Das Bundesland hat genug von proprietärer Software und möchte sich aus deren Fesseln lösen – insbesondere Microsoft soll explizit durch FOSS ersetzt werden. Unabhängigkeit sowie Souveränität ist das oberste Ziel. Auch von den vielen weiteren Vorteilen möchte man profitieren. Diese sollen den knapp 3 Millionen Bewohnern von Schleswig-Holstein zugute kommen. Ein neues Vorzeige-Projekt mit Signalwirkung? Ich habe mir das Strategie-Papier angeschaut und fasse euch in diesem Beitrag zusammen, was die Landesregierung konkret geplant hat und ergänze dies teils mit weiteren Informationen.
Schleswig-Holstein gibt nicht nach: Open Source muss sein!
Die Anfänge gehen bereits bis ins Jahr 2017 zurück. Damals einigten sich die aus CDU, Grüne und FDP bestehende Regierung des Bundeslandes, mehr Open Source einsetzen zu wollen. Langfristig wolle man proprietäre Software komplett ablösen. 2019 und 2020 wurde eine umfangreiche Untersuchung durchgeführt. Sie kam zu dem Ergebnis: Ein moderner, souveräner Arbeitsplatz auf Basis von GNU/Linux als quelloffenem Betriebssystem ist möglich.1 Der politische Wille war vorhanden, Microsoft Windows und Office bis 2026 durch FOSS abzulösen.2 2023 konkretisieren sich die Maßnahmen in einer Digitalstrategie mit eigenem Kapitel zur digitalen Souveränität. SH treibt OS voran und übernimmt auch außerhalb des eigenen Bundeslandes die Initiative.3
Es folgten konkrete Vorbereitung weg von Microsoft. Zunächst installierte man 2024 LibreOffice als Standard-Büropaket auf allen 25.000 IT-Arbeitsplätzen der Landesverwaltung. Zusammen mit dem Wechsel auf das offene Dokumentformat, anstelle von Microsofts proprietärem.4 Dieser Schritt erfolgt noch auf dem alten Windows 10.
Wie die aktuelle Landesregierung damit umgeht
Die Landesregierung von Schleswig-Holstein besteht seit Mitte 2022 aus einer Koalition von CDU und den Grünen mit Daniel Günther (CDU) als Ministerpräsident. Das Bekenntnis zu freier Software folgte im November 2024 mit der Veröffentlichung ihrer „Open Innovation und Open Source Strategie“.5 Auf insgesamt 27 Seiten haben sie den aktuellen Status festgehalten sowie dessen Probleme identifiziert. Anschließend erklärt das Dokument, wie diese gelöst werden sollen. Hierbei kommt freie und quelloffene Software zum Einsatz. Darüber hinaus möchte man auch das Ökosystem dahinter nachhaltig unterstützen.
Ehrlichkeit: So schlimm ist die Lage
Im Einstieg beschäftigt sich der Bericht mit der heutigen Relevanz von IT. Sie wird als geschäftskritisch und „systemrelevant“ gesehen. Damit begründet sich die Notwendigkeit vollumfänglicher Kontrolle. Digitale Souveränität sei „mindestens so wichtig“, wie die Energiesouveränität. Darunter wird die Fähigkeit verstanden, die eigenen Rollen „in der digitalen Welt selbstständig, selbstbestimmt und sicher ausüben zu können“. Das ist alles richtig. Bis hier hin könnte man es für die typischen PR-Zeilen halten, die man ständig hört, aber kaum jemand ernst meint. Beziehungsweise in die Unkenntlichkeit umdeutet („Ich bin ja Admin in meinem M365 Cloud-Tenant und im Prospekt stand voll sicher und so“).
Doch mit solchen fadenscheinigen Rosarote-Brille-Argumenten will sich SH nicht heraus reden. Mit bemerkenswerter Klarheit stellen sie fest:
Selbstkritisch gilt es einzuräumen, dass mit den aktuell eingesetzten Produkten des Stan-
dard IT-Arbeitsplatzes keine digitale Souveränität zu erreichen sein wird.
Das ist nichts neues. Wer meine Artikel/Beiträge ließt wird sich über die Hervorhebung wundern, weil ich das seit Jahren sage. Schon vor dem M365 Cloud-Hype waren Windows, Office & co. nicht souverän. Die Clouddienste sind es noch weniger. Dass MS & co. aber alle zunehmend dahin gängeln, ist den Politikern tatsächlich aufgefallen. Begründet wird der Schritt mit der Verlagerung proprietärer Software hin zu Clouddiensten. Sowie dem unerwünschten, oft erzwungenen Datenabfluss.
Einschränkungen der Handlungsfähigkeit: Cloudzwang ist besonders schlimm
Beides ist Gift für Sicherheit und Vertraulichkeit. Microsoft allen voran, deren Datensammelwut ist total eskaliert – erinnert euch an meinen Beitrag zu den 25.000 Ereignissen alleine in Office 365. Dazu 1.200 in Windows 10.6 Wohlgemerkt sind die Zahlen unfreiwillig rausgegeben worden und von 2018, der Datenhunger wird eher größer als kleiner. Von der Sicherheit brauche ich hier gar nicht erst anzufangen. Die M365 wurde mehrfach durch schwerwiegende Sicherheitsmängel gehackt, MS hat es nicht mal gemerkt. Selbst als es offensichtlich war, wurde relativiert und geleugnet. Schlimmer geht kaum.
Das scheint man in Schleswig-Holstein erkannt zu haben. Eben so wie die Ausnutzung dieses Machtungleichgewichts durch die Hersteller: Standardlizenzen mit kaum Kompromissen, fragwürdige Lizenzpolitik, sehr hohe Kosten machen den Anfang. Weiter geht es mit dem automatischen Aktivieren unerwünschter Funktionen. Bei Cloud verliert man den letzten Rest an Kontrolle, weil der Anbieter entscheidet, was wann aktiv ist. Mit Glück gibt es manchmal einen Haken zum abschalten. Telemetrie ist ebenfalls standard und werden zusammen mit Lizenzauditierungen als „entscheidend[e]“ Einschränkung der Handlungsfähigkeit gesehen.
Das wird derzeit ganz besonders sichtbar bei der Portfoliotrans-
formation vieler Softwarehersteller Richtung Cloud, was auf Herstellerseite von größerem
Interesse ist als auf Nutzerseite. Der Weg in die Cloud kann zu noch stärkeren Abhängig-
keiten beitragen.
Die Kosten steigen, wenn du in der Falle sitzt
Oft wird über die Frage diskutiert, ob der Wechsel zu FOSS tatsächlich günstiger ist. Insbesondere dann, wenn zuvor damit argumentiert wurde. Vor allem letzteres finde ich bei staatlichen Einrichtungen schwierig, weil es das Thema oft darauf reduziert. Hier müssen Sicherheit, Souveränität & Flexibilität ganz oben stehen. Wir fangen ja auch nicht an, z.B. keine Verkehrsschilder mehr aufzustellen, die der Sicherheit dienen, weil die mehr kosten als die letzten. Es wäre also fatal zu sagen, wir bleiben in einer gefährlichen Abhängigkeit, da das günstiger ist.
Andererseits sind die Kosten natürlich ein wichtiger Aspekt für jedes Projekt. Die Höhe der Ausgaben muss absehbar sein, insbesondere wenn es Mehrkosten sind. Bei Steuergeldern gilt das erst Recht. SH hat das schlau gemacht und stellt erst mal grundsätzlich fest: Am Anfang steigen die Kosten – was logisch ist, weil die alte MS-Software abgelöst werden muss. Dafür benötigt das Personal Ressourcen. Teilweise ist ein Parallelbetrieb notwendig usw. Beim Monopolisten fehlen diese Mehrkosten. Dafür nutzt der mit der Zeit seine Quasi-Monopolstellung aus, wodurch die Kosten stark steigen.
Der Einsatz von OSS hat nicht das Ziel, Lizenzkosten zu eliminieren. Die Nut-
zung von OSS unterstützt das Ziel, aus der Preissteigerungsspirale auszustei-
gen.
So zieht Microsoft euch das Geld aus der Tasche
Ein paar Beispiele vom Marktführer: Auch wenn sie nicht explizit im Bericht erwähnt werden, belegen sie dessen Schlussfolgerungen. Mit Windows Server 2025 verschärft Microsoft die Einschränkungen der OEM-Lizenzen und lässt sie mit dem Hardwaretausch verfallen. Bisher konnten diese weiterverwendet werden.7 Dazu erzwingt der Konzern, mindestens 16 Prozessorkerne zu lizenzieren. Kleinere Unternehmen, die weniger leistungsstarke Server benötigen, zahlen drauf.8
Dazu kam es bereits mehrfach zu direkten Preiserhöhungen. Besonders saftig fielen diese bei den Clouddiensten aus: Erst zum April 2025 wurden mehrere Abos um +20% bis +40% teurer. Dazu verlangt der Konzern bei monatlicher Abrechnung pauschal +5% Aufschlag auf alle Abonnements.9 Durch diese Motivation zur Vorkasse soll die Bindung der Kunden gesteigert werden. Außerdem erhöht es das Unternehmenskapital. Schließlich haben sie im aktuellen Quartal bereits Zahlungen für Leistungen, die sie erst in den nächsten Monaten liefern. Dabei geht es durchaus um große Summen. In einem von MS abhängigem mittelständischen Unternehmen fließen bereits schnell Millionen an den Softwareriese – jedes Jahr.
Aufgrund der extremen Dreistigkeit sei zudem auf die massiven Preiserhöhungen bei den Microsoft 365 Abos für Privatkunden hingewiesen. Hier drängt der Konzern den Betroffenen den KI Assistenten „Copilot“ ungefragt auf – und verlangt dafür einen satten Aufschlag von bis zu 42% auf den Abopreis.10
Der Blick aufs Ganze
Quelloffene Software wurde als Lösung raus aus dem Dilemma erkannt. Eben so der Zeitpunkt, bevor man den Gängelungen proprietärer Anbieter folgt und in deren Cloud migriert. Das kostet nicht nur viel Zeit und Nerven. Dann wird es noch schwerer, diesen Fesseln zu entkommen, als mit On-Prem. Teurer natürlich sowieso. Denkt nur an AWS, die sich ausgehenden Datenverkehr bezahlen lassen. Warum ist der eingehende wohl gratis? Damit du alle deine Daten rein legst, aber bloß nicht daran denkst, bei der nächsten Preiserhöhung, Gängelung usw. zu wechseln.
Interessant: Die Migration fokussiert sich zwar natürlich auf die IT-Systeme der Landesverwaltung. Man möchte diese jedoch bewusst nicht isoliert als Insel betrachten. Sondern ein „souveränes digitales Ökosystem“ für eine „digital souveräne Gesellschaft insgesamt“. Sie umfasst „Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung, Vereine und Verbände, Stiftungen und Zivilgesellschaft“. Das ist wichtig. GNU/Linux statt Windows auf den PCs installieren reicht nicht. Man muss möglichst alle mitnehmen. Das schafft nicht nur Akzeptanz, sondern ist teils für Schnittstellen zwingend nötig. Wenn Daten an andere Systeme übertragen werden, braucht es dafür eine Lösung. Im besten Falle ziehen die auch um. Ist das nicht direkt möglich, braucht es eine Übergangslösung.
Voraussetzung für die Nutzung und Akzeptanz eines flächendeckenden Ein-
satzes von OSS Produkten ist, dass die gewohnten Funktionalitäten mindes-
tens in gleicher Qualität und kompatibel mit anderen Verfahren verlässlich
funktionieren sowie verfügbar sind
In der 2019/2020 erstellten ausführlichen Analyse ist als primäres Ziel ausdrücklich erwähnt, eine OSS-Diskussion zu starten und andere staatliche Organe zum Wechsel zu ermutigen:
Wie möchte das Bundesland weg von Windows, Office & co?
Geplant ist, Schrittweise die bestehende proprietäre Softwarelandschaft durch folgende Open Source Komponenten abzulösen:
- Quelloffenes Betriebssystem für die Desktop-Arbeitsplätze
- Anbindung an OS-Verzeichnisdienst
- OS webbasierte Dienste zur Zusammenarbeit mit Groupware (Open-Xchange/Thunderbird)
- Dateiablage SharePoint durch NextCloud ablösen
- OS Telefondienst
- OS Office-Paket (LibreOffice)
Allerdings geschieht dies nicht auf einmal. Stattdessen sollen Schritt-für-Schritt die einzelnen Microsoft-Anwendungen umgestellt werden. Oft sind diese zudem „historisch gewachsen“, was den Aufwand erschwert. Besonders problematisch sind selbst zusammengebastelte Makros mit Visual Basic in Excel.
Die Ziele sind eine deutliche Verbesserung des
- Handlungsspielraum
- der Informationssicherheit
- die Datensicherheit und den Datenschutz
- die Finanzsituation
Was soll konkret passieren?
- Zukünftige Fachverfahren sollen „unter offener Lizenz und Veröffentlichung des Quellcodes“ entwickelt werden
- Bereitstellung einer Plattform für diese OSS
- Der DigitalHub soll den Bedarf des öffentlichen Sektors mit der Privatwirtschaft zusammen bringen und neben Netzwerkarbeit auch OSS an anderer Stelle fördern (z.B. Öffentliche und gemeinnützige Organisationen digitalisieren)
- In einem Pilotprojekt möchte man MS Office durch LibreOffice auf den Arbeitsplätzen der Verwaltung einsetzen und die proprietären MS-Formate durch das Open Document Format ersetzen
- „Vermehrter Aufbau von OSS Infrastrukturen im Rechenzentrum“
Konkret läuft seit 2024 die Umstellung von MS Exchange zu Open-Xchange, 2.500 Postfächer werden pro Woche migriert. Bis Oktober 2025 soll sie abgeschlossen sein, sodass Exchange & Outlook entfallen. Auf 70% der Desktop-Arbeitsplätze möchte man bis dahin MS Office komplett deinstallieren. Maßgeblich ist hier das von Microsoft festgelegte Lebensende ihrer Software-Produkte im Oktober 2025. Man möchte möglichst wenig proprietäre Lizenzen verlängern müssen.11
Da Schrittweise umgestellt wird, liegt der Fokus zunächst auf Office, Exchange und SharePoint. Für GNU/Linux als Desktop-Betriebssystem ist das Windows 10 Ende im Oktober 2025 zu knapp. Daher sah man sich gezwungen, Windows 11 Lizenzen zu kaufen. Parallel laufen bereits die Tests, als Desktopumgebung ist KDE Plasma gesetzt. Eine Festlegung der Distribution steht noch aus. Fest steht, dass sie Enterprise sein soll, also mit Fokus und Unterstützung für Unternehmen. Hierunter fallen beispielsweise Red Hat Enterprise Linux und Ubuntu. Geplant ist, bis Ende 2026 sowohl MS Office als auch Windows komplett abzuschaffen.12
Microsoft kassiert doppelt & hat freie Hand
Bemerkenswert deutlich wird in 3.3.1 Microsofts Lizenzpolitik kritisiert, ohne deren Name zu nennen. Die ist schon seit langem berüchtigt, weil sie kompliziert ist. Ein zentraler Punkt: Viele Serverdienste müssen mehrfach lizenziert werden. Ein Windows-Server z.B. benötigt eine Lizenz für die Software Windows Server in der jeweiligen Edition. Dazu muss für jeden Nutzer, der darauf zugreift, eine CAL (Client Access License) erworben werden.
Besonders im Fall von Zugriffslizenzen wird deutlich, wie sehr die Hersteller die Lizenz-
konditionen diktieren, um einen langfristig gesicherten Kostenstrom zu erzeugen
Auch weitere manipulative Taktiken werden erwähnt. Etwa die Lizenzpakete, bei denen man mehr Nutzer kauft, als benötigt werden. Wirtschaftlich wird versucht, die zu nutzen, damit es weniger teuer wird. Habe ich in einem Unternehmen live mit M365 gesehen.
Wir nehmen das Geld für Microsoft und geben es vernünftig aus
Quelloffene und vor allem freie Software ist eine Philosophie von Geben & Nehmen. Oft tragen viele Freiwillige zu einem Projekt bei. Wer das Privileg hat, in Voll- oder Teilzeit an einem Projekt arbeiten zu können, ist meist auf Spenden angewiesen. Oder muss seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf von Dienstleistungen (z.B. Hosting, Beratung) sicherstellen. Jeder Verein funktioniert ähnlich: Man braucht genügend Ehrenamtliche Helfer und einen gewissen Geldbetrag durch Sponsoren/Mitgliederbeiträge. Gäbe es nur Mitglieder, stirbt der Verein.
SH erkennt, dass es mit OSS im Kern genau so ist und möchte die ehemaligen Lizenzgebühren zukünftig den Projekten zu gute kommen lassen – in Form von Entwicklungsaufträgen oder Supportverträgen. Bevorzugt vergeben an lokale Unternehmen. Mir ist nicht 100% klar, was mit „Entwicklungsaufträgen“ gemeint ist. Geht es darum, eigene Funktionswünsche bezahlt umzusetzen und quelloffen zu veröffentlichen? Oder investiert man z.B. jeden Monat 100.000€ Budget in die am meisten gewünschten Funktionen aus der Community?
Beides finde ich wichtig und positiv. Es ist wichtig zu verstehen: Wenn MS 1.000 Kopien einer Software verkauft, nehmen die 1000 x Lizenzpreis ein. Bei 10k sind es 10x so viel. Open Source bekommt dagegen kein Geld pro Kopie, sondern nur Spenden oder menschliche Unterstützung. Man muss ja gar nicht das gesamte Lizenzbudget investieren. Ein Großteil davon reicht schon und alle haben was davon: SH spart Geld und OSS profitiert. Wenn das alle oder zumindest viele machen würden, wäre OSS in einem noch viel besseren Zustand. Leider machen das wenige und das ist ein Problem. Einige Unternehmen denken skrupellos & egoistisch, nach dem Motto: „Warum soll ich wenig geben und nur sparen, wenn ich es auch umsonst bekomme?“. Das sind wohl die Leute, die auf dem Blumenfeld zum selbst schneiden nichts in die Kasse werfen…
Den Entwicklern hilft es wirtschaftlich nicht, wenn ihre Software millionen-
fach eingesetzt wird.
Durch den Wechsel werden massive Ressourcen frei: Alleine durch die wegfallenden Lizenzkosten für Microsoft Office können ca. 15 Personen in Vollzeit bezahlt werden.13 Im Gegensatz zur proprietären Software ist man damit frei und unabhängig. Neben eigenen Anforderungen unterstützt das Engagement die Community, wodurch LibreOffice noch besser wird.
Schlupflöcher
Wer mit einem kompletten Wechsel rechnet, sollte das Strategiepapier genau lesen. Mehrere Textstellen weisen vorsichtig ausgedrückt darauf hin, dass das wohl anders laufen wird. In folgendem Zitat heißt es beispielsweise „überwiegend auf OSS basierter Infrastruktur“:
Im Rahmen des Programms „Open Source Vorhaben Schleswig-Holstein“ wird ein digital
souveräner Arbeitsplatz entwickelt, der auf quelloffener Software basiert und in einer über-
wiegend auf OSS basierenden Infrastruktur betrieben wird.
An einer anderen Stelle ist von „vordringlichen Einsatz“ die Rede:
Schleswig-Holstein verfolgt somit den vordringlichen Einsatz von quelloffener und frei li-
zenzierter Software, um Abhängigkeiten der öffentlichen Verwaltung von einzelnen Soft-
wareanbietern soweit wie möglich zu reduzieren.
Oder auch „Vermehrter Aufbau von OSS Infrastrukturen“. Es finden sich mehrere solcher Beispiele, eine sogar konkreter:
Die Infrastruktur wird mittels einer Kombination aus proprietären und
quelloffenen Lösungen umgesetzt
Bei Datenbanken will man prüfen und ablösen „wo es möglich ist“. Hat für mich einen Beigeschmack von der Aufweichung, die wir an anderer Stelle schon gesehen haben. Aus OS wurde dort „überwiegend“ oder „vorrangig“ OSS. Es ist kein Weltuntergang, wenn ein paar Windows-Server übrig bleiben, die man derzeit nicht sinnvoll ablösen kann.
Ob es tatsächlich dabei bleibt, hängt allerdings stark von der Motivation der Politiker ab. Wollen die ohnehin Micro$oft (weil sie ein Angebot machen, dass man nicht ablehnen kann), lassen sich solche schwammigen Aussagen als Schlupfloch nutzen. Insbesondere bei der CDU habe ich Misstrauen. Die sind keineswegs dafür bekannt, im Sinne der Bevölkerung zu handeln, wenn jemand den großen Geldbeutel öffnet. Man denke z.B. an das Maut-Debakel, Ursula von der Leyens vernichtete Akten, die Masken-Deals usw.
Fazit
Inzwischen hat Schleswig-Holstein ihren Umstieg in einem kurzen 2:24 langen Video zusammengefasst.14 Ein paar Details lassen sich kritisieren: Linux wird als Betriebssystem genannt (statt GNU/Linux oder Linux-Distributionen). Android sei ein quelloffenes Betriebssystem, was im Kern richtig, derart vereinfacht allerdings unvollständig ist. In der ausführlichen Strategie sind zudem mehrere Dinge abgeschwächt oder offen formuliert. Teilweise wirkt es noch etwas unfertig, z.B. bei den Datenbankservern. Offen bleibt zudem, wann Windows 10 durch GNU/Linux abgelöst wird.
Allerdings werden die Probleme und Risiken proprietärer Software ungewöhnlich klar beschrieben. Die bereits laufenden Migrationen (z.B. MS Exchange) zeigen, dass es grundsätzlich ernst gemeint zu sein scheint. Und es ihnen um Souveränität geht – statt „nur“ Kosten einsparen zu wollen. Ebenfalls positiv: Man möchte Kommunikationsfehler von LiMux nicht wiederholen. Sondern die Nutzer mitnehmen, in dem die Gründe und Vorteile aufgezeigt werden. Auch das Schrittweise Migrieren statt alles auf einmal dürfte helfen.
Insgesamt sehe ich das Bundesland auf einem guten Weg. Sie denken über die Nasenspitze hinaus, wollen vieles vernünftig machen. Wenn sie diesen Pfad beibehalten, könnte das zum neuen Vorzeigeprojekt werden – erst bei der Ablösung von Office & co, später Windows. Hoffentlich diesmal ohne Steve Ballmer Nachfolger, der seinen Skiurlaub unterbricht, um es zu zerstören… Sondern stattdessen andere Bundesländer/Einrichtungen, die mitmachen. Es gibt viele Gemeinsamkeiten: Die Anmeldung eines PKW oder Sperrmüllabfuhr sind nur zwei Beispiele, die in Bayern nicht grundsätzlich anders funktionieren wie in Berlin. So eine Anwendung kann man einmal zusammen entwickeln. Je mehr mitmachen, um so besser & günstiger wird es für alle.
Quellen
- https://schleswig-holstein.de/mm/downloads/LinuxArbeitsplatz/ZIT_LINUX_Studie_2022_WEB_barrierefrei.pdf ↩︎
- https://www.heise.de/news/Schleswig-Holsteins-Digitalminister-Albrecht-ueber-den-Wechsel-zu-Open-Source-6221361.html ↩︎
- https://osb-alliance.de/featured/strategie-fuer-die-zukunft-open-source-in-der-verwaltung ↩︎
- https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/I/Presse/PI/2024/CdS/241125_cds_open-source-strategie ↩︎
- https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/themen/digitalisierung/linux-plus1/Projekt/open-source-strategie
Strategiepapier: https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/themen/digitalisierung/linux-plus1/Service/Downloads/_dateien/open-source-strategie.pdf?__blob=publicationFile&v=3 ↩︎ - https://sharepoint360.de/hollaendische-regierung-microsofts-verstoesst-beim-sammeln-von-office-telemetriedaten-massiv-gegen-eu-datenschutz/ ↩︎
- https://www.borncity.com/blog/2024/11/06/windows-server-2025-kritische-lizenzaenderungen-und-server-ploetzlich-aktualisiert/ ↩︎
- https://www.lizenzexperte.de/blogs/tech-blog/windows-server-2025-neuerungen-editionen-und-wie-sie-ihr-unternehmen-fit-machen#lizenzierung-von-windows-server-2025-was-sie-wissen-m%C3%BCssen ↩︎
- https://hws-gruppe.de/preiserhoehung-fuer-microsoft-lizenzen-das-sollten-sie-jetzt-tun/ ↩︎
- https://www.computerbase.de/news/apps/dank-copilot-integration-abo-fuer-microsoft-365-kostet-jetzt-ueber-30-prozent-mehr.91069/ ↩︎
- https://www.heise.de/hintergrund/Von-Microsoft-zu-Open-Source-Wie-Schleswig-Holstein-den-Wechsel-schaffen-will-10279400.html?seite=1 ↩︎
- https://de.blog.documentfoundation.org/2021/11/18/schleswig-holstein-wechselt-zu-libreoffice-und-foss/ ↩︎
- https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/02000/drucksache-19-02056.pdf ↩︎
- https://www.youtube.com/watch?v=Q2Ny0rVrERc ↩︎