26 Cent pro Kilogramm erhalten Milchbauern derzeit etwa für ein Kilogramm ihrer Milch. Was die Verbraucher beim einkaufen freut, hat für die produzierenden Betriebe fatale Konsequenzen: Sie benötigen mindestens 40 Cent, um kostendeckend zu wirtschaften. Das entspricht dem Milchpreis des vorherigen Jahres 2014. Wie konnte es zu diesem massiven Preisverfall von 35 Prozent innerhalb nur eines Jahres kommen?
Einstellung der EU-Milchquote zum 31. März 2015
Um die Zusammenhänge zu verstehen, ist ein kleiner Ausflug in die Vergangenheit notwendig: Die landwirtschaftlichen Betriebe produzierten in den 1950er Jahren weniger Lebensmittel als benötigt wurden. Um die Produktion zu erhöhen, wurden staatliche Subventionen eingeführt: Die Bauern erhielten vom Staat einen garantierten Abnahmepreis für bestimmte Agrarprodukte wie Getreide, Butter und Milch. Damit hatten sie eine sichere und vor allem stabile Einnahmequelle, die nicht wie sonst üblich von Angebot und Nachfrage abhängig war und stark schwanken konnte. Es fand also ein starker Eingriff in die freie Marktwirtschaft statt.
Diese attraktiven Bedingungen führten zum gewünschten Ergebnis. Die Produktion dieser Lebensmittel stieg stark an – Allerdings ohne absehbares Ende. Nach einiger Zeit war der Bedarf gedeckt, und so kam es gegen Ende der 1970er Jahre zu einer Überproduktion. Die Differenz zwischen produzierten und benötigten Lebensmitteln wurde immer mehr, da die Subventionen weiter liefen. Man lagerte den Überschuss daher ein. Diese Interventionslager werden häufig auch als Milchseen oder Butterberge bezeichnet. Natürlich war die Lagerung bei einer ständigen Überproduktion keine nachhaltige Lösung. Denn der Markt ist gesättigt und früher oder später werden die aufbewahrten Lebensmittel verderben.
1984 wurde daher die Milchquote von der Europäischen Gemeinschaft beschlossen: Sie stellte die Milchanlieferungsmenge des Jahres 1983 dar und diente als Referenz für den Verbrauch. Man teilte diese Milchquote einfach auf alle Mitgliedstaaten auf. Diese wiederum teilten Ihren Anteile ebenfalls auf, um sie an die Betriebe weiterzugeben. Liefert ein Bauer mehr Milch als es ihm seine Quote erlaubt, muss er mit Strafen – sogenannten Superabgaben – rechnen. Dadurch sollte sich Überproduktion nicht lohnen.
Die Praxisfolgen der Milchquote
Niedrige Strafzahlungen
Was in der Theorie gut klang, hat in der Praxis nicht ganz so gut funktioniert. Beispielsweise waren die Strafzahlungen für illegale Überproduktion nicht besonders hoch. Meistens lagen sie sogar unter den Pachtpreisen, die Bauern für die offizielle Produktion hätten zahlen müssen. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Quoten fast in jedem Jahr überschritten wurden. Wenn ein Parkschein 2,50 € kostet und die Strafe für Falschparken lediglich 2 € beträgt, lässt es natürlich der eine oder andere drauf ankommen.
Preisschwankungen trotz Milchquote
Auch die Preise konnten nicht derart stabilisiert werden, wie erhofft. Die Milchquote bestand insgesamt 31 Jahre lang. In diesem Zeitraum gab es Schwankungen von bis zu 20 Cent pro Kilo für Rohmilch. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Milchquote damals etwa 15 bis 20 % über den tatsächlichen Verbrauch lag. Selbst heutzutage liegt sie noch 10 bis 15 % darüber. Dieser Überschuss wird entweder exportiert oder alternativ genutzt, etwa als Futtermittel.
Anzahl der Erzeuger stark zurückgegangen
Die Milchquote hatte auch zum Ziel, den langfristigen Fortbestand der Betriebe zu sichern. Zwischen den Jahren 1984 und 2014 sank die Zahl der milcherzeugenden Betriebe in Deutschland jedoch von 369.000 auf nur noch 77.000, wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mitteilt. Somit sind satte 79 Prozent der Bauern in den letzten 30 Jahren verschwunden. Auch wenn ein gewisser Rückgang durch die damals vorherrschende Überproduktion abzusehen war, kann man dieses Ziel anhand der Zahlen wohl recht klar als gescheitert betrachten. Insbesondere viele kleinere Milchbauern kritisieren, dass die Quote eher größeren Betrieben zu mehr Wachstum verhilft.
Passives einkommen durch Verpachtung und Verleasung
Durch die Milchquote wurde einigen Bauern sogar ein passives Einkommen ermöglicht: Landwirte die aus dem Geschäft aussteigen konnten ihre Quote an andere Betriebe weitergeben, und so ohne eine einzelne Kuh Geld verdienen. Sie wurden daher häufig als Sofamelker oder Sofabauer bezeichnet. Die Milchquote war damit de Facto zum Eigentum der Betriebe geworden. Seit dem Jahr 2000 konnte die Milchquote jedoch nur noch verkauft werden.
Auch der schwache Export drückt den Preis
Es gibt aber weitere entscheidende Faktoren, die zur derzeitigen Lage beigetragen haben: Neben der Kaufzurückhaltung in Abnahmeländern wie China macht sich zudem der von Russland verhängte Import-Stopp bemerkbar. Durch den Export von Lebensmitteln erlöste die Agrarwirtschaft der EU-Staaten im Jahr 2013 rund 12 Milliarden Euro., von denen alleine knapp 14 Prozent aus Deutschland stammen. Am häufigsten wird Fleisch und Milch exportiert. Im gleichen Jahr lieferte Deutschland Milch und Milchprodukte wie Sahne im Wert von knapp 24 Millionen Euro nach Russland. Dazu kommt Käse im Wert von 141 Millionen Euro, für dessen Produktion ebenfalls Milch benötigt wird. Das so entstehende Überangebot am Deutschen Markt trägt seinen Teil für den niedrigen Preis bei. Schätzungen zufolge wurden bereits im Jahr 2014 etwa 6 bis 7 Milliarden Kilo Milch zu viel produziert.
Bauern protestieren gegen Niedrigpreise
Die Preise von derzeit nur noch etwa 26 Cent je Liter treffen viele Bauern stark. Nach eigenen Angaben erhalten die Produzenten weniger, als sie zur Herstellung der Milch aufwenden müssen. Dies liegt nicht nur am Milchpreis an sich, der in den vergangenen Jahren bereits mehrfach gesunken ist: Hauptsächlich die gestiegenen Produktionskosten wie etwa für Energie und Futter würden eine Preiserhöhung notwendig machen. Viele sollen sich daher derzeit sogar nur mithilfe von Krediten über Wasser halten können. Einige Bauern erhöhen aus Verzweiflung ihre Produktion. Damit tun sie sich aber ebenfalls keinen Gefallen, da so der Markt mit noch mehr Milch überschwemmt wird. Folglich sinken die Preise weiter in den Keller.
Einige Milchbauern machen Ihrer Unmut nun Luft: Bereits Anfang der Woche fanden in Schleswig-Holstein Staffelfahrten mit zusammen mehr als 50 Trecker statt. Für Anfang September sind noch größere Aktionen geplant. In Frankreich finden neben Protesten auch eher unkonventionelle Methoden Anwendung. Bereits seit mehreren Wochen liegt immer wieder Mist vor den französischen Filialen des Discounters „Lidl“. Die Milchbauern sehen den Discounter in der Verantwortung, da er die ohnehin niedrigen Milchpreise noch weiter senkt. Ein Liter Milch war dort Anfang des Monats für gerade einmal 55 Cent zu haben.
Ein Missbrauch der Marktmacht?
Nicht nur in diesem Bereich sorgen Dumpingpreise für Frust – Auch Fleisch wird beispielsweise sehr günstig angeboten. Hier lägen die Erzeugungskosten für ein Schwein bei 165 Euro. Doch der Handel sei derzeit nur bereit 130 Euro zu zahlen, demonstriert Johannes Röring, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes vor. Dem Handel wird daher vorgeworfen, bei Preisverhandlungen seine Marktmacht zum eigenen Vorteil auszunutzen. Insbesondere bei Fleisch hat dies nicht nur negative Auswirkungen auf die Produzenten. Neben der Qualität leidet oft auch die Umwelt: So sind beispielsweise rund 15.000 Liter Wasser notwendig, um ein Kilo Rindfleisch herzustellen. Zum Vergleich: Für die gleiche Menge Tomaten müssen lediglich rund 190 Liter Wasser aufgewendet werden.
Bisher keine Lösung in Sicht
Eine Lösung dieses Problemes ist bislang noch offen: Viele fordern die Politik auf, zu handeln. Auch die Auszahlung der Superabgaben wurde als Unterstützung vorgeschlagen. Da die Milchquote erst vor einigen Monaten abgeschafft wurde, stehen die Strafzahlungen für 2014/2015 noch aus. Mit alleine in Deutschland 309 Millionen Euro stellen diese einen neuen Rekord dar.
Aber selbst das würde allenfalls eine Finanzspritze zur Überbrückung darstellen. Langfristig hilft wohl nur ein Umdenken der Verbraucher, weg von der „Geiz ist Geil“ Mentalität hin zum qualitätsbewussten einkaufen und einer besseren Wertschätzung der Lebensmittel. Statistiken zeigen, dass wir einen immer geringer werdenden Anteil unseres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben: Waren es 1960 noch 38 Prozent, sank der Wert 10 Jahre später auf nur noch 25 Prozent. 1980 gaben wir nur noch 20% für Lebensmittel aus.
Aktuell wurden im Vergangenen Jahr 2014 lediglich 13,8% des Einkomemns zur Ernährung ausgegeben. Seit 2013 ist dieser Wert jedoch erstmals wieder gestiegen, von 13,5 auf 13,7 Prozent. Auch 2014 war ein Anstieg um 0,1 Prozent zu verzeichnen. Zwar nicht viel, aber dennoch ein Hinweis darauf, dass langsam aber sicher mehr Menschen über dieses Thema nachdenken. Denn abgesehen von den schlecht bezahlten Produzenten hat dieses Konsumverhalten langfristig auch gravierende Folgen für die Umwelt und unsere Gesundheit. Der momentan niedrige Milchpreis ist hierbei nur eines der Probleme.
Bei solchen Meldungen hadere ich immer mit mir selbst. Ich trinke leider sehr gerne Milch und freue mich natürlich, wenn sie nicht allzu teuer für mich ist … aber auf der anderen Seite sollten die Bauern genauso ihr Geld verdienen dürfen, dass sie verdienen wie alle anderen auch.
BTW habt ihr da wirklich eine französischen Artikel verlinkt? Wow – ich verstehe dort keinen Ton! 😉
In den Römischen Verträgen aus dem Jahr 1956, welche auch in der derzeitigen EU immer noch Gültigkeit haben, ist festgeschrieben, dass die Gemeinschaft dafür Sorge tragen muss, dass die Bevölkerung zu angemessenen Preisen mit Lebensmitteln versorgt werden muss.
Aus diesem Grund ist die einzige und allein die Europäische Union dafür zuständig, dass die Landwirte in Form von Ausgleichszahlungen, wie sie ohnehin schon seit Jahrzehnten an die Landwirtschaft entrichtet werden, angepasst werden.
Das ganze Gejammere um die Milchpreise ist überflüssig, da dies einzig und allein eine Angelegenheit unserer hochbezahlten Volksvertreter ist.
Ich erinnere mich nur allzu gut an die letzte Krise in der Automobilbranche. Damals hat die Bundesregierung eine Verschrottungsprämie ausgeschrieben, so dass sogar PKW’s mit einem Alter von unter fünf Jahren verschrottet wurden. Diese Massnahme hat dazu geführt, dass die deutsche Automobilindustrie die Krise wesentlich besser überstanden hat, als beispielsweise die amerikanische.
In gleicher Art und Weise ist es jetzt auch Aufgabe unserer Bundesregierung, bzw. der Regierungen jener Staaten, wo Milchproduktion durchgeführt wird, dass diese sich Geld mit den Massnahmen einfallen lassen.
In Österreich beginnt man beispielsweise damit, neue Märkte zu erschließen. Wie wir alle wissen, kommen sehr viele Güter des alltäglichen Gebrauchs aus China. Der Transport zu uns wird mit Hochseeschiffen durchgeführt.
Bei der Rückfahrt von Europa nach Asien sind derartige Containerschiffe meist nur zu einem Viertel oder maximal zur Hälfte beladen. Es ist für so einen Giganten vom Energieverbrauch unwesentlich, ob die Beladung nur zur Hälfte oder komplett ausgeführt ist.
Österreichische Molkereien nützen dies, um Milch kostengünstig nach Schanghai zu transportieren. Der Transport von Österreich ins ferne China kostet auf diese Weise genausoviel, wie der Lkw – Transport von Österreich nach Rom.
Eine der wichtigsten Maßnahmen besteht darin, den Chinesen den Milchkonsum beizubringen!
Generell es stellt diese Art und Weise, des günstigen Milchtransports eine bessere Alternative da, als die Produktion der Milch in China!
Wenn unsere Politiker den Konsum von Milch, aber noch mehr von Käse am asiatischen Markt, gezielt forcieren, so wird der Milchpreis in den nächsten Jahren in ungeahnte Höhen schnellen.
Zusätzlich belasteten auch noch die Russland Sanktionen den Milchpreis, da der Russlandmarkt schlagartig weggebrochen ist. Dies ist keinesfalls ein Verschulden der Milchbauern, sondern einzig und allein der Amerikaner, welche mit ihrer Einkreisungspolitik Rußlands die ganze Misere verschuldet haben!!!
Die Landwirte sollten sich bei den amerikanischen Botschaften für ihre Situation bedanken!
Ich finde die Milchpreise sollen gerecht verhandelt werden. Die Herstellung von Milch und Milchprodukten muß unter Tiergerechter Haltung möglich sein. Dies ist leider seit langer Zeit leider unter normalen Umständen nicht mehr möglich. Darum verzichte ich weitgehend auf Milch und Milchprodukte. Wenn dann kaufe ich mir nur Bio-Milch und deren Produkte. Zudem vermeide ich Fertigprodukte wo Milch bzw. deren Produkte aus kommerzieller Haltung enthalten sind.
Man kann die Tiere nicht für billige Produkte unter solchen Umständen halten.
Schuld sind hierfür die Verbraucher, Industrie aber auch manche Landwirte.
Eine Subventionierung halte ich für lange überholt, es löst wie man seit Jahrzehten sieht keine Probleme, wenn dann verschiebt sie die Probleme nur.
Wenn die Preise nicht verhandelt wird, müssen viele Landwirten ihr Hof schließen. Das würde heißen es würde kein Milch, Fleisch, Brot usw. nicht mehr geben. Um Milch zu Produzieren braucht man Maschinen damit man die Tiere füttern kann, dazu kommt das die Maschinen auch Sprit brauchen. Versorgung für Kühe kostet auch Geld. Ich will nur damit sagen, das die Landwirten so nur Verluste machen, und somit langfristig ihren Job verlieren, wenn sie nicht angemessen entlohnt werden.