Ubuntu mit Xfce Desktopumgebung auf dem Orange Pi 5 getestet: Tauglich als kleiner Desktop-PC?

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Ubuntu mit Xfce Desktopumgebung auf dem Orange Pi 5 getestet: Tauglich als kleiner Desktop-PC?

Im Rahmen meines Tests des Orange Pi 5 Einplatinencomputers habe ich darauf Ubuntu mit Xfce ausprobiert, welches vom Hersteller offiziell unterstützt wird. Bei Ubuntu handelt es sich um eine verbreitete, auf Debian aufbauende GNU/Linux Distribution. Xfce ist eine leichtgewichtige Desktopumgebung, die den Anspruch erhebt, optisch ansprechend sowie einfach benutzbar zu sein.

Bereitstellung und Versionsstand

Zum Zeitpunkt des Tests stehen Ubuntu in Version 20 (Focal) und 22 (Jammy) für den Orange Pi 5 zur Verfügung. Ubuntu 20 nur ohne grafische Oberfläche und mit Xfce-Desktopumgebung, bei 22 kann man auf Wunsch zusätzlich Gnome wählen. Der Hersteller scheint seine Portierungen bislang gut bis vorbildlich zu pflegen, das zum Testzeitpunkt älteste Abbild war knapp 2 Monate alt. Ubuntu sogar nur wenige Tage. Auch der Kernel wurde nicht vernachlässigt, unter Ubuntu 22.04 lief ein recht aktueller 5.10.110er Kernel. Nur U-Boot ist mit einer Version von 2017 als veraltet negativ aufgefallen.

Während des Tests wurden die Abbilder am 10.03.2023 alle zeitgleich auf den aktuellen Stand gebracht. In diesem Zeitraum ist mir kein festes Muster aufgefallen. Es scheint jedoch derzeit so zu sein, dass diese spätestens alle paar Wochen ein Update erhalten.

Inoffizielle Unterstützung: Woher kommen die Abbilder?

Da SoC (System-on-a-Chip) Einplatinencomputer aufgrund ihrer Architektur mit der Softwareunterstützung steigen und fallen, macht es aus meiner Sicht Sinn, darauf ein besonderes Augenmerk zu legen. Grundsätzlich ist jeder Einplatinencomputer individuell, mangels Standardtreiber wird ein eigenes Abbild benötigt. Generische Abbilder wie unter X86 die auf jedem Gerät installiert werden können, gibt es unter ARM nicht.

Die Portierung von Ubuntu wurde vom Hersteller Orange Pi selbst durchgeführt. Das hat Vor- und Nachteile: Den Distributionen fehlen meist die Ressourcen, welche für die Vielzahl an SoCs nötig wären. Der Hersteller sollte ein Interesse an einer hochwertigen Softwareunterstützung haben und über den Hardwareverkauf die Mittel für deren Entwicklung besitzen. Die Abhängigkeit verlagert sich damit auf den Hersteller.

Installation und Start von Ubuntu 22

Bereitgestellt werden Abbilder (.img Dateien), die sich mit dem Standard-Kommandozeilenwerkzeug dd auf die Karte schreiben lassen. Wer grafische Software bevorzugt, kann beispielsweise Balena Etcher verwenden. Bei der Nutzung einer Speicherkarte gibt es somit kaum wesentliche Unterschiede zum Raspberry Pi. Der Einzige besteht darin, dass kein komfortabler Imager zur Verfügung steht, bei dem man die bereitgestellten Distributionen per Mausklick auswählen kann. Diese muss man händisch herunterladen, entpacken und auf die Karte schreiben. Selbst für Einsteiger ist dies mit Werkzeugen wie Etcher vergleichsweise schnell erledigt. Wahlweise kann man das Betriebssystem später auf die M2 SSD verschieben.

Ubuntu startet sofort ohne Einrichtung. Der Orange Pi 5 meldet sich im Netzwerk unter dem Hostname orangepi5. SSH ist vorinstalliert und aktiviert, mit dem Benutzername orangepi und dem gleichnamigen Passwort kann man sich per SSH anmelden. Solche generischen Zugangsdaten sollten natürlich geändert werden – allerspätestens bei produktiver Nutzung oder gar im Internet.

Die Konsolen-Edition von Ubuntu 22.04 benötigt vom Drücken des Einschaltknopfs bis hin zur eingeloggten Konsole 30 Sekunden. Sie belegt nach der Installation aller Updates 2,1 GB Speicherplatz auf der Karte:

orangepi@orangepi5:~$ lsb_release -a
No LSB modules are available.
Distributor ID:	Ubuntu
Description:	Ubuntu 22.04.2 LTS
Release:	22.04
Codename:	jammy

orangepi@orangepi5:~$ df -h /
Filesystem      Size  Used Avail Use% Mounted on
/dev/mmcblk1p2   29G  2.1G   27G   8% /

Dafür ist Docker in Version 23.0.1 vorinstalliert, allerdings ohne das Compose-Plugin. Erwähnenswert ist, dass nicht die offiziellen Ubuntu-Repositorys zum Einsatz kommen. Sondern – passend zum chinesischen Ursprung des Unternehmens – Spiegelserver von Huawei. Docker kommt gar aus der Alibaba-Cloud:

orangepi@orangepi5:~$ cat /etc/apt/sources.list
deb http://repo.huaweicloud.com/ubuntu-ports/ jammy main restricted universe multiverse
...

orangepi@orangepi5:~$ cat /etc/apt/sources.list.d/docker.list
deb [arch=arm64] https://mirrors.aliyun.com/docker-ce/linux/ubuntu jammy stable

Ein Wechsel auf andere Spiegelserver ist grundsätzlich möglich und nicht nur wegen möglicher Datenschutzbedenken gegenüber unsicheren Drittstaaten sinnvoll. Auch rein geografisch werden Server in Europa tendenziell schneller sein, als chinesische.

Orangepi-Config und weitere Helfer

Raspberry Pi Nutzer werden das Werkzeug raspi-config kennen: Es steht sowohl auf der Konsole, aber auch als grafisches Werkzeug zur Verfügung und bündelt viele wichtige Einstellungen des Pi. Beispielsweise lassen sich Funktionen und Schnittstellen aktivieren, deaktivieren sowie konfigurieren. Der Orange Pi hat es in gewisser Hinsicht nachgebaut: Zwar ist orangepi-config nicht gleich strukturiert und es existiert ausschließlich als Kommandozeilenwerkzeug. Doch inhaltlich geht es in eine ähnliche Richtung. Man kann etwa verschiedene Schnittstellen aktivieren/deaktivieren. Teilweise helfen die Menüs auch dabei, bestimmte GNU/Linux-Einstellungen zu setzen. Wie beim Pi kann dies sicher v.a. für Einsteiger eine gute Unterstützung sein.

Zusätzlich steht mit orangepimonitor ein Hilfswerkzeug zur Verfügung, dass verschiedene Benchmarks durchführen kann. Weitere Skripte finden sich in /usr/local/bin und können daher global aufgerufen werden. Beispielsweise auto_login_cli.sh und desktop_login.sh, mit denen sich die automatische Anmeldung eines Benutzers steuern lässt. Wer auf die grafische Oberfläche per VNC zugreifen möchte, kann dies über das Skript set_vnc.sh einrichten. Die Datei /etc/orangepi-release enthält Informationen über den Versionsstand des Betriebssystems.

Viele der eigenen Pakete scheinen jedoch manuell installiert worden zu sein, werden also nicht über die Paketverwaltung aktualisiert. Hier ist mir bisher unklar, wie der Hersteller neue Versionen verbreiten möchte und ob dies überhaupt vorgesehen ist. Falls ja, müssten andere Mechanismen zum Einsatz kommen, um eine Neuinstallation zu vermeiden. Ein eigenes Repository hätte sich angeboten.

$ apt show orangepi-config | grep APT
APT-Manual-Installed: yes
APT-Sources: /var/lib/dpkg/status

Die Versionsnummern lassen darauf schließen, dass sie sich in einem noch eher frühen Stadium befinden. Es bleibt abzuwarten, ob und in welchem Umfang diese Tools zukünftig gepflegt werden.

$ dpkg -l | grep orangepi
ii  linux-u-boot-orangepi5-legacy          1.1.2                                   arm64        Uboot loader 2017.09
ii  orangepi-bsp-cli-orangepi5             1.1.2                                   arm64        OrangePi board support files for orangepi5
ii  orangepi-bsp-desktop-orangepi5         1.1.2                                   arm64        Orange Pi Board Specific Packages for desktop users using arm64 orangepi5 machines
ii  orangepi-config                        1.1.2                                   all          Orange Pi configuration utility
ii  orangepi-firmware                      1.1.2                                   all          Linux firmware
ii  orangepi-jammy-desktop-xfce            1.1.2                                   all          Orange Pi desktop for Ubuntu jammy
ii  orangepi-plymouth-theme                1.1.2                                   all          boot animation, logger and I/O multiplexer - orangepi theme
ii  orangepi-zsh                           1.1.2                                   all          Orange Pi improved ZShell

Der Orange Pi 5 als Desktop?

Wie zuvor erwähnt, stehen verschiedene Abbilder für Distributionen mit grafischer Desktopumgebung zur Verfügung – etwa Ubuntu 22 mit Xfce. Eine Differenzierung über die Anzahl vorinstallierter Pakete wie beim Raspberry Pi OS gibt es nicht, da jeweils nur ein Abbild angeboten wird. Ubuntu 22 mit Xfce belegt nach der Installation aller Aktualisierungen 5,9 GB auf der Karte.

orangepi@orangepi5:~$ df -h /
Dateisystem    Größe Benutzt Verf. Verw% Eingehängt auf
/dev/mmcblk1p2   30G    5,9G   23G   21% /

Frisch nach dem Start werden etwa 630 MB an Arbeitsspeicher belegt. An mehreren Stellen lassen sich Veränderungen gegenüber einem vanilla Ubuntu feststellen. So wird man beim Start beispielsweise von einer Boot-Animation begrüßt, die auch beim Herunterfahren erscheint. Der Standardbrowser Firefox wurde durch Chromium ersetzt. Grundsätzlich lässt sich all dies unter GNU/Linux anpassen.

Das Starten von Programmen benötigt ein paar Sekunden mehr, als man es von einem vollwertigen Desktop benötigt ist. Dies ist aber eher der Speicherkarte geschuldet. Der Prozessor ist nämlich bei weitem nicht ausgelastet. Beim Surfen ist es ähnlich. Hier macht sich die Karte weniger stark bemerkbar, es wirkt spürbar Flüssiger als mit dem Raspberry Pi. Ihn hat nicht selten das Laden/Rendern von Webseiten zu 100% ausgelastet, wodurch es zäher wurde.

Streaming auf YouTube in 1080p ist überhaupt kein Problem. Die Wiedergabe startet meistens schnell, beim Spulen sind keinerlei Verzögerungen bemerkbar. Selbst wenn der gewünschte Teil nicht im Puffer liegt, beträgt die Wartezeit nur den Bruchteil einer Sekunde. Auch der Wechsel in und aus dem Vollbildmodus geht deutlich zügiger vonstatten, als auf dem Raspberry Pi. Während der Wiedergabe bewegt sich die Gesamtauslastung meist zwischen 20 und 30 Prozent. Kurzzeitig gibt es Spitzen, die nie über 40 Prozent lagen. Die CPU hat somit genug Reserven, um 4K sowie wahrscheinlich sogar die versprochenen 8K Inhalte abzuspielen. Oder eben parallel noch andere Aufgaben zu erledigen. Beispielsweise ein Video auf einem Bildschirm anschauen, während man auf dem anderen aktiv in Gimp oder anderen Programmen arbeitet.

Die Prozessortemperatur liegt bei 20 Grad Raumtemperatur zwischen 60 und 65 Grad. Beim künstlichen Lasttest mit Stress wird er maximal 84 Grad warm, wenn alle Kerne zu 100% ausgelastet sind. Hier drosselt sich der Takt aber deutlich, dies beginnt bereits ab etwa 80 Grad. Beim Streaming von Videos geschah dies mit maximal 73 °C noch nicht. Beide Tests wurden komplett ohne aktive oder passive Kühlung durchgeführt. Eine Kühlung ist somit zumindest für lastintensive Aufgaben zu empfehlen, ansonsten kann der Prozessor nicht ausgereizt werden. Je nach Umgebung aber auch bereits an heißen Sommertagen.

$ head -n 1 /sys/class/thermal/thermal_zone0/temp | xargs -I{} awk "BEGIN {printf \"%.2f\n\", {}/1000}"
67,46

Auf Deutsch umstellen

Standardmäßig ist das Ubuntu des Orange Pi 5 auf Englisch. Dies betrifft nicht nur die Sprache, sondern auch das Tastaturlayout sowie die Zeitzone – entsprechend schwierig gestaltet sich die Eingabe von Sonderzeichen. Zumindest, wenn man eine angeschlossene Tastatur nutzt und nicht nur per SSH auf das Gerät zugreift. Dies kann man wie folgt korrigieren, die Änderungen werden nach dem nächsten Ab/Anmelden bzw. Neustart wirksam:

sudo dpkg-reconfigure keyboard-configuration
timedatectl set-timezone "Europe/Berlin"

Alternativ kann man auch sudo orangepi-config nutzen: Im Menü Personal gibt es jeweils einen Eintrag für die Zeitzone (Timezone) sowie das Tastaturlayout (Keyboard).

Fazit

Obwohl aus Kostengründen mit einer Micro-SD Speicherkarte getestet wurde, läuft Ubuntu 22 auf dem Orange Pi flüssig. Durch die höhere Leistung macht er als Desktop-Ersatz eine wesentlich bessere Figur, als der Raspberry Pi 4. Ein paar zusätzliche Werkzeuge erleichtern die Nutzung, hier hat man sich beim Raspberry Pi OS inspirieren lassen. Da der Hersteller eigenmächtig Ubuntu-Abbilder bereitstellt, muss man allerdings mit dessen Modifikationen rechnen. So hat man beispielsweise Spiegelserver aus China im System. Wie schon im Test zum Orange Pi 5 angemerkt, fehlt zudem HTTPS. Die Downloads werden über Google Drive bereitgestellt, was zudem im Test nicht immer zuverlässig funktionierte.

Der Prozess wirkt wenig professionell, alles in allem hinterlässt es einen faden Beigeschmack – was schade ist, denn abgesehen davon macht Ubuntu 22 mit Xfce eine gute Figur. Es wird sich zeigen müssen, ob der Hersteller dies in den Griff bekommt und die Software langfristig aktuell halten kann. Ubuntu ist mit seiner ARM-Unterstützung dafür keine schlechte Basis, es stehen mit 69.000 Paketen sogar mehr wie für Debian und das davon abstammende Raspberry Pi OS zur Verfügung:

$ apt-cache pkgnames | wc -l
69082

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