Die Vorratsdatenspeicherung – Allheilmittel oder Privatsphäre-Killer?

Die Vorratsdatenspeicherung – Allheilmittel oder Privatsphäre-Killer?

Alle Jahre wieder grüßt in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung: Anfang November 2007 stimmten CDU/CSU und SPD für die Vorratsdatenspeicherung, noch am Ende des gleichen Monats wurde sie eingeführt. Nach zahlreichen Beschwerden erklärte das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung im März 2010 für Verfassungswidrig. Seit dem werden immer wieder neue Forderungen nach einer Vorratsdatenspeicherung 2.0 laut. Vorzugsweise nach (Terror-)Anschlägen wie etwa auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo im Januar 2015: Gerade mal ein Tag später kam die Forderung der CSU nach anlassloser Speicherung in Deutschland. Obwohl Charlie Hebdo trotz Vorratsdatenspeicherung, die in Frankreich bereits seit 2006 für 12 Monate vorgeschrieben ist, nicht gerettet werden konnte. Was ist von dem Thema also zu halten?

Massiver Eingriff in die Privatsphäre

Zunächst sollte man sich vor Augen halten, was die Vorratsdatenspeicherung eigentlich ist: Telekommunikationsanbieter wie die Deutsche Telekom, 1und1, Unitymedia und Konsorten müssen sämtliche Verbindungsdaten der Nutzer speichern. Dazu gehört etwa, wer wann mit wem telefoniert, eMails schreibt oder welche Internetseiten besucht werden – also alles außer dem eigentliche Inhalt. Diese Informationen werden auch Metadaten genannt.

Dies mag auf den ersten Blick relativ harmlos klingen, ist jedoch ein massiver Eingriff in die Privatsphäre. Metadaten können auch ohne Text- oder Gesprächsinhalte sehr viel über eine Person verraten, wie eine Studie aus dem Jahr 2014 beweist. Neben umfangreichen Bewegungsprofilen können häufig alleine durch den Kommunikationspartner bereits Rückschlüsse auf das Privatleben des Betroffenen geschlossen werden: Eine Frau, die beispielsweise zuerst ein längeres Gespräch mit ihrer Schwester führt sowie bei mehreren Schwangerschaftsberatungen anruft, ist mit recht großer Wahrscheinlichkeit ungewollt schwanger.

Außerdem wird die Unschuldsvermutung – eine wichtige Grundlage unseres Rechtsstaates – stark abgeschwächt bzw. sogar vollständig ausgehebelt:  Unser Grundgesetz sieht daher strenge Grenzen für die Überwachung von Bürgern vor: Bei begründetem Verdacht für eine besonders schwere Straftat darf nach richterlicher Anordnung von 3 Richtern durch technische Maßnahmen überwacht werden. Gefahr im Verzug ist die einzige Ausnahme, wobei dies natürlich im Nachhinein entsprechend begründet werden muss. Mit der Vorratsdatenspeicherung wird letztendlich die gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht gestellt – statt wie bisher nach erhärtetem Verdacht zielgerichtet zu ermitteln.

Hohe Gefahr durch Datenmissbrauch

Man sollte auch nicht außer Acht lassen, dass große Datenmassen ein beliebtes Angriffsziel sind. 100%tige Sicherheit kann es nicht geben, da Software und IT-Systeme von Menschen entwickelt wurden. Und Menschen sind bekanntlich alles andere als fehlerfrei, sodass auch die entwickelten Systeme Fehler aufweisen. Abgesehen von Angriffen durch außen gibt es zudem eine recht große Anzahl von Mitarbeitern, die auf solche Daten zugreifen müssen. Dies fängt bei einschlägigen Behörden an und Endet bei Administratoren, die zur Wartung der Infrastruktur auf die Daten zugreifen müssen. Bei der amerikanischen NSA werden beispielsweise Nacktfotos die im Rahmen der Massenüberwachung erbeutet wurden, von den Mitarbeitern untereinander getauscht wie Spielkarten auf dem Schulhof. Auch den vermeintlichen Good guys sollten wir daher unsere Daten nicht einfach gedankenlos anvertrauen.

Was nutzt die Vorratsdatenspeicherung?

Das wirft erst mal die Frage auf, wie groß die Erfolge der Vorratsdatenspeicherung denn in der Praxis sind. Da die anlasslose Speicherung erst vor wenigen Jahren in Deutschland praktiziert wurde, liegen sogar sehr spezifische Daten vor – und die sind erschreckend: Durch die Vorratsdatenspeicherung wurde die Aufklärungsquote nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert – die Anzahl an Straftaten stieg an, wogegen die Aufklärungsquote sank. Interessant ist auch, dass die Auflärungsquote ohne anlasslose Speicherung gerade bei Themen wie Kinderpornographie mit 87,5 % oder Internetkriminalität (79,8 %) deutlich höher ist als bei klassischen Offline Straftaten, von denen lediglich 54,8 % aufgeklärt wurden. Kurioserweise sind das zusammen mit Terrorismus genau jene Straftaten, die von vielen Politikern als Argument für die Vorratsdatenspeicherung genannt werden.

Fazit: Unverhältnismäßig und gefährlich

Die Vorratsdatenspeicherung sowie allgemein die damit einhergehende Massenüberwachung schränkt Freiheit und Sicherheit der Bürger massivst ein. Auf der anderen Seite steht kein Nutzen – Im besten Falle ein extrem geringer, der in keinster Weise im Verhältnis zur daraus resultierenden Einschränkung der Bürger steht. Wie die Fakten zeigen, sind die gefährlichen Prognosen der Politiker nach denen uns gar totale Anarchie ohne VDS droht, reine Totschlagargumente und letztendlich völliger Unsinn.

Unsere Aufklärungsraten bei im Internet begangenen Straftaten sind gut, weit besser als jene die klassisch offline begangen wurden. Die VDS hat nicht mal eine abschreckende Wirkung gezeigt. Auch in anderen Ländern wie Frankreich sieht es nicht besser aus, obwohl dort schon seit etlichen Jahren die Daten der Bürger auf Vorrat protokolliert werden. Da die Stimmen jener die sie dennoch fordern dennoch nicht verstummen, ist Vorsicht geboten: Da die VDS nicht der Verfolgung von Straftaten dient, haben diese Personen wohl ganz andere Pläne damit – die wohl kaum im Interesse der Bevölkerung sein dürften…

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