Wer selbst ein Betriebssystem nach Wahl auf einem Smartphone installieren möchte, muss zuerst den Bootloader entsperren. Die Hersteller gestalten diesen Prozess zunehmend komplizierter, weswegen ich diesen im Folgenden Artikel für das G6 von LG beschreibe. Zu beachten ist: Das Entsperren wird auch zunehmend eingeschränkt, weswegen der folgende Weg nicht für alle Editionen des G6 funktioniert.
Vorbereitung
IMEI ermitteln
In der obersten Leiste nach unten wischen, Einstellungen öffnen
Die IMEI notieren.
USB-Debugging aktivieren
Entwicklermodus
Öffnet wie oben beschrieben die Einstellungen und tippt auf Über das Telefon > Allgemein. Dieses Mal aber Software-Information auswählen:
Anschließend tippt ihr sieben Mal unten auf „Build-Number“, um den Entwickler-Modus zu aktivieren. Ein Zähler zeigt unten an, wie oft noch getippt werden muss:
Falls das Handy einen Pin oder anderen Entsperrcode besitzt, muss dieser aus Sicherheitsgründen eingegeben werden. Im Anschluss bestätigt euch ein kleiner Dialog, dass der Entwicklermodus erfolgreich aktiviert wurde:
OEM Entsperrung aktivieren
Erneut die Einstellungen öffnen und auf Über das Telefon > Allgemein. Nun erscheint ein neuer Eintrag namens Entwickleroptionen
Die erscheinende Warnmeldung mit OK bestätigen und OEM-Entsperrung ermöglichen aktivieren:
Auch hier erscheint wieder eine Warnmeldung, die mit AKTIVIEREN bestätigt werden muss.
In der Liste weiter nach unten scrollen und USB-Debugging aktivieren unter Fehlersuche einschalten sowie die Popup-Meldung bestätigen.
ADB herunterladen und Geräte-ID ermitteln
Vorbereitung für eine erfolgreiche Verbindungsaufnahme
Damit wir die ADB nutzen können, darf das Handy nicht als Mediengerät verbunden sein. Mit anderen Worten: Wenn ihr den Explorer öffnet, darf euer G6 dort nicht mit der entsprechenden Bezeichnung auftauchen:
Sollte dies der Fall sein wie in diesem Beispiel, öffnet das Benachrichtigungsmenü und tippt auf die aktuell ausgewählte USB-Option (Hier Datenübertragung)
und wählt
ADB testen
Ladet euch die ADB herunter. Wie das funktioniert zeigt folgender Artikel: ADB (Android Debug Bridge) unter Windows ohne Installation nutzen
Öffnet eine Konsole im Ordner mit der ADB. Beispielsweise im Explorer SHIFT gedrückt halten, anschließend Rechtsklick > PowerShell-Fenster hier öffnen (Oder Kommandozeile bei älteren Windows-Versionen). Zunächst testen wir mit adb list, ob das Gerät erkannt wird. Beachtet, dass ihr in der PowerShell .\ als Präfix für den aktuellen Pfad müsst
.\adb list
während ihr in der klassischen Eingabeaufforderung (CMD) schlicht adb ausreicht
adb list
Hat alles funktioniert, erscheint das Gerät in der Liste:
Allerdings als nicht autorisiert. Auf dem Handy erscheint ein Popup, in dem die Verbindung bestätigt werden muss
Gerät erscheint nicht? Ladet den LG Universal Mobile Driver herunter. Man kann sich auch auf der Software & Treiber-Seite von LG durchklicken. Dies ist aber aufwändiger und es gibt derzeit Probleme mit Adblockern wie beispielsweise UBlock Origin.
Geräte-ID ermitteln
Zunächst im Fastboot-Modus neu starten:
.\adb reboot bootloader
Einige Sekunden später erscheint auf dem Handybildschirm ein Willkommensbildschirm zu Fastboot. Nun die Geräte-Id auslesen:
.\fastboot oem device-id
Diezwei langen Zeilen unter Device-ID müssen ohne Leerzeichen zu einer verbunden werden. Auch die (bootloader) Präfixe dürfen darin nicht vorkommen. Es empfiehlt sich, beide Zeilen zu kopieren und in einen Texteditor einzufügen. Die so zusammenkopierte Id ist exakt 64 Zeichen lang. Mit Notepad++ lässt sich dies mithilfe der Anzeige rechts unten leicht ermitteln.
LG Entwickler-Account anlegen
Leider hat auch LG damit begonnen, das Entsperren nur noch mit einem Account zu ermöglichen. Im Gegensatz zu Xiamo ist jedoch immerhin keine (unendlich lange) Wartezeit notwendig. Öffnet dazu die LG Accountseite, klickt oben auf „Create Account“, wählt euer Land aus und gebt alle erforderlichen Daten ein.
Bootloader entsperren
Nun könnt ihr mithilfe des LG-Entwickleraccounts, der Geräte-Id sowie IMEI den Bootloader endlich entsperren. Ruft dazu diese Dokumentationsseite von LG auf, scrollt bis an das Ende und klickt dort auf Start Unlocking the Bootloader. Nick und E-Mail werden automatisch anhand des Accounts ausgefüllt. Wählt euer Telefon aus, hier LGH870 und gebt die zuvor ermittelte IMEI ein. Nach Eingabe der per Fastboot ausgelesenen Geräte-Id unten mit Confirm bestätigen.
Fazit: Ein Angriff auf die Custom-ROMs
LG ist eine der ersten Hersteller, bei dem ich massive Einschränkungen festgestellt habe: Es wird verlangt, sich mit persönlichen Daten zu registrieren und eine Entsperrung zu beantragen. Schon das ist ziemlich umständlich und eine Gängelung, wie sie noch vor wenigen Jahren undenkbar war. 2017 habe ich eine Anleitung zum Samsung Galaxy S2 geschrieben. Mit wenigen Standardwerkzeugen lässt sich der Bootloader entsperren – ohne persönliche Daten oder den Hersteller um Erlaubnis bitten zu müssen. Auch beim Galaxy S4 verzichtet Samsung auf derartige künstliche Gängeleien. Aber es geht noch weiter: LG bietet diesen Dienst für die EU-Version des G6 gar nicht an. Nur ausländische Geräte kann man damit entsperren. Europäische sind damit eine Black Box wie Apple, über die der Nutzer weder Einfluss noch Kontrolle mehr hat, was das Betriebssystem angeht.
Das ist eine mehr als bedenkliche Entwicklung. Sobald man dafür auf den Hersteller angewiesen ist, hat dieser die Kontrolle und kann eigenmächtig entscheiden, dass europäische Nutzer ihr Gerät nicht frei nutzen dürfen. Dies ist also kein hypothetisches Risiko mehr, wie es diskutiert wurde, sondern längst geschehen. Immerhin ist LG hierzulande nicht der bedeutendste Smartphone-Hersteller, wodurch sich die Auswirkungen in Grenzen halten.
Sollte sich diese Entwicklung ausbreiten, sieht es für die Custom-ROM Gemeinschaft schlecht aus. Im schlimmsten Falle muss man zukünftig vor dem Kauf schon prüfen, ob sich der Bootloader überhaupt entsperren lässt. Einer der Grundgedanke von Custom-ROMs, nämlich ältere Geräte vor der Entsorgung zu schützen, nachdem der Hersteller die Update-Versorgung längst eingestellt hat, würde damit zumindest geschwächt.