Guantánamo-Folter: Ein weiterer Versuch zur Schließung

Guantánamo-Folter: Ein weiterer Versuch zur Schließung

Nach seiner Wiederwahl im Jahr 2009 präsentierte es der US-Präsident Barack Obama als eines seiner wichtigsten Wahlversprechen: Das äußerst umstrittene Gefangenenlager Guantanamo solle endlich geschlossen werden. Versucht hat er es immerhin, herausgekommen ist dabei bislang allerdings nicht wirklich viel. Insbesondere republikanische Politiker sowie der Kongress wehren sich gegen eine Auflösung – und sprechen sich damit für eine ganze Reihe von sowohl rechtlichen als auch moralischen Verstößen aus.

Doch das könnte sich bald ändern: Der Plan zur Schließung sei laut Obama fast fertig – lediglich in ein paar Detailfragen gäbe es noch Klärungsbedarf. Darunter fällt beispielsweise der Transfer in Drittländern. Gerade dieser Aspekt lässt jedoch zumindest ein Stück weit fraglich erscheinen, ob die illegalen und menschenverachtenden Praktiken auch tatsächlich zusammen mit der Schließung von Guantanamo ein Ende finden.

9/11: Terrorismus wird mit noch mehr Terrorismus entgegnet

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 waren die USA zuerst geschockt. Allerdings dauerte es nicht lange, bis der damalige Präsident Bush zum Kampf gegen den Terrorismus aufforderte. Dafür wurde 2002 das Gefangenenlager Guantanamo für angebliche Terrorverdächtige eröffnet. Guantanamo ist aber keinesfalls mit einem gewöhnlichen Gefängnis vergleichbar: Es befindet sich abgelegen von den USA am Rand der Insel Kuba, um das US-Rechtssystem zu umgehen. Gegenüber dem höchsten Gericht der Vereinigten Staaten sah die Regierung ihre Gerichte als nicht zuständig an, da Guantanamo kein US-Staatsgebiet ist.

Der gesamte Guantanamo-Komplex ist in mehrere Lager eingeteilt. Camp X-Ray war das erste Lager für 320 Gefangene ausgelegt und bestand fast ausschließlich aus Käfigen unter freiem Himmel. Die Insassen hatten also keinerlei Privatsphäre und waren sämtlichen Umwelteinflüssen wie der prallen Sonne schutzlos ausgeliefert. Nach dem dies bekannt wurde und zu massiver Kritik führte, verhängte man die Zäune mit Tüchern.

Brutale Folter ist an der Tagesordnung

Bereits 2004 wurden erste Misshandlungen von Gefangenen bekannt und wenige Monate später sogar in einem Bericht des Verteidigungsministeriums bestätigt. Zu den eingesetzten Foltermethoden zählen unter anderem Drohunge von Vernehmungsbeamten gegen die Familie des Häftlings, verschmieren von angeblichem Menstrubationsblut im Gesicht, Schlafentzug und Waterboarding. Bei Letzterem wird dem Opfer ein Tuch über Mund und Nase gelegt, welches mit fließendem Wasser übergossen wird. Das Opfer fühlt sich dabei wie kurz vor dem Ertrinken und kann schwere bis irreparable traumareaktiven Erkrankungen zur Folge haben.

2009 erläuterte die Bush-Regierung am Beispiel eines Häftlings dessen Behandlung, die wie folgt aussah:

  • Der Häftling wurde an 48 von 54 aufeinanderfolgenden Tagen für jeweils 18 bis 20 Stunden verhört
  • 160 Tage lang hatte der Häftling keinen Kontakt zu anderen Menschen außer jenen, die ihn verhört haben
  • Ein Militärhund bedrohnte den Gefangenen
  • Er musste Nackt vor einer Frau des Ermittlerteams stehen

Besonders absurd: Er wurde dazu gezwungen einen Büstenhalter sowie Stringtanga zu tragen und mit einem Lederband welches an seinen Ketten befestigt war geführt. Anschließend musste er hundeähnliche Kunststücke aufführen.

Aber das ist noch längst nicht alles: Der Spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón fand im Rahmen seiner Ermittlungen noch weitere perverse Methoden heraus. Beispielsweise schlug das Militärpersonal die Häftlinge auf den Hoden, sperrte sie drei Wochen unterirdisch in voller Dunkelheit zusammen mit Nahrungs- und Schlafentzug ein oder beschmierten sie mit Exkrementen. Auch Drohungen über Injektionen von tödlichen Bandwürmern wurden festgestellt.

Selbst mit Medikamenten wird gefoltert

Die Gefangenen wurden Medikamente ohne medizinische Notwendigkeit verabreicht. Ehemalige Murat Kurnaz bestätigen dies: Die Wirkung sei Unterschiedlich gewesen und hätte von Kopfschmerzen über Schweißausbrüche bis hin zu Angstzuständen und Atemnot geführt. Berichtet wird außerdem von Gefangenen mit stark angeschwollenen Gliedmaßen. US-Amerikanische Anwälte haben verschiedene Aussagen und Dokumente ausgewertet die den Verdacht erhärten, dass Medikamente gezielt in zu hoher Dosis verabreicht wurden. Dadurch sollen die Gefangenen gefügiger gemacht werden. Bestätigt wird dies durch Todesfälle, die aufgrund einer Medikamenten-Überdosis entstanden sind.

Selbstmorde und Morde

Bei solchen Zuständen ist es nicht weiter verwunderlich, dass viele Gefangene ihrem Leben nach solchen Quälereien ein Ende setzen möchten. So kam es immer wieder zu versuchten und erfolgreichen Selbstmorden. Beispielsweise sollen sich drei Gefangene Mitte 2006 selbst erhängt haben, nachdem sie zuvor insgesamt 41 erfolglose Selbstmordversuche unternahmen. Die Obduktion konnte jedoch nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden, da beim Erhängen essenzielle Körperteile wie Teile des Rachens, Kelkopfes oder der Luftröhre fehlten. Einer der drei angeblichen Selbstmörder wies zudem Spuren einer möglichen Injektion auf.

Bis heute ist daher nicht zweifelsfrei geklärt, ob die drei Gefangenen wirklich Selbstmord begangen haben oder gar vom Lagerpersonal ermordet wurden. Auch andere Häftlinge haben etliche Selbstmordversuche unternommen. Teilweise haben sie explizit angekündigt, dies wegen der psychischen und physischen Folter unternommen zu haben.

Guantanamo ist illegal

Die US-Amerikanische Regierung vertritt die Rechtsfolgenvorstellung. Nach dieser verliert jemand bei einem Verstoß gegen das Recht selbst alle seine Rechte. Dies entspricht dem genauen Gegenteil eines Rechtsstaates wie die USA formell einer ist. In der Praxis kann man das leider nicht mehr ohne Einschränkungen behaupten: Die US-Amerikanische Verfassung sieht eine Anklage zusammen mit einem rechtmäßigen Gerichtsverfahren vor, wenn der begründete Verdacht einer Straftat vorliegt. Den Häftlingen in Guantanamo bleibt beides verwehrt – sie müssen stattdessen unmenschliche Folter erdulden, wie man sie vom Mittelalter kennt. Oft sogar über Jahre.

Guantanamo ist zusammen mit seinen Methoden und Praktiken also nicht nur hochgradig menschenverachtend, sondern zudem ganz klar illegal. Dies wurde auch durch höchstrichterliche Entscheidungen bestätigt, die das Verhalten der Regierung mit den Worten „ein Kriegszustand ist kein Blankoscheck für den Präsidenten“ rügen. Auch die Sondergerichte in Guantanamo wurden als klarer Rechtsbruch definiert. Als Folge wurden die Praktiken damals jedoch keinesfalls gestoppt – Stattdessen schaffte Bush mit dem Military Commission Act of 2006 nachträglich eine Rechtsgrundlage, um Guantanamo-Häftlingen einem Sondergericht zu unterziehen.

Unschuldige werden inhaftiert und gefoltert

Kein Rechtssystem ist unfehlbar – So ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch in Guantanamo viele unschuldige festgehalten wurden. Exakte Zahlen sind schwierig zu nennen da bis heute angebliche Terroristen in Guantanamo festgehalten werden dessen Schuld unklar oder kaum bewiesen ist. Von den seit 2002 insgesamt 779 inhaftierten Gefangenen waren laut internen Dokumenten mindestens 150 unschuldig – also wenigstens 19%. Eine sehr hohe Quote wenn man bedenkt, dass diese Menschen völlig grundlos pestialischen Qualen ausgesetzt wurden – und das nicht selten über etliche Jahre hinweg. Lakhdar Boumediene wurde beispielsweise im Januar 2002 nach Guantanamo gebracht und im Mai 2009 entlassen. Bei den brutalen Methoden ist fraglich, ob so jemand jemals wieder ein halbwegs normales Leben führen können wird.

Fazit: Eine Schande in jeglicher Hinsicht

Angesichts dieser Tatsachen ist es äußerst bedenklich zu beobachten, wie derart unmenschliche und zudem illegale Praktiken seit 13 Jahren in einem Staat betrieben werden, der sich Rechtsstaat schimpft. Es kann und darf nicht sein, dass die rechtsstaatlichen Prinzipien außer Kraft gesetzt werden. Denn diese existieren nicht ohne Grund, sollen sie Missbrauch und Willkür vermeiden. Beides fand in Guantanamo statt, und ist genau so wenig akzeptabel wie Selbstjustiz.

Ob es dabei um Terrorismus oder sonst etwas geht ist für diesen Grundsatz unerheblich. Das macht den Sachverhalt sogar noch absurder: Die US-Regierung terrorisiert ihre eigenen Bürger, um den Terrorismus zu bekämpfen. Dies erinnert ein Stück weit an das Talionsprinzip, dessen langfristige Folgen bereits von Ghandhi auf den Punkt gebracht wurden: „Auge um Auge – und die ganze Welt bild blind sein“.

Dass Obama dieses Problem offensichtlich in seiner gesamten Brisanz erkannt hat und sich auch nicht scheut es beim Wort zu nennen („dass Guantanamo der moralischen Autorität [der USA] geschadet hat“, „Guantanamo [war] kein Instrument für die Terrorismusbekämpfung, sondern wurde zu einem Symbol, das der Al Kaida half, Terroristen für ihre Sache zu rekrutieren. Die Existenz von Guantanamo hat wahrscheinlich mehr Terroristen auf der Welt geschaffen, als jemals dort inhaftiert wurden“) ist ein Anfang, aber es müssen Taten folgen. Und die blieben bislang selbst 6 Jahre nach den Worten noch aus.

One thought on “Guantánamo-Folter: Ein weiterer Versuch zur Schließung

  1. Fritz

    Guantanamo befindet sich auf Kubanischem Territorium. So kann nicht gegen demokratische Grundregeln auf US Territorium verstoßen werden.

    Was im Gefängnis von Guantanamo geschieht wäre in USA unmöglich.

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