Dell OptiPlex 780 für ~36 Euro im Test: Große, aber Preiswerte Alternative zum Raspberry Pi und anderen Mini-PCs? Alltagsleistung, Stromverbrauch & mehr

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Dell OptiPlex 780 für ~36 Euro im Test: Große, aber Preiswerte Alternative zum Raspberry Pi und anderen Mini-PCs? Alltagsleistung, Stromverbrauch & mehr

Es gibt viele Systeme, die abhängig vom Einsatzzweck eine Alternative für den Raspberry Pi darstellen können. Gerade wenn es um Arbeits-PCs oder kleine Server geht, findet man im Internet gebrauchte Computer zu einem attraktiven Preis: Der Dell OptiPlex 780 kostet lediglich 38 Euro inklusive Versand. Manche bieten ein paar Prozent Rabatt, wenn man den Artikel auf der Beobachtungsliste speichert. In meinem Falle habe ich das Gerät für nur 35,34 € bekommen. Dies kann aber ein paar Tage dauern.

Doch wie gut ist ein derart günstiger Computer? Was kann man damit machen und wo sind die Grenzen? In diesem Beitrag werde ich den OptiPlex 780 ausführlicher testen.

Gehäuse und Format

Als Erstes fällt das ungewöhnliche Format auf: Es wird Small Form Factor (SFF) genannt. Das ist allerdings kein genormter Formatfaktor, wie beispielsweise ATX. Sondern ein Sammelbegriff für alle Gehäuse, die kleiner als gewöhnliche Computergehäuse sind. Ein Lenovo Tiny gehört beispielsweise eben so dazu, wie ein Intel NUC oder eben der Raspberry Pi. Beim OptiPlex 780 ist der Größenunterschied zu einem vollwertigen PC überschaubar und macht nur wenige Zentimeter aus. Er ist damit nicht mit Mini-PCs wie dem Lenovo Tiny vergleichbar – ihr braucht also entsprechend Platz. Positiv: Man kann den Deckel mit zwei Handgriffen innerhalb von Sekunden abnehmen. Das ist sehr praktisch und habe ich bisher in der Form noch nicht gesehen.

Der größte Nachteil von dieser Bauform ist in meinen Augen die fehlende Standardisierung. Jeder Hersteller entwickelt mehr oder weniger seine eigene Hardware. Gerade die Netzteile sind oft proprietär. Dies kann die Bauform und/oder den Stecker betreffen. Das hier verbaute Netzteil ist beispielsweise schmäler, dafür länger und weist keine komplett rechteckige Form auf. Innerhalb der EU werden derzeit noch etwa 11 Ersatzteile auf eBay angeboten. Hier stellt sich die Frage: Wie lange noch? Wenn diese in Zukunft nicht mehr verfügbar sind, kann man nicht jedes beliebige genormte ATX-Netzteil einbauen, wie bei normalen PCs.

Das proprietäre Netzteil ist kein Kasten wie bei den gängigen ATX-Netzteilen, sondern Stufenförmig.

Darüber hinaus schränkt dies zudem die Möglichkeiten zur Aufrüstung ein. Insbesondere bei Grafikkarten ist dies sowohl von der Leistung als auch vom Platz her ein Problem. Bei diesem Gerät mag das weniger relevant sein. Natürlich gibt es die gleiche Problematik bei neueren proprietären Systemen eben so. Dem sollte man sich bewusst sein und neben den praktischen Nachteilen hinterfragen, ob man – vor allem durch Neukauf – solche Praktiken unterstützen möchte. Denn der Vorteil in Tower-PCs (die nur wenig größer sind) liegt ja eben in der Möglichkeit des recht flexiblen Aufrüstens.

Hardware

Die Hardware ist deutlich über 10 Jahre alt: Der Intel Core2 Duo E8400 Prozessor stammt aus dem Jahre 2008. Zwei Kerne takten auf 3,0 GHz mit einer TDP von 65 Watt. Im Benchmark von cpubenchmark.net erreicht er 1.172 Punkte. Zum Vergleich: Der BMC2711 des Raspberry Pi 4 kommt auf 834 Punkte. Ein fairerer Vergleich wäre allerdings ein Prozessor für Büro-Computer. Etwa der Intel Pentium Gold G7400: Er hat ebenfalls nur zwei Kerne, dafür 4 (statt 2) Threads und läuft mit 3,7 GHz. Die TDP beträgt 46 W, im Benchmark erreicht er 6.803 Punkte. Preislich liegt er bei etwa 85 Euro. Selbst ein 2018 erschienener Intel Pentium Gold G6600 ist mit 4.396 Punkten deutlich schneller.

Ansonsten ist das System mit 4 GB Arbeitsspeicher ausgestattet, wie der zweitgrößte Raspberry Pi 4. Für einfache Office-Anwendungen reicht das noch, ist allerdings nur begrenzt zukunftsfähig. Die 250 GB Magnetfestplatte kann man definitiv als veraltet bezeichnen und sollte durch eine SSD ersetzt werden. Wer externe Festplatten nutzen möchte, sollte zudem bedenken: Die Hauptplatine besitzt noch keine USB 3.0 Anschlüsse. Brutto erreicht USB 2.0 eine Datenrate von 480 Mbit/s, dies entspricht 60 MByte/s. In der Praxis werden etwa bis zu 40 MByte/s erreicht, wodurch Festplatten gebremst werden. WLAN und Bluetooth fehlen, dies müsste bei Bedarf per PCI-Express Karte oder USB-Sticks nachgerüstet werden.

Nutzung

Unter Windows 10 fühlt er sich etwas Flotter an, als ein Raspberry Pi 4. Dennoch merkt man gelegentlich immer wieder Gedenksekunden, auch beim Surfen – zumindest in der Standardkonfiguration mit Windows 10 und HDD. Das scheint primär an der Festplatte zu liegen: Selbst eine günstige SSD für runter 20 Euro verbessert die Leistung spürbar. Auch Surfen im Web ist nun flüssiger.

Noch etwas besser können GNU/Linux Distributionen wie Xubuntu mit dem System umgehen: Beim Surfen im Web merkt man kaum Unterschiede zu leistungsfähigeren Systemen. Lediglich bei der Wiedergabe von Videos kommt es kurzzeitig mal zu 1 oder 2 Sekunden Wartezeit, wenn man etwa in den Vollbildmodus wechselt oder weiter spult. Die Wiedergabe in Full-HD selbst ist dagegen kein Problem, hier ruckelt nichts. Dabei ist der Prozessor zu etwa 50 bis 60 Prozent auf beiden Kernen ausgelastet, beim Arbeitsspeicher werden rund 1,4 GB belegt. Selbst mit den verbauten 4 GB lässt sich also bereits einiges abdecken. Sie lassen sich bei Bedarf erweitern, da nur 2 von 4 Bänken belegt sind.

Stromverbrauch

Ausgeschaltet wird ein Verbrauch von 1 Watt gemessen (1). Entsprechend der Spezifikation des Fritz! DECT 200 Messgerätes ist die Genauigkeit in diesem Bereich jedoch überschaubar. Beim Start gibt es kurzzeitige Spitzen von bis zu 71 Watt. Sie sinken im Leerlauf auf etwa 52 W. Hierbei wurde das System im Auslieferungszustand betrieben, d.H. das vorinstallierte Windows 10 auf der Festplatte. Ohne Netzwerkverbindung, damit im Hintergrund laufende Aktualisierungen von Windows nicht den Stromverbrauch in die Höhe treiben.

Unter Vollast zieht der Dell bis zu 102 Watt aus der Steckdose – ein neuer Rekord. Noch mal knapp 1/3 mehr, als der Giada H81. Wird die 3,5″ Festplatte durch eine 2,5″ SSD ersetzt, liegen wir bei 48,5 W im Leerlauf. Interessant: Mit GNU/Linux (Xubuntu ) sinkt der Stromverbrauch auf rund 87 Watt unter Vollast. Linux ist hier also etwa 15 Watt sparsamer als Windows.

Selbst ohne Last und mit stromsparender SSD verursacht der OptiPlex jedoch Kosten von satten 178 Euro im Jahr, bei 42 Cent pro kWh! Für das gleiche Geld könnte man etwa 16 Raspberry Pi oder fast drei Giada H81 betreiben. Das ist vor allem in Anbetracht des Verhältnisses zur Leistung bitter: Der i5 des H81 ist wesentlich stärker.

Vergleich der bisher getesteten Mini-PCs – Quelle: U-Labs Forum

Fazit

Der Dell OptiPlex 780 ist mit seinen 36 Euro extrem günstig – für einen Raspberry Pi 4 müsste man derzeit etwa 4-5 Mal so viel bezahlen und auch X86 Mini-PCs kosten deutlich mehr. Von der Leistung her kann er durchaus mithalten, gerade als Desktop ist der Dell sogar etwas schneller. Doch die Architektur ist stark veraltet, das macht sich auch beim Prozessor mit nur 2 Kernen bemerkbar – zukunftssicher sieht anders aus. Zudem verbaut der Hersteller leider proprietäre Komponenten, womit die flexible Erweiterbarkeit eingeschränkt wird. Ich würde ihn daher auch im Desktop-Bereich nur als absolute Notlösung verwenden, etwa wenn sehr wenig Geld zur Verfügung steht und man ein Übergangsgerät benötigt.

Als Server disqualifiziert sich der OptiPlex 870 bereits durch den sehr hohen Energieverbrauch. Nach etwa 1-2 Jahren hat er die Ersparnis im Kaufpreis zu einem gebrauchten Lenovo Tiny dadurch aufgefressen. Sowohl ökologisch als auch ökonomisch macht dies keinen Sinn. Einzig sinnvolle Ausnahme ist in meinen Augen wieder als Ersatzgerät, dass für einige Tage als Übergangslösung dienen soll. Insgesamt ist daher recht eindeutig: Dieser OptiPlex 870 lohnt sich kaum – vor allem nicht zum Kauf. Etwas mehr Geld in die Hand zu nehmen macht für die meisten Anwendungsfälle Sinn.

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