Die Orange Pi OS Familie vorgestellt und getestet: Orange Pi OS Droid, Arch und OH

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Die Orange Pi OS Familie vorgestellt und getestet: Orange Pi OS Droid, Arch und OH

Das Orange Pi OS wird als offiziell unterstütztes, quelloffenes Betriebssystem für den Orange Pi vorgestellt. Dies ist eine Reihe von Einplatinencomputern, die dem Raspberry Pi Konkurrenz machen. Ende 2022 erschien der aktuellste Orange Pi 5 mit deutlich mehr Leistung, zu ihm folgt noch ein eigener Test. Das eigene Betriebssystem soll schön aussehen sowie einfach, schnell und stabil sein. Doch da mit nicht genug: Laut Hersteller führt es Software von Android, Linux und Windows aus. Beim genaueren hinsehen zeigt sich, dass all dies offenbar in getrennten Systemen stattfinden soll. Es gibt nämlich drei Varianten des Orange Pi OS:

  • Droid basiert – wie der Name vermuten lässt – auf Android. Es wirkt wie eine Mischung aus Desktop und Mobilgerät: Es gibt Fenster und eine Art Taskleiste. Optisch soll es ähnlich wie Windows 11 bzw. Mac OS aussehen, dies ist jedoch wohl noch nicht auf allen Geräten verfügbar. Auf meinem Orange Pi 5 wirkt es wie ein normales Android. Für den Orange Pi 5 wird eine sehr frühe Version 0.0.5 Beta angeboten, während der Orange Pi 800 bereits Version 1.0.0 erhält.
  • Bei Arch hat man sich für die bei fortgeschrittenen Nutzern beliebte Distribution Arch Linux entschieden. Es soll jedoch nicht nur eine umfangreiche Softwareauswahl bieten, sondern einfach und stabil sein – beides Eigenschaften, mit denen man zumindest Arch direkt nicht beschreiben würde. Allerdings gibt es Distributionen wie Manjaro, die darauf aufbauen und ähnliche Visionen haben.
  • OH ist eine Abspaltung von Harmony OS, welches von Huawei als quelloffenes Betriebssystem als Reaktion auf die Handelsbeschränkungen der USA entwickelt wurde. Ähnlich wie Android soll es auf Mobilgeräten sowie anderer intelligenter Hardware wie beispielsweise Fernseher laufen.

Verfügbar ist davon zum Testzeitpunkt lediglich der Droid Ableger, die Restlichen sind bislang nur angekündigt. Alle drei werden ausschließlich auf den Einplatinencomputern des Herstellers laufen. Unter ARM gibt es keine generischen Abbilder wie unter X86, die – gegebenenfalls mit Zuhilfenahme von Treibern – überall laufen. Stattdessen muss ein ARM-Abbild für jedes spezifische Gerät angepasst werden, sodass ein eigenes Image entsteht. Eine Unterstützung anderer Einplatinencomputer wie dem Raspberry Pi ist nicht geplant und wird es aus strategischer Sicht wohl auch nicht geben.

Installation mit Herausforderungen

Dieses Vorhaben ist ambitioniert – möglicherweise zu sehr, denn zum Testzeitpunkt war lediglich eine Beta-Version von Orange Pi OS Droid öffentlich verfügbar. Die anderen beiden Varianten wie OH wurden erst vor wenigen Monaten angekündigt. Informationen gibt es ebenfalls wenige. Mir ist derzeit noch nicht wirklich klar, wie sich OH von Droid abhebt, um die Entwicklung beider Plattformen zu rechtfertigen.

Um die Beta von Orange Pi OS Droid zu installieren, benötigt man derzeit noch zwingend ein Windows-System. Man kann das Abbild nämlich nicht einfach mit Etcher, dd oder vergleichbaren Werkzeugen auf die Karte schreiben – dann bootet der Orange Pi nicht. Stattdessen wird die Eigenentwicklung SDDiskTool vom Hersteller benötigt. Dies ist nicht leicht zu Handhaben: Die Oberfläche ist überwiegend auf Chinesisch. Als ich es in einer Windows VM ausprobieren wollte, crashte wenige Sekunden später das komplette Windows und hing sich beim nächsten Start auf. Nach weiteren Versuchen konnte die Karte erfolgreich beschrieben werden.

Zuerst muss oben die korrekte Speicherkarte ausgewählt werden. In der Zeile darunter ein Haken bei der Checkbox setzen, deren Beschriftung mit „SD“ beginnt. Vor dem Überspielen die Karte mit dem untersten Knopf formatieren, dies sollte innerhalb von wenigen Sekunden abgeschlossen sein und nicht mit einer Fehlermeldung enden – ansonsten noch mal probieren, ggf. mit Neustart der Software oder des gesamten Windows.

Schlussendlich in der Mitte die .img Datei auswählen, welche im gepackten .tar.gz Archiv enthalten ist. Der Flashvorgang wird mit dem Knopf darüber gestartet, also jener, der sich direkt rechts neben der Fortschrittsanzeige befindet. Dies kann einige Zeit dauern und ist auch von der Geschwindigkeit der Speicherkarte abhängig. Der Hersteller empfiehlt eine mit mindestens Klasse 10.

Nutzung von Orange Pi OS Droid

Android mit Taskleiste und Fenstern – so könnte man das Orange Pi OS Droid in einem Satz zusammenfassen. Der Start des Systems braucht seine Zeit, dann funktioniert die Bedienung meistens recht flüssig. Beim Starten von Apps vergehen gerne mal ein paar Sekunden, zumindest wenn sie umfangreicher sind. Vorinstalliert wurden erfreulich wenige Apps, die eine nützliche Grundausstattung abbilden wie Browser, Dateimanager, Gallerie usw. Man bekommt kein System voller Bloatware, wie dies zumindest bei Mobilgeräten leider üblich geworden ist.

Der Aurora Store ist als Alternative zum verbreiteten Google Play Store vorinstalliert, er braucht besonders lange zum Starten. Darin finden sich einige gängige Apps, darunter auch welche von Google wie z.B. die offizielle YouTube-App. Allerdings verweigerte diese den Start. Vermutlich gibt es Abhängigkeiten zu Google, die nicht installiert sind. Über die Web-Version kann man problemlos und flüssig Videos streamen, die Tonübertragung per HDMI funktioniert.

Da nach Aktivierung der Sicherheitseinstellung jegliche APKs installiert werden können, lassen sich – wie unter Android üblich – nahezu alle Apps installieren. Auch über freie Stores wie z.B. F-Droid. Ob das im Alltag reicht, hängt stark davon ab, was man machen möchte. Android ist ein umfangreiches Ökosystem, jedoch eben für Mobilgeräte optimiert. Dementsprechend muss bei der Desktop-Nutzung mit Einschränkungen gerechnet werden.

Von denen gibt es ein paar, die nicht sofort auffallen, dafür aber im Alltag um so nerviger sind. Beispielsweise zeigen die Fenster-Knöpfe rechts oben (zu denen etwa Schließen gehört) keine Reaktion. Bewegt man die Maus ein wenig nach unten, wird die Aktion ausführt. Im Browser funktioniert das Scrollrad nicht. Eine Scrolleiste erscheint zwar am Rand, kann jedoch nicht angeklickt und verschoben werden, wie man es vom Desktop her kennt. Dies ist nicht nur unkomfortabel, weil stattdessen die Wisch-Geste durch Klicken und Ziehen simuliert werden muss. Dies führt auch dazu, dass man auf manchen Seiten gar nicht scrollen kann. Besonders ungünstig, wenn dies in einem Cookie-Banner passiert, der sich nur durch kreative Tricks (oder eine Browser-Erweiterung) bestätigen lässt.

Ein weiteres Problem zeigt sich bei den Benachrichtigungen. Zwar weist der Zähler auf neue hin, jedoch lassen sich diese nicht öffnen. Stattdessen kommt man lediglich in das Menü für Bildschirmhelligkeit, Verbindungen usw, welches man auf Mobilgeräten durch Herunter Wischen am oberen Bildschirmrand öffnet.

Wechselt man in die Übersicht aller geöffneten Apps, öffnet sich nach dem Klick meist eine ganz andere App – beispielsweise die Uhr, statt dem Chrome-Browser. Dieses Verhalten ließ sich reproduzieren, weswegen die Übersicht kaum nutzbar ist. Damit lässt sich dank der Taskleiste jedoch problemlos leben: Einfach mit der Maus an den unteren Bildschirmrand fahren und sie erscheint. Dort klickt man direkt auf das Symbol der gewünschten App. Wobei dieses Verhalten wiederum an anderer Stelle Probleme verursacht: Manche Webseiten fügen am unteren Rand eine Leiste zur Bestätigung der Cookies ein. Ist dieser Knopf zu nah am unteren Rand, öffnet sich die Startleiste von Android, sodass man den Bestätigungsknopf nie drücken kann. Zumindest nicht im Vollbild, wenn das Fenster verkleinert wird, klappt es.

Fairer weise muss man dazu erwähnen, dass Orange Pi OS Droid sich derzeit noch in der Beta-Phase befindet. Eine finale Version gibt es bislang nicht. Während man Probleme im Detail in einer Beta durchaus tolerieren kann, ist der Versionsstand dagegen diskutabler: Zum Einsatz kommt Android 12. Die Version kam Ende 2021 auf den Markt und ist die vorletzte unterstützte, zum Testzeitpunkt war Version 13 die aktuellste stabile. Während Android 12 kein Problem ist, sind die Sicherheitsaktualisierungen jedoch vom Juni 2022 und damit 9 Monate alt. Das ist unter Android viel und in meinen Augen zu viel – gerade wenn wir von einer Beta-Version sprechen, die sich noch in der Entwicklung befindet und daher recht aktuell sein sollte.

Fazit

2 von 3 Distributionen der Orange Pi OS Familie sind bisher nur Ankündigungen mit wenig konkreten Informationen. Die Dritte (Droid) ist grundsätzlich lauffähig, man merkt ihr das Beta-Studium jedoch noch deutlich an: Die Installation funktioniert nur unter Windows mithilfe spezieller chinesischer Software. Auch bei der Bedienung zeigen sich ein paar Schwächen, welche im Alltag durchaus nerven können – trotzdem ist Orange Pi OS Droid grundsätzlich nutzbar.

Selbst wenn diese Probleme nicht vorhanden wären: Warum sollte man Android auf einem PC nutzen? Mir fallen höchstens Spiele ein, die nur für Mobilgeräte entwickelt wurden. Ob die mit Maus und Tastatur viel Spaß machen, sei dahingestellt. Als Desktop-System muss man unter Android eher Abstriche hinnehmen. Eine vollwertige GNU/Linux-Distribution macht in meinen Augen wesentlich mehr Sinn – schon alleine, weil sie auf die Bedienung mit Maus und Tastatur ausgelegt ist. Ganz zu schweigen davon, wenn es um Hardwarenahe Dinge geht. Hier ist die Unterstützung für GNU/Linux weitaus umfangreicher und ich sehe keinen Mehrwert, den Android hier bieten könnte.

Negativ fallen außerdem die veralteten Sicherheitsaktualisierungen auf. Hier stelle ich mir die Frage: Wenn die Pflege bereits jetzt in einer Beta der ersten Distribution vernachlässigt wird – wie sieht es aus, wenn die anderen beiden veröffentlicht werden? Hier sehe ich die Gefahr, dass sich der Hersteller damit übernimmt. Zumal nicht abschließend klar ist, wieso es überhaupt so viele Distributionen geben muss, vor allem wenn sich zwei davon auch noch recht stark ähneln. Die Produktseite im Web wirkt zwar gekonnt umgesetzt, verrät dazu im Detail aber ebenfalls nicht viel.

Die Zeit wird zeigen, wie sich dies weiterentwickelt – ob diese Betriebssystemfamilie tatsächlich noch einen derartigen Mehrwert liefern kann, damit sie sich lohnt. Oder ob die Ressourcen nicht besser in die Portierung von bestehenden, (größeren) Distributionen investiert worden wären. Beim Raspberry Pi hat sich das Konzept bewährt, auf Debian als Basis zu setzen und dies mit eigenen Paketen anzupassen und zu ergänzen. In dieser Hinsicht dürfte Orange Pi OS Arch interessanter werden: Durch den Arch Linux Unterbau kann man sich über aktuellere Pakete freuen, was gerade bei der Nutzung als Desktop durchaus relevant sein könnte.

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