Fragwürdiger Browser: 6 Gründe, Google Chrome nicht mehr zu nutzen

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Fragwürdiger Browser: 6 Gründe, Google Chrome nicht mehr zu nutzen

Die 2010er Jahre gehören Google Chrome: 2008 erschienen, konnte er in wenigen Jahren einen beispiellosen Aufstieg erreichen, bis Chrome 2012 zum verbreitetsten Browser wurde. Doch Google ist keineswegs wohlwollend und nutzt (oder missbraucht) Chrome für eigene Zwecke – oft zum Nachteil der Nutzer. Dieser Beitrag listet 6 Gründe auf, warum Chrome 2024 längst nicht die unumstritten beste Browser-Wahl ist.

1. Du möchtest keine (fragwürdigen) Dinge aufgedrängt bekommen

Google fällt schon seit Jahren damit auf, die Nutzer des eigenen Browsers zu gängeln. Oft sind es Dinge, von denen vor allem Google profitiert. Da der Konzern die Entwicklung von Chromium & Google Chrome kontrolliert, kann er diese nicht nur eigenmächtig umsetzen: Die große Marktmacht erlaubt es, Standards zu setzen. Eine Funktion, die Google einbaut, erreichen mehr als die Hälfte der Web-Nutzer. Im Folgenden vier Beispiele von 2017 bis heute.

2018 führte Google mit Chrome 69 eine Zwangsverknüpfung von Webdiensten und Browser ein: Wer sich bei einem Dienst wie Google, YouTube oder den zig anderen Webseiten anmeldete, wurde nicht nur auf sämtlichen Google-Diensten im Web angemeldet. Sondern auch in Chrome für die Synchronisation von Verlauf & Passwörtern. Diese Veränderung wurde von Google verschwiegen und es gab abseits der Flags für Experten nicht mal eine Einstellung. Letzteres folgte nach einer erneuten großen Kritikwelle einige Zeit später, jedoch per Opt-out. Standardmäßig ist sie also aktiviert. Wer dem Konzern nicht noch mehr Daten liefern wollte, musste die Einstellung ausdrücklich per Hand abschalten.1

Mindestens fragwürdig ist zudem der 2017 eingebaute Malware-Scanner: Im Herbst 2017 wurde Eset als „Chrome Cleanup“ in Google Chrome eingebaut. Regelmäßig prüft dies unter Windows den Dokumentenordner des Nutzers auf vermeintliche Schadsoftware. Anwender wurden vorher nicht gefragt oder zumindest informiert, lediglich die Blogs beider Unternehmen kündigten die nächste Zwangsbeglückung an: Der Nutzer konnte sie nämlich nicht wirkungsvoll abschalten.2 Durchaus gefährlich wenn man bedenkt, wie viele Sicherheitslücken und sonstige Probleme schon die ausdrücklich gewollten, teils sogar gekauften Antivirenscanner & co. seit bald Jahrzehnten erzeugen. Auch hier dauerte es einige Zeit, bis 2019 der heftigen Kritik nachgab und zumindest eine Möglichkeit zur Abschaltung einbaute. 2023 merkte wohl Google, dass so etwas nichts in einem Browser verloren hat und entfernte „Chrome Cleanup“.3

Aktuell versucht der Konzern etwa, mit der Web Environment Integrity API (WEI) mögliche „Manipulationen“ am System zu erkennen und Webseiten erlauben, Nutzer auszusperren. Ähnliche vermeintliche „Schutzfunktionen“ schränken die Wahl der freien Android-Distribution auf Smartphones bereits seit Jahren ein. Da Google die Entwicklung von Chromium entscheidend kontrolliert, konnte der Konzern die Kritiker erneut ignorieren und hat die umstrittene Funktion bereits vor Monaten eingebaut. Auf einen Schlag haben Sie mehr als die Hälfte der Web-Nutzer, bzw. knapp die Hälfte ist potenziell ausgeschlossen – je nachdem, wie herum man es sehen möchte.

Seit 2020 möchte Google mit FloC einen Nachfolger der gesetzlich reglementierten Drittanbieter-Cookies für Werbung etablieren. Sie soll personalisierte Werbung ermöglichen, bei der die gesammelten Daten im Browser lokal gespeichert werden.4 Nutzer werden in Interessengruppen eingeteilt, die bestimmte Werbung sehen. An diesem Konzept gab es scharfe Kritik: Google verlagere das Problem hinter den Drittanbieter-Cookies lediglich, ohne es zu lösen. Stattdessen entstehen neue Risiken.56 Im Januar 2022 musste Google dieses Projekt ebenfalls einstellen, gibt jedoch nicht auf. Kurz darauf wurden drei neue Versionen in der Canary-Version von Chrome zum testen eingebaut.7

2. Privatsphäre oder massenhafte Sammlung deiner Daten?

Hast du schon mal für einen Dienst von Google bezahlt? Die Mehrheit von euch nicht und trotzdem ist Google eines der mächtigsten Unternehmen Weltweit mit 282,8 Milliarden US-Dollar Umsatz im Jahre 2022. Woher kommt all das Geld, wenn sie ihre Dienste gratis anbieten? Ganz einfach: Du bist nicht der Kunde, sondern das Produkt. Google sammelt so viele Daten wie möglich, die dir vielleicht unwichtig erscheinen müssen. Diese können aber in Form von personalisierter Werbung teuer verkauft werden. 2022 stammten 79% der Gesamteinnahmen durch Werbung, das entspricht einem Umsatz von rund 224,5 Milliarden US-Dollar.8 Daher nicht überraschend, dass sowohl Google Chrome als auch Microsoft Edge in dieser Hinsicht schlecht abschneiden.9

Selbst wenn diese Daten anonymisiert wurden, lassen sich einzelne Nutzer leicht identifizieren.10 Derart viel Macht führt zu einem Ungleichgewicht. So entgegnete der Google-Chef 2010: Wer nicht möchte, dass sein Haus von Street View im Internet gezeigt werde, könne doch einfach umziehen. Über die Suchmaschine sagte er: „Wir wissen, wo du bist. Wir wissen, wo du warst. Wir können mehr oder weniger wissen, was du gerade denkst“.11 Je mehr Daten wir Konzernen wie Google liefern, um so mehr können sie uns beeinflussen. Und dabei geht es nicht mal um eine große Verschwörung, um Kinderblut zu trinken oder ähnliches. Google will schlichtweg seine Position ausbauen, um mehr Geld zu verdienen. Was ihr im Internet macht, ist denen tatsächlich relativ egal – Hauptsache, sie haben es gespeichert, damit es verkauft werden kann. Die Masse an gesammelten Daten sowie ihre Auswirkungen aufzulisten, würde den Rahmen sprengen. Der Browser ist ein wichtige Anwendung, dem wir viele Informationen anvertrauen 12 und Google besitzt durch seine vielen Dienste mehr als eine Datenquelle, die sie zusammen führen können.13 Durch die gezielte Auswahl von Alternativen kann man diese Datenmenge deutlich reduzieren.

3. Keine eigenen, unabhängigen Proxy-Einstellungen möglich

Um beispielsweise Internetsperren über das Ausland zu umgehen oder den kompletten Datenverkehr zu analysieren, sind Proxys hilfreich. Chrome hat es sich jedoch gespart, eigene Proxy-Einstellungen einzubauen: Stattdessen greift man ausschließlich auf die des Computers zurück. Damit ist es ohne weiteres nicht mehr möglich, den Proxy nur für einen Browser zu setzen oder mehrere mit verschiedenen zu nutzen. In beiden Beispielen wäre dies sinnvoll: Schließlich soll in diesen Fällen ja nicht alles über den Proxy laufen, sondern bloß ein Browser. Eventuell sogar eine zweite Instanz, falls man etwa Mitschnitte ohne potenziell sensible Daten weitergeben möchte.

Firefox kann man eigenständig mit einem Proxy versehen. Über die portable Version lässt sich problemlos eine zweite Instanz installieren, die komplett sauber ist.

4. Monokultur im Web und ihre Folgen

Durch die Dominanz von Chrome hat Google eine Marktmacht, die mit großer Verantwortung einher geht. Es gibt Vorwürfe, dass der Konzern diesen Einfluss missbraucht: So wurden 2020 im Chrome Web Store für Edge-Nutzer Warnungen angezeigt, die zum Wechseln zu Google Chrome auffordern, da dieser sicherer sei.14 Dies wird damit begründet, dass Microsoft Safe Browsing aus Chromium entfernt hat.15 Einige Webdienste von Google selbst funktionierten Anfangs nur mit Google Chrome und unterstützten erst später weitere Browser, wie z.B. YouTube TV.16 Bei Earth beteuert Google, sie wollten schon immer so viele Browser wie möglich unterstützten.17 Da dies erst später erfolgt, werden viele Nutzer zumindest eine Zeit lang zu Chrome gedrängt – wohl in der Hoffnung, dass sie dabei bleiben. Problematisch ist das vor allem dann, wenn andere Software als die eigene komplett ausgeschlossen wird.18192021

Diese Mentalität ist vor einiger Zeit auch auf andere Unternehmen/Entwickler übergesprungen: Airbnb und einige andere Unternehmen optimieren ihre Webseiten für Google Chrome. Teilweise werden sie nur noch mit diesem Browser getestet.222324 Schon jetzt ist das vor allem für iOS-Nutzer bitter: Dort schränkt Apple die Wahl der Browser-Engine ein. Alle verfügbaren Browser müssen zwingend WebKit nutzen, um von Apple zugelassen zu werden. Wer Firefox oder Chrome installiert, hat damit letztendlich nur eine andere Oberfläche für Safari. Funktioniert eine Webseite dort nicht richtig, weil sie für Chrome optimiert wurde, kann der Betroffene diesem Zwang nicht mal nachkommen, da sich Chrome mit Blink-Engine nicht nutzen lässt.25 Entwickler versuchten Apple bereits zum Umdenken zu bewegen, jedoch erfolglos.26

Bestimmte Webseiten lassen sich nur noch mit Chrome (uneingeschränkt) nutzen, womit die Nutzer in ihrer Wahlfreiheit eingeschränkt werden. Ursprünglich sind Offenheit und Freiheit wichtige Merkmale des WWW, die viele kommerzielle Unternehmen ein Dorn im Auge sind. Google ist eines der größten Beispiele, die das Web von sich abhängig machen wollen. Trifft der Konzern Entscheidungen entgegen des Interesse der Nutzer, ist man ihm ausgeliefert, ähnlich wie bei einem Vendor lock-in.

5. Dir ist Sicherheit wichtig

Seit einiger Zeit fällt Google Chrome durch viele 0-Day Schwachstellen auf. Das Jahr 2024 war noch keine zwei Wochen alt, als am 10.01.2024 die erste 0-Day bekannt wurde.27 Diese sind besonders gefährlich, weil es sich um Sicherheitsmängel handelt, für die noch keine korrigierte Version verfügbar ist. Es dauert nicht lange, bis diese aktiv von Angreifern ausgenutzt werden.2829 Auch die Sandbox, welche Webseiten vom Rest des Systems isolieren soll, bietet keinen zuverlässigen Schutz.30

Die Sicherheitsmängel nehmen weiter zu.31 Mittlerweile hat Google einen eigenen Negativrekord gebrochen und musste drei (!!!) neue Sicherheitsmängel in nur einer Woche per Update reparieren.32 Es ist natürlich schwierig, solche Zahlen zu bewerten, insbesondere im Vergeleich. Die extreme Häufigkeit lässt jedoch auf eklatante Qualitätsmängel schließen. Zumal es sich um lauter 0-Day Exploits handelt, welche von Dritten gefunden wurden. Der Konzern scheint wenig Interesse daran zu haben, proaktiv die Sicherheit des eigenen Browsers zu prüfen. Als Monopolist kann man es sich offensichtlich leisten, das Thema zu vernachlässigen.

6. Du bevorzugst quelloffene Software (Open Source)

Google Chrome basiert zwar auf dem quelloffenen Chromium Projekt, sodass ein Großteil davon quelloffen ist. Aber es gibt eben auch einige proprietäre Bestandteile – daher ist Google Chrome nicht Open Source. Wer dieser Philosophie folgen mag, bevorzugt sicher eine möglichst vollständig quelloffene Alternative. Leider ist die Auswahl gering, da in den letzten Jahren viele Browser entweder ihre eigene Engine zugunsten von Chromium eingestellt haben. Oder der komplette Browser von der Bildfläche verschwunden ist. 2024 ist Firefox die einzige freie, plattformübergreifende Konkurrenz mit nennenswerten Marktanteilen.

Quellen

  1. Chrome 69: Google-Cookies nicht löschbar und Auto-Login
    https://www.computerbase.de/2018-09/chrome-69-google-cookies-auto-login/ ↩︎
  2. Google: Chrome-Browser scannt lokale Dateien auf Windows-PCs
    https://www.heise.de/news/Google-Chrome-Browser-scannt-lokale-Dateien-auf-Windows-PCs-4010887.html ↩︎
  3. Google trashes the Chrome Cleanup Tool
    https://www.theverge.com/2023/3/9/23632029/google-chrome-cleanup-tool-windows-antivirus-removed ↩︎
  4. Federated Learning Of Cohorts: Personalisierte Werbung ohne Nutzerprofile
    https://www.heise.de/news/Federated-Learning-Of-Cohorts-Personalisierte-Werbung-ohne-Nutzerprofile-4936084.html ↩︎
  5. Google’s FLoC Is a Terrible Idea
    https://www.eff.org/de/deeplinks/2021/03/googles-floc-terrible-idea ↩︎
  6. Alle gegen Google: Auch Firefox, Edge, Safari und WordPress blockieren FLoC
    https://www.heise.de/news/Alle-gegen-Google-Auch-Firefox-Edge-Safari-und-Wordpress-blockieren-FLoC-6019372.html ↩︎
  7. Privacy Sandbox: Googles Cookie-Nachfolger gehen in den Praxistest
    https://www.heise.de/news/Privacy-Sandbox-Googles-Cookie-Nachfolger-gehen-in-den-Praxistest-6658725.html ↩︎
  8. Wie Viel Geld Verdient Google Mit Werbung?
    https://fourweekmba.com/de/wie-viel-geld-verdient-google-mit-werbung/ ↩︎
  9. Privacy-oriented Browsers
    https://www.avoidthehack.com/tools/privacy-browsers ↩︎
  10. Echo: Israelisches Unternehmen ermöglicht Überwachung durch Werbedaten
    https://t3n.de/news/echo-israel-rayzone-ueberwachung-werbedaten-1552182/?utm_source=rss&utm_medium=feed&utm_campaign=news ↩︎
  11. Google Zurück zu guten alten Zeiten
    https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.google-zurueck-zu-guten-alten-zeiten.ee841f8a-f6ce-45b7-8495-e88773b4dfe0.html ↩︎
  12. Diese Dokus zeigen, weshalb jeder »etwas zu verbergen hat«
    https://www.kuketz-blog.de/diese-dokus-zeigen-weshalb-jeder-etwas-zu-verbergen-hat/ ↩︎
  13. Google: „Jeder und jede hat etwas zu verbergen“
    https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/google-privatsphaere-interview-1.5549567 ↩︎
  14. Google is scaring Microsoft Edge users with security warning
    https://www.windowslatest.com/2020/02/20/microsoft-edge-chrome-store-warning/ ↩︎
  15. Google Is Now Warning Millions Of Microsoft Edge Users To Switch To Chrome: Here’s Why
    https://www.forbes.com/sites/zakdoffman/2020/02/21/google-warns-millions-of-microsoft-edge-users-to-switch-to-chrome/ ↩︎
  16. YouTube TV finally works in a browser other than Chrome
    https://mspoweruser.com/youtube-tv-finally-works-in-a-browser-other-than-chrome/ ↩︎
  17. Earth on Web: The road to cross browser
    https://medium.com/google-earth/earth-on-web-the-road-to-cross-browser-7338e0f46278 ↩︎
  18. Is it just me, or Google is really getting worse even than Microsoft? Not allowed to use Firefox anymore?
    https://www.reddit.com/r/firefox/comments/776710/is_it_just_me_or_google_is_really_getting_worse/ ↩︎
  19. http://web.archive.org/web/20190127055156/https://twitter.com/bilnguyen/status/530189814855782400 ↩︎
  20. Google Now Bans Some Linux Web Browsers From Their Services
    https://www.bleepingcomputer.com/news/google/google-now-bans-some-linux-web-browsers-from-their-services/ ↩︎
  21. Google reportedly blocking some Linux-specific web browsers from signing in to Google Account
    https://9to5google.com/2019/12/16/google-blocking-obscure-browsers-gmail/ ↩︎
  22. https://archive.ph/9vuEe ↩︎
  23. https://twitter.com/AirbnbHelp/status/752829250198245376 ↩︎
  24. https://twitter.com/Seamless_Care/status/942798540396474368 ↩︎
  25. https://developer.apple.com/app-store/review/guidelines/#:~:text=2.5.6%20Apps%20that%20browse%20the%20web%20must%20use%20the%20appropriate%20WebKit%20framework%20and%20WebKit%20Javascript. ↩︎
  26. Web developers challenge Apple to allow other browser engines on iOS
    https://9to5mac.com/2022/03/01/web-developers-challenge-apple-to-allow-other-browser-engines-on-ios/ ↩︎
  27. https://www.heise.de/news/Google-Chrome-Update-schliesst-Sicherheitsluecke-mit-hohem-Risiko-9592658.html?wt_mc=rss.red.security.security.rdf.beitrag.beitrag ↩︎
  28. https://www.security-insider.de/google-chrome-updates-schliessen-sicherheitsluecken-a-d20a04c9aec4ccb3d1cfbdf1b8c3f92d/ ↩︎
  29. https://www.csoonline.com/article/2100480/google-chrome-gets-a-patch-for-actively-exploited-zero-day-vulnerability.html ↩︎
  30. https://www.heise.de/news/Google-Chrome-Sandbox-Ausbruch-durch-bestimmte-Gesten-moeglich-9681413.html?wt_mc=rss.red.ho.beitrag.rdf.beitrag.beitrag ↩︎
  31. https://www.heise.de/news/Jetzt-updaten-Erneut-Zeroday-Luecke-in-Google-Chrome-Exploit-verfuegbar-9716922.html?wt_mc=rss.red.security.security.rdf.beitrag.beitrag ↩︎
  32. https://www.heise.de/news/Chrome-Weitere-Zero-Day-Luecke-mit-Update-geschlossen-9720152.html ↩︎

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