Warum ist der Raspberry Pi so teuer geworden?

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Warum ist der Raspberry Pi so teuer geworden?

Was wurde aus dem 35 Dollar/Euro Computer?1 Viele haben den Eindruck, dass beim Raspberry Pi stark an der Preisschraube gedreht wurde. Auf den ersten Blick wirkt es tatsächlich so. Der Einplatinencomputer hat sich weiter entwickelt. Allerdings gibt es weitere Gründe, die auf den zweiten Blick gar keine Verteuerung darstellen – zumindest in Anbetracht des Preis-Leistungsverhältnis. Noch komplizierter wird es durch tatsächliche Preiserhöhungen. Die sind zwar vorhanden, jedoch anders, als von vielen empfunden. Werfen wir einen Blick auf die Preisentwicklung des beliebten Raspberry Pi in den letzten Jahren.

Warum der Preis den Raspberry Pi erfolgreich machte

Der Raspberry Pi ist so erfolgreich wie jung – betrachtet man ihn relativ zur Geschichte der IT. Als Heimcomputer keine Selbstverständlichkeit: Diese Art von Computern hatte in den 1980er Jahren ihren Höhepunkt. Gemeint sind damit günstige Geräte, die für interessierte/erfahrene Nutzer ausgelegt sind – etwa zum Programmieren, teils auch löten. Der C64 ist als meist verkaufter wohl am bekanntesten. Zu ihm gibt es bis heute ein eigenes Wiki.2 Ab etwa Mitte der 1990er Jahren verschwanden diese zugunsten IBM-Kompatibler PCs mit X86 Prozessoren. Der Bastel-Charakter reduzierte sich hierbei.

Es sollte Jahrzehnte dauern, bis der Raspberry Pi 2012 diese für nahezu tot gehaltene Szene wieder zum Leben erweckte. Er sollte bewusst günstig & einsteigerfreundlich sein, um Studienanfänger zum Experimentieren & Programmmieren zu motivieren. Das Ende der Heimcomputer führte zu weniger Informatikstudenten. Selbst die verbleibenden beschäftigten sich weniger mit der Technik. Sie nutzten Computer zunehmend als passive Konsumenten. Da IBM-Kompatible PCs im Vergleich zu Heimcomputern relativ teuer waren, ist der Preis ein wichtiger Faktor. Dazu seine vielfältigen Einsatzzwecke, die dank GPIO bis hin in die Elektrotechnik reichen.

So günstig fing es an

Für $35 kam das erste Modell auf den Markt – und wurde ein riesiger Erfolg. Weitere Modelle folgten. Mehrere Jahre lang bestand sein Markenzeichen im Preis von umgerechnet rund 35€. Den Import aus Großbritannien übernehmen Händler, die ihn lokal verkaufen. Es gab sogar ein A-Modell, das mit ca. 24€ noch günstiger war.3 Über mehrere Modelle hinweg blieb diese Grenze unangetastet, obwohl die Leistungsfähigkeit stetig stieg. Auch der damals neu erschienene Raspberry Pi 3 B+ war 2018 für knapp 35€ zu haben.4

Die versteckten Kosten

Schon damals galt ein Aspekt, der bis heute immer wieder übersehen wird: Der Preis bezieht sich auf den nackten Raspberry Pi, ohne jegliches Zubehör. Die Bezeichnung Zubehör findet gerne Verwendung, ist allerdings teilweise irreführend. Vieles Zubehör ist optional. Es erweitert die Funktionen, doch wird nicht zwingend benötigt. Ein gewisser Teil ist allerdings für den Betrieb erforderlich. Dazu gehören Micro-SD Karte & Netzteil als absolute Mindestausstattung. Empfehlenswert ist ein Gehäuse, für die Nutzung als Desktop zudem einen HDMI-Adapter. Neuere Modelle sollten einen Kühler spendiert bekommen. In diesem Beitrag habe ich das für den Raspberry Pi 5 detailliert aufgelistet.

Sicherlich hat manch einer zumindest Teile dieser Komponenten bereits zuhause. Bei einem Neueinsteiger kann man davon nicht ausgehen. Selbst wenn ein minimal ausgestatteter Raspberry Pi damals insgesamt ca. 50 Euro gekostet hat, ist es ein lukrativer Preis. Computer kosteten deutlich mehr. Mini-PCs waren 2012 kaum verbreitet, insbesondere fehlten günstige Modelle.

Der Raspberry Pi wurde sogar günstiger, fühlte sich aber teurer an

Der 2019 erschienene Raspberry Pi 4 B war der Beginn einer neuen Preisdimension. Zwar erschien das günstigste Modell weiterhin mit einer Preisempfehlung von 35 US-Dollar. Doch es kamen mehrere Faktoren zusammen, die für teils gefühlte, teils reale Preiserhöhungen sorgten. Der Raspberry Pi wurde weiterhin zunehmend leistungsfähiger. Dadurch entschloss man sich, erstmals insgesamt vier verschiedene Editionen anzubieten. Sie unterscheiden sich durch die Menge des Arbeitsspeichers: 1GB, 2GB und 4GB. 2020 folgte eine weitere Variante mit 8GB RAM.

Während der Kleinste mit 1GB RAM bei 35 US-Dollar blieb, musste für 8GB Arbeitsspeicher 75 US-Dollar bezahlt werden. Bereits hier bekamen manche den Eindruck eines erheblichen Preisaufstiegs: Sie sahen eines der größeren 2GB oder 4GB Modelle und verglichen dies mit den früheren. Nur die 1GB Variante ist allerdings fair vergleichbar. 2019 wurde sie für ca. 35-36€ verkauft, somit blieb sie nahezu stabil.

2020 wurde sogar der Preis des 2GB Modells von $45 auf $35 gesenkt.5 Dies führte auch in Deutschland zu einer Reduzierung von ca 45,90€ auf 36,90€. Zur Einordnung: Das erste Modell erschien 2012 mit 256MB, später 512MB. Der Speicher hat sich in 8 Jahren von 512MB auf 2GB um Faktor 8 erhöht. Parallel stieg auch die Rechenleistung an – weiterhin für $35 und umgerechnet etwa 35€.

Preiserhöhungen XXL: Wie der Raspberry Pi Mangelware wurde

Doch nicht lange. Noch im selben Jahr wurde Corona von der Epidemie zur Pandemie. Das hatte weltweit umfangreiche Auswirkungen auf viele Lieferketten: Lieferungen blieben aus, die Produktion musste gedrosselt oder teils komplett heruntergefahren werden.

Parallel stiegt die Nachfrage nach Elektronik. Unternehmen bestellten Laptops, Kopfhörer und weitere Geräte, damit ihre Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz nach hause verlagern können. Selbst Verweigerer sahen sich über Nacht gezwungen, Heimarbeit zu ermöglichen. Privatpersonen suchten in der Isolation nach Beschäftigung für die viele neue Zeit. Einige wollten sie nutzen, um endlich Bastelprojekte durchzuführen, zu denen man nie gekommen ist. Neben Laptops, Computern, TVs, Konsolen & co. wurden daher auch Raspberry Pis gekauft.

Durch die Lagerkapazitäten bekamen die Märkte das erst später zu spüren: 2021 kostete ein Raspberry Pi 4 mit 4GB RAM satte 85€ – statt der zuvor üblichen ~59€. Und das war erst der Anfang. Der Markt sollte noch viel weiter auf Preise von weit über 200€ eskalieren.

Warum sind die Preise derart eskaliert?

Die erhöhte Nachfrage stieß auf ein gesunkenes Angebot. Im Kapitalismus ist klar: Das führt zu Preissteigerungen. Dort bemisst sich der finanzielle Wert eines Produktes nur daran, wie viel der Markt bereit ist, dafür zu bezahlen. Einerseits sollte das grundsätzlich niemanden überraschen. Andererseits in diesem Falle doch, weil der Raspberry Pi nicht dem radikalen kapitalistischen Markt unterworfen ist: Offizielle Verkäufer bekommen Auflagen, die vorgegebenen Standardpreise (UVP) zu verlangen. Wer zu Wucherpreisen verkauft, wird nicht (mehr) beliefert.6

Doch die extremen Preissteigerungen von bis zu mehreren hundert Prozent auf dem freien Markt weckten das Interesse von Spekulanten. Scalper kauften Raspberry Pis günstig von offiziellen Händlern in großen Mengen. Nur um sie nach deren Ausverkauf weitaus teurer auf dem freien Markt zu verkaufen. Zwar versuchte sich das Raspberry Pi Team dagegen zu schützen.7 Der inoffizielle Markt konnte dennoch stetig Pis verkaufen. Selbst wenn dies nur ein relativ kleiner Anteil sein soll: Bei derartigen Dimensionen lassen sich riesige Profite einnehmen.

Kunden zweiter Klasse: Auch beim Raspberry Pi gibt es Kommerz

Wer den Raspberry Pi dadurch als rein gemeinnütziges Projekt für private Bastler sieht, der Irrt. Grundsätzlich besteht Eben Uptons Lebenswerk aus zwei Säulen: Die Raspberry Pi Foundation hat als Stiftung einen Bildungsauftrag. Sie möchte Studenten und mittlerweile auch Kindern/Jugendlichen das Programmieren beibringen. Viele kennen die Stiftung aus ihrer Medienpräsenz. Finanziert wird die Raspberry Pi Foundation durch die Raspberry Pi Ltd. Die Limited ist für die Produktion und den Verkauf der Raspberry Pis zuständig. Hierbei handelt es sich um ein kommerziell orientiertes Unternehmen, wie jedes andere auch.

Die Raspberry Pi Ltd. hat ihren Fokus zunehmend auf Geschäftskunden verlagert. Bereits 2020 erklärte Eben Upton, dass 44% ihrer jährlich verkauften Geräte an die Industrie sowie weitere kommerzielle Kunden geliefert werden.8 2022 erklärte er, diese Kunden gegenüber Privatpersonen zu priorisieren:9

Derzeit halten wir es für richtig, gewerblichen und industriellen Kunden Vorrang einzuräumen – also denjenigen, die Raspberry Pis für ihren Geschäftsbetrieb benötigen –, da wir uns bewusst sind, dass hier die Existenzgrundlage der Menschen auf dem Spiel steht. Derzeit reicht das Angebot aus, um den Bedarf dieser Kunden zu decken. […] Leider geht dies zu Lasten der Versorgung von Privatkunden, die möglicherweise nur eine kleine Anzahl für Heimprojekte oder Prototypen kaufen möchten.

Während die Begründung nachvollziehbar ist, macht sie zwei Dinge klar. Zum einen sind Privatkunden nicht mehr die primäre Zielgruppe. Sie müssen daher wohl auch bei zukünftigen Entscheidungen gegenüber den kommerziellen Interessen hinten an stehen. Zusätzlich wurde die lange Durststrecke für alle Bastler verlängert.

Es geht wieder aufwärts

Ende 2022 ist wieder Land in Sicht, als über 100.000 Raspberry Pis an den Einzelhandel für Privatkunden geliefert wurden. Das war Lichtblick & Tropfen auf den heißen Stein zugleich. Eben Upton versprach jedoch unbegrenzt viele Einheiten für das Jahr 2023. Er sollte Recht behalten: Mitte 2023 kam die Raspberry Pi „Welle“ und flutete den Markt. Offizielle Verkäufer konnten große Mengen für die UVP verkaufen. Damit brach der Spekulanten-Markt zusammen – innerhalb von Wochen normalisierten sich die Preise wieder auf das Niveau vor der Pandemie.10

Der Raspberry Pi 5: Zwischen scheinbar und wirklich teurer

Als diese Krise überwunden war, kam Ende 2023 der Raspberry Pi 5 als Nachfolgemodell auf den Markt. Ihr bekommt in diesem Beitrag weitere Eindrücke. Er soll mit 4GB RAM für $60 verkauft werden, $80 sind für 8GB Arbeitsspeicher fällig. Deutsche Shops hatten das 4GB Modell für rund 73€ gelistet. Wenige Monate später pendelte sich der Preis bei rund 63€ ein. Wieder bekamen Kunden den Eindruck, dass der stark teurer geworden ist. Diesmal half das Raspberry Pi Team kräftig mit: Es existierte gar keine kleinere Edition mit weniger Arbeitsspeicher.

Erst knapp ein Jahr später legt Eben Upton nach und stellt im August 2024 eine 2GB Variante vor.11 Sie ist mit $50 zwar $10 günstiger. Im Vergleich zu den historischen $35 sind rund 43% Aufschlag erheblich. Eine weitere Variante mit 1GB RAM lässt weiter auf sich warten – obwohl der Widerstand zur Speicheranzeige dafür Platzhalter vorsah. Offiziell versprochen wurde sie nie. Stattdessen erschien Anfang 2025 der Raspberry Pi 5 mit satten 8 GB für $120. Wer einen Raspberry Pi 5 mit grundlegendem Zubehör kauft, kratzt schnell an der 100€ Marke.

Andererseits bekommt man dafür neben deutlich mehr Leistung auch neue Funktionen. Beispielsweise enthält er erstmals eine PCIe-Schnittstelle. Darüber können beispielsweise SSDs deutlich schneller angebunden werden, als bisher über den Umweg per USB.

Die Richtung ist klar

Damit hat Eben Upton sich Positioniert, welche Richtung der Einplatinencomputer zukünftig einschlagen wird: Mehr Leistung & Funktionen. Bereits die Vorgänger entfachten hitzige Diskussionen darüber, ob das der richtige Weg ist. Grob Zusammengefasst gibt es zwei Lager: Die einen nutzen den Raspberry Pi als Micro-Server, Wiedergabegerät, Mini-PC und ähnliche Zwecke, die Leistung benötigen. Andere überlassen ihm weniger anstrengende Aufgaben, insbesondere mit den GPIO-Anschlüssen. Beispielsweise Messdaten von Sensoren verfassen und archivieren/aufbereiten. Letztere bevorzugen ein günstigeres Gerät mit geringer Energieaufnahme.

Beides ist derzeit noch kein Widerspruch und wird es noch mindestens viele Jahre nicht werden: Jedes Raspberry Pi Modell wird über viele Jahre gepflegt. Wer wenig Leistung benötigt, kann auch 2025 weiterhin einen Raspberry Pi 4, 3 oder Zero (2) verwenden. Allerdings gehört die Zukunft nicht mehr dem 35 Dollar-Computer. Sondern dem 50+ Dollar-Computer.

Fazit

Verschiedene Dinge kamen zusammen. Sie haben teilweise dazu geführt, dass der Raspberry Pi teurer erscheint. Obwohl es zu der Zeit noch gar keine Preiserhöhungen gab, sondern sogar Senkungen. In der Pandemie war er von Lieferproblemen & Preiserhöhungen betroffen. Sie haben vieles getan, um den Preis nicht den Spielregeln des Marktes unterwerfen zu müssen. Doch der trieb die Preise derart in die Höhe, dass die Gier von Hardcore-Kapitalisten nicht zu bremsen war. Diese Zeiten sind zum Glück längst vorbei.

Während der Raspberry Pi 4 mit 1GB wieder gleich viel Kostet wie der Vorgänger, ist der Preis beim Raspberry Pi 5 tatsächlich deutlich gestiegen. Zwar erstmals seit langem, dafür deutlich. X86 Mini-PCs werden damit noch interessanter – zumal sie weniger Einschränkungen/Probleme als die ARM-Architektur aufweisen. Insbesondere wer GPIO benötigt, kann von der großen & soliden Plattform des Raspberry Pi profitieren.

Quellen

  1. https://www.derstandard.at/story/1330389933572/minicomputer-raspberry-pi-der-35-dollar-pc-ist-da ↩︎
  2. https://www.c64-wiki.de/wiki/C64 ↩︎
  3. https://buyzero.de/products/raspberry-pi-1-model-a-plus ↩︎
  4. https://www.t-online.de/digital/aktuelles/id_83394150/raspberry-pi-neuer-mini-computer-kostet-35-euro.html ↩︎
  5. https://www.golem.de/news/bastelcomputer-2-gb-raspberry-pi-4-dauerhaft-im-preis-gesenkt-2002-146908.html ↩︎
  6. https://forums.raspberrypi.com/viewtopic.php?p=2045171#p2045171 ↩︎
  7. https://forums.raspberrypi.com/viewtopic.php?p=2066259#p2066259 ↩︎
  8. https://www.theregister.com/2020/12/17/raspberry_pi_to_anoint_design/ ↩︎
  9. https://www.raspberrypi.com/news/production-and-supply-chain-update/ ↩︎
  10. https://geizhals.de/raspberry-pi-4-modell-b-a2081132.html ↩︎
  11. https://www.raspberrypi.com/news/raspberry-pi-4-on-sale-now-from-35/ ↩︎

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