Windows auf dem Raspberry Pi ist tot

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Windows auf dem Raspberry Pi ist tot

Hier scheiterte Microsoft kläglich: Windows auf dem Raspberry Pi ist tot. Und das, obwohl der Konzern im X86 Desktop-Bereich eine Quasi-Monopolstellung besitzt. Selbst bevor sie Windows für den Raspberry Pi sterben ließen, spielte das proprietäre Betriebssystem dort keine Rolle. Auf den ersten Blick mag es daher verwundern, wie Microsoft bei dem beliebten Einplatinencomputer derart ins Hintertreffen gelangen konnte. Dieser Beitrag wirft einen aktuellen Blick auf die Lage von Windows auf dem Raspberry Pi im Jahre 2025.

Zusammengefasst: Was bisher geschah

Microsoft ist bekannt für sein verwirrendes Angebot. Beim Raspberry Pi machen sie keine Ausnahme. Noch undurchsichtiger wird es durch inoffizielle Angebote aus der Community. Sie versuchen Microsofts künstliche Beschränkungen zu umgehen, bewegen sich damit aber mindestens im Graubereich. Teilweise machen sich Nutzer sogar strafbar. Zwei umfangreiche Beiträge waren nötig, um das Chaos zu ordnen.

Windows 10 IoT Core

Wer nach Windows für den Raspberry Pi sucht, landet schnell auf offiziellen Microsoft-Seiten. Dort ist allerdings von Windows 10 IoT Core die Rede. Das ist eine spezielle Edition, mit denen der Konzern sein proprietäres Betriebssystem auf Geräte aus dem Internet der Dinge bringen möchte: Smarte Kühlschränke, Fernseher usw. Es besitzt keine grafische Desktop-Umgebung. Programme für das Desktop-Windows lassen sich dort nicht starten, es unterstützt lediglich die Universelle Windows-Plattform (UPW). Diese Nische hat sich nie durchgesetzt. Mindestens 99% der Raspberry Pi Bastler werden feststellen, dass sie damit kaum brauchbares anfangen können.

Microsoft macht es noch schlimmer: Lediglich der uralte Raspberry Pi 2 (erschienen 2015) und 3B (2016) darf Windows 10 IoT Core ausführen. Bei meinem 2022 erschienenen Beitrag wurde nicht einmal der 2019 erschienene Raspberry Pi 4 unterstützt. Über drei Jahre später ist er weiterhin unverändert aktuell: Raspberry Pi 4 und der seit längerem erhältliche Nachfolger Raspberry Pi 5 erhalten keine Unterstützung. Für die restlichen 1% ist Windows 10 IoT Core uninteressant, weil sie dafür auf fast zehn Jahre alte Hardware setzen müssten.

Windows 10 ARM

Lange Zeit war Microsofts Portierung von X86 auf die ARM-Architektur den meisten unbekannt. Es gab kaum passende Hardware und die wies alleine wegen eines sehr geringen Softwareangebots schwere Nachteile auf. Dabei wäre Windows 10 auf ARM wohl das, was sich Windows-Fans auf dem Raspberry Pi wünschen würden: Das vollwertige Desktop-Windows mit grafischer Umgebung. Inzwischen kann es X86 Software emulieren. Zwar nicht effizient, doch für kleinere Programme, die Windows erzwingen, reicht das möglicherweise aus.

Doch auch hier legt der Konzern massig Steine in den Weg: Offiziell wird bis heute kein Raspberry Pi unterstützt. Zwar haben Hardcore Windows-Fans ein Community-Projekt ins Leben gerufen. Da Windows unfreie, proprietäre Software ist und ARM mangels Standards spezielle, auf jedes Gerät angepasste Abbilder erfordert, kann dies nur durch einen Trick in der Grauzone existieren: Sie bieten keine ISO-Abbilder an, wie das üblich ist. Denn das wäre eine Urheberrechtsverletzung, die Microsoft hart bestrafen kann. Stattdessen laden sich die Nutzer hunderte Updates von Microsofts eigenen Servern herunter. Ein Skript packt sie aus und bastelt daraus ein ISO zusammen.

Das klingt bereits nach Gefrickel, ist jedoch erst der Anfang. Aufgrund mangelnder offizieller Unterstützung fehlen viele Treiber, nur ein Teil der Raspberry Pi Hardware kann genutzt werden. Der rest mehr oder weniger schlecht. Außerdem lässt sich das ARM-Windows bis heute nicht einwandfrei legal Lizenzieren. Offiziell handelt es sich um Insider Preview Testinstallationen. Microsofts komplexe, undurchsichtige Lizenzpolitik ist ein Thema für sich. Eine dauerhafte, produktive Nutzung dürfte illegal sein. Das verhindert der Konzern zudem, in dem sich keine neuen Windows-Versionen (z.B. 24H2) per Upgrade installieren lassen. Alle paar Monate wäre also eine Neuinstallation nötig, um sicherheitstechnisch nicht noch stärker angreifbar zu machen.

Microsoft tötet das letzte bisschen Windows für den Raspberry Pi langsam

Alles bisher ist seit Jahren bekannt. Es fasst lediglich die zwei ausführlichen Beiträge zusammen, die ich dazu bereits vor längerem geschrieben hatte. Obwohl viel Zeit vergangen ist, hat sich daran exakt nichts geändert: Auf der Liste unterstützter Einplatinencomputer stehen nur Raspberry Pi (ohne V1.2) und 3B. Selbst die Version für den 3B+ ist in noch immer eine Vorschauversion – seit 2018, also mittlerweile satte 7 Jahre.1 Auf das integrierte WLAN-Modul muss weiterhin verzichtet werden, inklusive Bluetooth.

Es ist offensichtlich, dass der Konzern das Interesse am Raspberry Pi längst verloren hat. Ansonsten hätte man zeitnah die Fehler in der RPI 3B+ Vorschauversion korrigiert und als stabil veröffentlicht. Darüber hinaus natürlich schon vor langem den Raspberry Pi 4 + 5 unterstützt. Trotzdem wurde das Projekt nie offiziell für beerdigt erklärt – bis heute. Microsoft lässt Windows 10 IoT Core für den Raspberry Pi einen langsamen, qualvollen Tod sterben. Dieses Verhalten wirkt nicht, als stamme es von einem bekannten Marktführer, der als halbwegs professionelles Unternehmen ja einen Lebenszyklus für seine Projekte entwickelt. Sondern wie ein Praktikant oder maximal Azubi. Der hat was angefangen, die Abteilung gewechselt und nun hat niemand mehr Lust, sich darum zu kümmern.

Wen interessieren die Nutzer? Heimlich fallen lassen als arrogante Firmenpolitik

Dabei ist dieses ignorante Verhalten dem Raspberry Pi keineswegs würdig. Alleine im Jahr 2024 wurden 7 Millionen Stück verkauft.2 Es handelt sich um den beliebtesten Einplatinencomputer, der zunehmend auch industriell in fertigen Produkten verbaut wird. Für Microsoft mit alleine über 1 Milliarde (!) Windows Nutzern scheint das zu wenig lukrativ, um dort weiter zumindest grundlegende Ressourcen zu investieren.

Das ist keineswegs ein Einzelfall. Bereits seit längerem lässt Microsoft Projekte stillschweigend vergammeln, die ihnen kommerziell als nicht (mehr) lukrativ erscheinen. Es ist so umfangreich und extrem, dass selbst langjährige Microsoft-Fans frustriert aufgeben. Die sind natürlich am Ende die Dummen, wenn sie Produkte des Konzerns empfehlen. Der jedoch seine Software nicht nur fallen lässt, sondern seinen Kunden nicht mal eine ehrliche Kommunikation darüber wert ist.

Wenn Windows freie Software wäre, dann wäre es längst auf dem RPI verbreitet

Genau das ist für mich schon lange ein wichtiger Grund gegen proprietäre und für freie Software. Bei proprietären Programmen ist die Macht ungleich verteilt, der Nutzer ist dem Rechteinhaber untergeordnet. Daher spricht man auch von unfreier Software. Verschlechtert der Anbieter deren Qualität/Umfang, stellt sie ein oder schaltet gar komplett ab, sind Kunden dem machtlos ausgeliefert. Sie haben ja keinerlei Ansprüche, außer eine eingeschränkte Lizenz zur Nutzung.

Freie Software hingegen setzt den Fokus auf die Freiheit des Nutzers. Er darf solch ein Programm nicht nur nutzen, sondern hat Anspruch auf vier Freiheiten: Verwenden, Verstehen, Verbessern und Verbreiten.3 Sowohl rechtlich als auch praktisch (Code ist quelloffen) kann und darf freie Software weiter leben. Es gibt schlicht keinen klassischen Urheber, dem alles gehört. Stattdessen ist die Community der Eigentümer. Wenn Entwickler die Arbeit an einem Projekt aufgeben, bilden sich Abspaltungen und es lebt weiter. Ein Beispiel von vielen ist exa, welches als eza weiter lebt.4

All diese Freiheiten verbietet Microsoft bei Windows. Hätten sie Windows als freie Software freigegeben, wäre es nicht nur längst für alle Raspberry Pi Modelle verfügbar. Sondern es wäre sicherlich ein relevantes Betriebssystem geworden. Diesen Platz haben stattdessen GNU/Linux Distributionen eingenommen. Sie bilden ein riesiges Ökosystem, welches von der Community gepflegt und für alle möglichen Anforderungen angepasst wurde. Einige davon habe ich bereits vorgestellt.

Warum ist Microsoft der Raspberry Pi egal?

Da der Softwareriese sich in Schweigen hüllt, kann man anhand der verfügbaren Infos nur das plausibelste vermuten: Die Opportunitätskosten im Vergleich zu Cloud sind wahrscheinlich höher. Mit Abos für Clouddienste kann das Unternehmen wohl viel mehr Geld aus dem Mitarbeitern herausholen, als über Windows 10 IoT Core. Bereits das normale Desktop-Windows liefert Taschengeld im Vergleich zu Clouddiensten.

Maßgeblich sind dabei folgende Aspekte: Cloud ist meist teurer und es generiert wiederkehrende Kosten. Während eine klassische Lizenz nur einmalig gekauft wird, zahlen Kunden für z.B. ein M365 Abo monatlich oder jährlich. Dazu zahlen sie durch umfangreiche Überwachung & der dadurch einhergehenden Sammlung von Daten mehrfach. Außerdem ist die Abhängigkeit viel größer. Das lässt Kunden weitreichendere Preiserhöhungen akzeptieren oder zumindest tolerieren.

Fazit: Manche haben Lehrgeld bezahlt

Würde man Microsoft ein Arbeitszeugnis für Windows auf dem Raspberry Pi ausstellen, wäre die Formulierung Sie haben sich stets bemüht noch großzügig. Seit sehr langer Zeit kann man nämlich keinerlei Bemühungen mehr feststellen. Wer auf Windows setzte, hat ein über Jahre hinweg unter Vollnarkose stehendes Pferd auf der Intensivstation bekommen. Niemand traut sich, es für tot zu erklären. Doch jedem ist klar, dass es längst zu Ende ist.

Damit liefert Microsoft wieder mal ein mahnendes Negativbeispiel, welche hohen Risiken die Wahl unfreier Software birgt. Proprietäre Lizenzen erlauben es nicht, ein stabiles, einfaches und vor allem legales Windows für den Raspberry Pi anzubieten. Die Community dafür wäre freilich vorhanden. Aber die macht es richtig und fokussiert sich auf freie GNU/Linux Betriebssysteme.

Das Raspberry Pi OS ist das bekannteste Beispiel für freie GNU/Linux Betriebssysteme, die hervorragende Unterstützung für den Raspberry Pi genießen

Nur ein kleiner, hartnäckiger Teil führt den Kampf gegen Windmühlen. Das ist aussichtslos, hat sich seit Jahren nicht durchgesetzt und wird es auch in Zukunft nicht. Das ist gut und sollte jene zum Nachdenken bringen, die sich mit der Nutzung von Windows noch immer Microsofts Raubtierkapitalismus unterwerfen. Statt dieses unsichere, zunehmend weiter eingeschränkt werdende Betriebssystem auch noch auf den Raspberry Pi zu bringen, versucht mal lieber, eure PCs & Notebooks auf Raspberry Pi Niveau zu bringen.

Quellen

  1. https://github.com/MicrosoftDocs/windows-iotcore-docs/blob/main/windows-iotcore/release-notes/Insider/RPi3BP.md ↩︎
  2. https://www.heise.de/news/Raspi-Hersteller-legt-Verkaufszahlen-und-Kosten-offen-10339539.html ↩︎
  3. https://fsfe.org/freesoftware/freesoftware.de.html ↩︎
  4. https://github.com/ogham/exa ↩︎

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