet Explorer missbraucht hatte.

Google droht die Zerschlagung – läuft es wie bei Microsoft?

Das Justizministerium der USA plant zusammen mit mehreren US-Bundesstaaten eine weitere Klage, um Googles Marktmacht zu brechen: Neben Auflagen für die Daten der Suche soll der Konzern zumindest teilweise zerschlagen werden, in dem sich der Chrome-Browser abspaltet. Aus ihrer Sicht ist der Webbrowser die entscheidende Komponente, um das Monopol aufrecht zu erhalten.10 Google bestimmt zudem die Werbepreise.

Neben dem gegenseitigen Umleiten von Nutzern auf andere Google-Dienste steht vor allem das Sammeln von Nutzerdaten im Fokus. Davon sammelt die Software reichlich.11 Bereits 2008 warnte sogar das BSI vor dessen Daten-Sammelwut.12 Selbst vor dem schnüffeln im Inkognito-Modus, der für sensible Aufrufe ohne Protokollierung gedacht ist, schreckt der Konzern nicht zurück.13

Warum ist Google Chrome so wichtig?

Offensichtlich ist die voreingestellte Standardsuchmaschine – wer Chrome nutzt und etwas sucht, landet automatisch bei Google. Mit dem Browser sitzt Google aber am zentralen Programm für den Internetzugriff. Das erweitert nicht nur die Macht erheblich: Beispielsweise hat das Unternehmen bereits 2018 eine enge Verzahnung mit der Anmeldung zur Synchronisation im Browser mit Google-Diensten vorgenommen und meldet Nutzer automatisch an.14

Der Konzern bekommt dadurch Einblick in das komplette Surfverhalten – dadurch erfahren sie z.B. Details über die Nutzung von konkurrierenden Diensten. Google betonte immer, keine Daten von Chrome mit ins Ranking der Suchmaschine einfließen zu lassen. Geheime Interne Unterlagen belegen jedoch das Gegenteil.15 Schlussendlich bringt der Browser noch mehr Daten, womit sich mehr Geld aus euch heraus holen lässt.

Welche Macht man durch die Kontrolle des verbreitetsten Browsers hat, zeigt die Manifest V3 Thematik. Eine neue Schnittstelle soll laut Google die Sicherheit verbessern, schränkt jedoch Erweiterungen ein – darunter vor allem beliebte Werbeblocker. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, was ich damals prognostiziert hatte: Manifest V3 macht Erweiterungen kaum sicherer.16 Trotz dieser wackeligen Argumentation beginnt Chrome damit, Manifest V2 abzuschalten.17 Das reduziert den Funktionsumfang von Adblockern, manche Erweiterungen werden sogar unbrauchbar.18 Auch WEI kann zu neuen Einschränkungen für Nutzer führen. Als Quasi-Monopolist kann Google solche Dinge eigenständig durchdrücken – und profitiert davon.

Wie geht es „im Prozess des Jahrhunderts“ mit Chrome weiter?

Das Urteil zu Googles illegalem Monopol geht auf ein über 100 Jahre altes Gesetz zurück, welches die Behinderung des Wettbewerbs verbietet. Es entstand im Ölrausch, um 1911 den damaligen Monopolisten Standard Oil zu zerschlagen. In den letzten Jahrzehnten sah man Marktmissbrauch in den USA weniger kritisch. Das letzte große Urteil stammt aus dem Jahre 2001: Nach dem „Browserkrieg“ wurde Microsoft wegen illegalen Geschäftspraktiken zur Zerschlagung verurteilt. Anwendersoftware (Internet Explorer, Media Player usw.) müssen vom Betriebssystem getrennt werden. Auch damals ging es vor allem um den Browser Internet Explorer, der eng mit Windows verzahnt war. Durch einen Präsidentschaftswechsel wurde MS jedoch begnadigt und kam mit deutlich schwächeren Auflagen davon.

Etwas ähnliches droht bei Google ebenfalls: Inzwischen ist Donald Trump Präsident der USA. Zumindest im Wahlkampf äußerte er sich noch skeptisch zu einer Zerschlagung des Konzerns. Der Prozess und die Entscheidung werden voraussichtlich erst im Sommer 2025 folgen.19

Selbst wenn es diesmal wirklich zu einer Zerschlagung kommen sollte, bleibt vieles offen. Beispielsweise, wer im Falle eines Verkaufs überhaupt die Mittel hat, um Chrome zu übernehmen. Schließlich hat der Browser bereits eine immense Marktmacht und ist daher finanziell wertvoll. Schätzungen gehen von 15 – 20 Milliarden US-Dollar aus.20 Große Konzerne mit entsprechenden finanziellen Mitteln stehen teilweise ebenfalls im Verdacht, gegen Kartellrecht zu verstoßen.21 Oder könnten dies mit Chrome tun. Beispielsweise, wenn Amazon seinen Marktplatz prominent im Browser integriert.

Lösen ließe sich das, wenn Chrome nicht verkauft, sondern an eine gemeinnützige Organisation wie The Linux Foundation übergeben wird. Dort können die Interessen der Nutzer und eines freien Internets im Vordergrund stehen, statt finanzieller Motive. Dies käme einer Enteignung gleich – ob das Gericht derart weitsichtig handelt, steht in den Sternen.

Fazit: Google handelt nur auf Druck in unserem Sinne

Google hat früher Pionierarbeit im Web geleistet. Doch lange Zeit wurden sie dafür so sehr glorifiziert, dass ein Monopol mit wohl einmaliger Dimension entstehen konnte. Dabei handelt es sich um einen Konzern, dessen einzige Ziele Wachstum & Profitmaximierung sind. Seit Jahren wird dies immer offensichtlicher. Es ist längst überfällig, diesem ungebremsten Wachstum auf unsere Kosten Grenzen aufzuzeigen. Konzerne verzichten schließlich systembedingt nicht freiwillig auf Geld.

Mittlerweile fragt Chrome beispielsweise bei der ersten Einrichtung, welche Suchmaschine man benutzen möchte.22 Nun auch auf dem Desktop, nachdem dies unter Android bereits 2019 eingebaut wurde.23 Das geschieht nicht aus sozialem Engagement oder gar Einsicht. Sondern weil neue Gesetze (endlich) beschränken, wie sehr ein Milliardenkonzern seine Marktmacht missbrauchen darf. Bei Microsoft gab es all das schon unter Windows – allerdings ebenfalls zu spät.

Es gibt auch eine gute Nachricht: Keiner muss auf ein Urteil warten, bei dem Google möglicherweise nur mit einem blauen Auge davon kommt, wie früher Microsoft. Jeder kann durch die Deinstallation sofort etwas tun und stattdessen mit Mozilla Firefox den letzten verbleibenden freien Browser mit (noch halbwegs) relevanten Marktanteilen stärken. Wenn der auch noch verschwinden sollte, sind wir dem Chrome-Monpol endgültig ausgeliefert. Das kann keiner wollen – oder wann war zuletzt ein Monopol positiv für Nutzer? Egal ob MS Windows oder Glühbirnen-Kartell, mir fällt nicht eines ein…

Quellen

  1. https://gs.statcounter.com/browser-market-share/all ↩︎
  2. https://www.spiegel.de/netzwelt/web/google-und-sein-preisvergleichsdienst-eugh-bestaetigt-milliardenstrafe-a-fb80df6a-45fb-4b3a-8aa8-b9bd9262c33e ↩︎
  3. https://www.deutschlandfunk.de/eu-rekordstrafe-google-muss-4-3-milliarden-euro-zahlen-100.html ↩︎
  4. https://gs.statcounter.com/browser-market-share/mobile/worldwide/#monthly-201201-202410 ↩︎
  5. https://winfuture.de/infografik/26960/Browsermarkt-Der-steile-Aufstieg-von-Google-Chrome-1693816752.html ↩︎
  6. https://www.heise.de/news/Prominente-Platzierung-Google-zahlte-Milliarden-an-Samsung-9528705.html ↩︎
  7. https://www.computerbase.de/2023-09/google-als-standardsuche-kartellverfahren-wegen-milliarden-abkommen-mit-apple-und-co/ ↩︎
  8. https://www.computerbase.de/2024-08/historisches-urteil-in-den-usa-google-droht-zerschlagung-wegen-illegalem-monopol/ ↩︎
  9. https://winfuture.de/news,144339.html ↩︎
  10. https://www.computerbase.de/news/wirtschaft/wegen-illegalem-monopol-us-regierung-will-dass-google-den-browser-chrome-verkauft.90347/ ↩︎
  11. https://www.datenschutz.org/chrome-datenschutz/ ↩︎
  12. https://www.manager-magazin.de/digitales/it/a-576704.html ↩︎
  13. https://www.n-tv.de/wirtschaft/Google-loescht-Informationen-von-Millionen-Chrome-Nutzern-article24843160.html ↩︎
  14. https://www.zdnet.de/88342961/google-meldet-nutzer-automatisch-bei-chrome-an/ ↩︎
  15. https://futurezone.at/digital-life/google-suche-algorithmus-ranking-seo-dokument-leak-optimierung/402906192 ↩︎
  16. https://tarnkappe.info/artikel/it-sicherheit/chrome-erweiterungen-bleiben-sicherheitsrisiko-studie-belegt-schwachstellen-304027.html ↩︎
  17. https://www.heise.de/news/uBlock-Origin-Die-Abschaltung-von-Manifest-V2-hat-begonnen-9985221.html?view=print ↩︎
  18. https://winfuture.de/news,144301.html ↩︎
  19. https://www.dw.com/de/was-ist-google-ohne-chrome-noch-wert/a-70828960?maca=de-rss-de-all-1119-xml-mrss ↩︎
  20. https://www.inc.com/jason-aten/why-the-governments-plan-to-force-google-to-sell-chrome-wont-work/91021629 ↩︎
  21. https://www.heise.de/news/Nach-Monopol-Urteil-US-Regierung-will-Google-und-Chrome-trennen-10051619.html?view=print ↩︎
  22. https://winfuture.de/news,140016.html ↩︎
  23. https://www.borncity.com/blog/2019/06/12/android-google-zeigt-wohl-die-browserauswahl-juni-2019/ ↩︎

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