Was ist eine Raspberry Pi Alternative? Die häufigsten Missverständnisse aufgeklärt

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Was ist eine Raspberry Pi Alternative? Die häufigsten Missverständnisse aufgeklärt

Es gibt immer wieder Diskussionen über verschiedene Alternativen zum Raspberry Pi. Die Meinungen gehen bereits bei der Frage weit auseinander, ab wann eine Alternative als solche bezeichnet werden darf. Vieles beruht dabei auf Missverständnissen zwischen der großen Spanne, wofür der Raspberry Pi gedacht ist. Und den Einsatzzwecken, denen er in der Praxis oft dient. Dieser Beitrag greift die häufigsten Irrtümer auf und versucht, etwas Klarheit für beide Seiten zu schaffen.

Warum überhaupt Alternativen?

In letzter Zeit war der Raspberry Pi 4 nur schwer lieferbar – das hat die Frage nach Alternativen befeuert. Durchaus zu Recht: Es gibt verfügbare Alternativen, die in einem ähnlichen Preisbereich liegen. Teilweise sogar darunter, wenn man gebrauchte Geräte mit einberechnet. Neben dem Preis ist der große Vorteil dieser Alternativen, dass viele davon überhaupt lieferbar sind. Die Situation ist auf dem Weg der Besserung, ich hatte darüber bereits mehrmals berichtet, zuletzt im Juni 2023.

Auch vor der Knappheit gab es aber schon verschiedene andere Gründe, beispielsweise:

  • Die Leistung ist zu gering
  • Es soll Software betrieben werden, die (noch) nicht mit ARM kompatibel ist und daher X86 Hardware benötigt
  • Mehr Möglichkeiten zu Erweiterung sind gewünscht, etwa mehrere Festplatten für einen RAID-Verbund
  • Man benötigt spezielle Plattformen für bestimmte Einsatzzwecke – beispielsweise eine ältere Software, die unter GNU/Linux nicht läuft und daher zwingend Windows benötigt
  • Der Raspberry Pi besitzt nicht die benötigten Schnittstellen (selten, aber kann in Einzelfällen durchaus vorkommen)

All diese und darüber hinaus weitere Punkte sind legitime Gründe, weswegen der Raspberry Pi für diese Zwecke entweder nur suboptimal oder gar nicht geeignet ist. Die Alternativen sind für einige Zwecke also nicht nur eine Art Plan B, sondern können durchaus in einigen Aspekten besser geeignet sein.

Für welchen Zweck wurde der Raspberry Pi entwickelt?

Unter anderem deswegen gibt es Kritik am Raspberry Pi. Häufig wird beispielsweise geäußert, er besitze zu wenig Leistung. Allerdings ließt man von anderen aber auch das Gegenteil: Der Pi ist zu stark und damit zu einem „Stromfresser“ geworden. Auf den ersten Blick ein Widerspruch, der erst verstanden wird, wenn man sich anschaut, wofür der Raspberry Pi ursprünglich entwickelt wurde.

Zur Bundestagswahl 2021 habe ich die Werte und Ziele der Raspberry Pi Organisation ausführlicher aufgelistet. Zusammengefasst erkannte Eben Upton, dass es immer weniger qualifizierte Studenten gab. Die Ursache: Zunehmende geschlossene Systeme, statt offener Computerplattformen, wie sie zu seiner Kindheit mit z.B. dem Commodore 64 verbreitet waren und den Nachwuchs zum Programmieren einluden. Upton entwickelte den Raspberry Pi, damit Schüler und Studenten von Konsumenten an ihren Smartphones, Konsolen und anderen Geräten zu Produzenten werden, die wieder verstehen lernen, wie ihre Geräte funktionieren.

Aus dieser Perspektive heraus sollte der Raspberry Pi möglichst günstig, aber zeitgleich vielseitig sein – eine Art Baukasten, den sich auch Jugendliche aus finanziell schlechteren Verhältnissen leisten können. Um das zu ermöglichen, mussten Kompromisse eingegangen werden. Darunter beispielsweise die oft kritisierten SD-Speicherkarten als Systemlaufwerk. Natürlich ist das nicht die zuverlässigste Technik im Dauerbetrieb. Ein Slot für z.B. M2-SSDs hätte den Pi jedoch verteuert.

Die große Welt der Pi-Alternativen: Was willst du machen?

Man kann sich den Pi tatsächlich wie einen früheren Elektronik-Baukasten vorstellen: Mit den Baukästen ließe sich beispielsweise ein Radio bauen – aber eben auch dutzende weitere Schaltungen. Somit konnte der Baukasten ein eigenständiges Radio ersetzen, aber das Radio nicht den Baukasten. Was davon nun besser ist, kommt auf den Einsatzzweck drauf an: Wer nur Radio hören möchte, ist mit einem dedizierten Radio sicher besser beraten. Möchte man hingegen basteln und auch mal andere Schaltungen ausprobieren, ist der Baukasten viel interessanter.

Auf den Raspberry Pi bezogen heißt das: Er kann durchaus ein Micro-Heimserver sein. Wenn ihr ausschließlich das damit machen möchtet, gibt es zahlreiche Alternativen, wie z.B. Thin-Clients und Mini-PCs. Dass der Raspberry Pi über die zahlreichen Schnittstellen wie u.a. GPIO deutlich mehr kann, ist in dem Fall nicht relevant – ihr möchtet sozusagen nur das Radio aus dem Baukasten, um im vorherigen Beispiel zu bleiben. Ähnliches gilt für andere Einsattzwecke, wie etwa als Desktop-PC.

Wer hingegen mit den Schnittstellen Sensoren oder Schaltungen ansprechen möchte, sieht im Thin-Client und Mini-PC keine vergleichbare Alternative und ärgert sich vielleicht sogar über entsprechende Aussagen.

Was ist nun eine Alternative und was nicht?

Streng technisch gesehen kann man diese Ansicht teilen und erwarten, dass eine Alternative zum Raspberry Pi ähnlich vielseitig sein muss: Also ein Einplatinencomputer, der zumindest neben GPIO ein paar verbreitete Schnittstellen mitbringt. Im obigen Beispiel ein anderer Elektrobaukasten, der statt 30 Schaltungen vielleicht nur 15 oder 20 bietet – aber eben weitaus mehr, als nur die Radio-Funktionalität. Soweit die Theorie.

In der Praxis wird der Raspberry Pi jedoch von einem erheblichen Teil nicht für seinen ursprünglichen Zweck genutzt. Statt dem Nachwuchs vielfältige Grundlagen der IT beizubringen, bauen viele andere Menschen damit ihre Projekte. Und davon interessieren sich viele für einen Mini/Micro-Server. Sei es als private Cloud, Spieleserver oder weitere zahlreiche nützliche überwiegend quelloffene Projekte. Bereits das Ansteuern von Hardware ist eine Minderheit, was sich mit den Aufrufzahlen meiner Beiträge und Videos zu solchen Themen belegen lässt.

Wer den Pi als kleinen Heimserver nutzt, versteht wiederum nicht, warum beispielsweise Mini-PCs keine Alternativen sein sollen – für seinen Zweck machen die doch das Gleiche. Der Elektronik-Bastler wiederum fragt sich, wie man so etwas überhaupt vergleichen kann. In der strengen Theorie hat er Recht, in der gelebten Praxis beide für ihren jeweiligen Einsatzzweck.

Mein Lösungsvorschlag: Drei Kategorien für Alternativen

Um das praxistauglich zu entwirren, habe ich bereits in diesem Beitrag versucht, die möglichen Alternativen grob in drei Gruppen einzuteilen:

1. Schnittstellen wie z.B. GPIO für externe Elektronik

Im ersteren Fall haben wir die „Allrounder“ vertreten, sie brauchen die Schnittstellen und suchen daher einen Einplatinencomputer wie Banana Pi & co. Leistung ist ihnen meist weniger wichtig.

2. Mini-PCs für den Desktop

Die zweite Gruppe möchte einen kleinen Desktop-PC. Genügend Leistung für alltägliche Aufgaben ist wichtig. Tendenziell sollte er also etwas stärker als der in die Jahre gekommene BMC des Raspberry Pi 4 sein und genügend Arbeitsspeicher besitzen. Der Stromverbrauch ist relevant, schließlich möchte man beim Filme schauen nicht 50 Watt aus der Steckdose saugen. Allerdings steht er nicht an erster Stelle, ein etwas höherer Verbrauch hat geringere Auswirkungen.

3. Mini-Server

Anders dagegen bei den kleinen Servern: Sie laufen oft im Dauerbetrieb, wodurch der Verbrauch im Leerlauf sehr wichtig ist. Ein paar Watt mehr können die Stromrechnung aufs Jahr gerechnet spürbar erhöhen. Der Leistungsbedarf variiert je nach Einsatzzweck. Meist ist er nicht besonders hoch, da viele nur ein paar kleinere Anwendungen betreiben. Manch einer möchte auch Virtuelle Maschinen laufen lassen, hier darf es dann etwas mehr sein.

Fazit

Durch diese Einteilung wird deutlich, welche Geräte für wen eine Alternative darstellen können, und welche nicht. Grundsatzdiskussionen darüber, ob ein Mini-PC nun als Pi-Alternative bezeichnet werden darf oder nicht, halte ich für wenig hilfreich. Besser ist es, in diesem Falle den konkreten Zweck – etwa als Desktop-System oder kleinen Server – zu nennen bzw. in Foren zu erfragen. Jemand, der z.B. einen kleinen Server möchte, kann dann der Thin Client oder Mini-PC guten Gewissens empfohlen werden, da er für seinen Zweck geeignet ist. Dem Bastler, der 5 Sensoren erfassen möchte, schlagen wir geeignete Einplatinencomputer vor, welche die gewünschten Schnittstellen bereitstellen.

So ist jedem geholfen, ohne wenig konstruktive Grundsatzdiskussion. Die bringt niemanden weiter. Gerade in der IT gilt an vielen Stellen das Motto: Das richtige Werkzeug für den richtigen Job. Schreiner würden ja auch nicht die Zeit damit verschwenden, Nägel gegen Schrauben hetzen zu lassen. Sondern sie fragen erst mal, worum es geht. Für das Bild an der Wand ist der Nagel völlig in Ordnung, während das Regal besser mit Schrauben und Dübeln befestigt wird. Eine derart praxistaugliche Diskussion halte ich auch bei der Frage nach den Raspberry Pi Alternativen für sinnvoll. Denn auch wenn diese zunehmend wieder besser lieferbar sind, wird das die Diskussion um Alternativen nur wieder auf das Niveau vor der Pandemie reduzieren – aber nicht verschwinden lassen.

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