McBroken: Warum die McDonald’s Eismaschine wirklich immer kaputt ist

Als Video ansehen
Bereitgestellt über YouTube

McBroken: Warum die McDonald’s Eismaschine wirklich immer kaputt ist

Wenn du ein Eis möchtest, ist die Maschine zufällig kaputt? Hacker haben herausgefunden, dass viel mehr dahinter steckt. Ein raffinierter Hersteller versucht, seine Umsätze zu Maximieren – Auf Kosten der McDonald’s Filialen und damit auch Kunden. Startups versuchen dagegen vorzugehen, lösen jedoch einen Rechtsstreit aus. In diesem Beitrag erfährst du, warum die Eismaschine gefühlt immer bei dir defekt ist.

Die Geschichte des kalten Versagens bei McDonald’s

Selbst wer selten zu McDonald’s geht, hat es sicher schon mitbekommen: Den Ärger über die Eismaschine. McFlurry ist seit Jahren ein beliebtes Dessert. Bereits 2017 widmete beispielsweise die „Welt“ deren Ausfällen einen eigenen Artikel.1 Viele weitere folgten, ein Beispiel ist das ZDF. Dort drehte man 2023 eine Doku mit ehemaligen Mitarbeitern, in der das Thema nicht fehlen durfte.2 2020 machte sich McDonalds‘ in einem Twitter/X Beitrag mit einem Witz selbst über die nicht funktionierenden Eismaschinen lustig.3

Es scheint tatsächlich ein häufiges Problem zu sein. Wie oft die Eismaschine wirklich kaputt ist, wusste bislang jedoch keiner. Eben so unbekannt ist der Grund für die auffällig hohe Ausfallquote.

McBroken: Student analysieren das Ausmaß

2020 änderte sich das: Ein Hamburger Informatik-Student war derart frustriert über das regelmäßig fehlende Eis im Sommer, dass er sich per Reverse Engineering die API-Schnittstelle des Fast Food Konzerns genauer anschaute. Über die Smartphone-App kann man feststellen, ob Eis in einer Filiale verfügbar ist. Daraus entstand McBroken: Seine Webanwendung führt regelmäßig Testbestellungen bei allen Standorten in Deutschland durch und zeigt in einer Karte an, wo die Kunden McFlurry bekommen. Das Interesse war riesig, nach weniger als 30 Minuten zählte die Seite mehr als 10.000 Besucher.4

Übersicht von McBroken am 20.01.2025

Später wurde McBroke auf weitere Länder wie die USA, Kanada und Großbritannien ausgeweitet – mehr sind geplant. McFlurry-Fans können sich vor einem Besuch informieren, ob die Eismaschine funktioniert. Interessant sind zudem die daraus gewonnen summierten Zahlen: Zum Recherchezeitpunkt dieses Artikels sind gute 12% aller Maschinen defekt, in New York sogar mehr als doppelt so viele. Während in Deutschland nur einige rote Flecken erkennbar sind, sieht es in den USA daher deutlich schlechter aus. Die Presseabteilung von McDonald’s USA lobte ihn dafür als wahren Fan, der Kunden hilft, an leckere Eiscreme zu kommen.5

Während meiner Recherchen hat sich die Situation laut McBroken sogar verschlechtert: Am 14.01.2024 waren 12% defekt, ein gutes Jahr später sind es sogar 14,7%. Auch in den einzelnen Städten bestätigt sich dieses Bild – etwa mit 32% kaputten Maschinen, statt rund 24,5% im Jahr zuvor.

Warum sind so viele Eismaschinen derart oft kaputt?

Auch wenn die Ausfallquote regional variiert, ist sie messbar hoch. Als Hauptursache wird der hohe Wartungsaufwand genannt. Aus hygienischen Gründen sind die Mitarbeiter verpflichtet, das Gerät einmal pro Tag zu reinigen – sonst könnte es zu bakteriellen Verunreinigungen kommen. Dabei wird die Maschine erhitzt und es müssen mehrere fest angebrachte Teile entfernt werden, um sie separat zu putzen. Laut dem Artikel seien 4h dafür vorgesehen, die jedoch nicht ausreichen. Bei 24h geöffneten Restaurants muss die Reinigung während des Betriebes erfolgen. Dafür würde man Zeiten wählen, in denen wenig los ist. 4h täglich entsprechen etwa 16% des Tages.

Laut mehreren Quellen würden Mitarbeiter die Wartung den Kunden teils nicht kommunizieren – sondern schlichtweg sagen, die Eismaschine sei gerade defekt. Wenngleich sie laut Pressesprecher dazu angehalten seien, den wahren Grund zu nennen.6 Damit wird das Problem seit Jahren erklärt. Viele haben sich auf die Suche gemacht: Schließlich funktionieren alle anderen Prozesse bei McDonald’s einwandfrei, die Eismaschinen stechen seit längerem hervor. Bestellen also alle enttäuschten Kunden ausgerechnet innerhalb des Wartungsfensters ihr Eis?

Startup hackt Eismaschinen mit Raspberry Pi

Doch die Ursache geht tiefer und wird ab 2019 durch ein Startup namens Kytch bekannt: Es brachte ein Gerät auf dem Markt, um klare Fehlercodes der von McDonald’s eingesetzten Taylor C602 Eismaschinen anzuzeigen und damit die Fehlersuche zu erleichtern. Dafür kommt ein Raspberry Pi zum Einsatz. Er schaltet z.B. den Zugang zu einem versteckten, geschützten Service-Menü frei.7 Außerdem war es damit möglich, bestimmte Fehlfunktionen von vorne herein zu verhindern.

Die aufwändige Reinigung blieb zwar bestehen. Doch die Maschinen schienen weitere Probleme zu haben. Kytch schien den Franchise-Betrieben die Arbeit zu erleichtern und erhielt positive Rückmeldungen.8 Als das Gerät von einem Mitglied der größten Konferenz für McDnald’s Franchisenehmer befürwortet wurde, verkaufte Kytch 500 Stück.

Reparatur-Streit landet vor Gericht

Bis McDonald’s Ende 2020 alle Franchisenehmer vor Kytch warnte – die Herstellergarantie der Eismaschinen würde verloren gehen. Einen Tag später kündigte der Fast-Food Konzern mit „Taylor Shake Sundae Connectivity“ ein ähnliches Gerät zu Kytch an. Dieser soll per Chatnachricht informieren, wenn ihre Maschine ein Problem hat. McDonald’s gibt an, Kytch habe eine Fernwartungsfunktion, die zu potenziellen Verletzungen führen könnte – deswegen hatte man Sicherheitsbedenken. Kytch behauptet, der Konzern habe seine Idee gestohlen. Dies würde eine Verletzung der Nutzungsbedingungen durch die Franchisenehmer darstellen. Doch McDonald’s verneint dies: Man habe nichts falsch gemacht und es gäbe keine Verschwörung.910

4,7 Milliarden Dollar: Hack der Eiscrem-Maschine offenbahrt den wahren Grund

Die für Reparaturanleitungen bekannte Plattform iFixit ist 2023 auf die Eismaschinen des Fast-Food-Konzerns aufmerksam geworden. Dort schaut man genauer hin und stellt fest: Der Hersteller (Taylor) missbraucht Urheberrechtsgesetze, um Fehlercodes sowie Wartungsanleitungen unter Verschluss zu halten. Den Kunden (hier die McDonald’s Franchise-Nehmer) werden damit die Grundlagen verwehrt, damit sie kaputte Maschinen selbst wieder flott machen könnten.

Stattdessen bleibt ihnen nur der Kundendienst des Herstellers – das schreibt Taylor vor.11 Ansonsten droht ein Verlust der Garantie.12 Der hat eine selbst geschaffene Monopolstellung, die im Kapitalismus natürlich gnadenlos ausgenutzt wird: 4,7 Milliarden Gewinn bringen die Eismaschinen. Über 25% des Umsatzes von 300 Millionen US-Dollar stammen aus Wartung & Reparatur.

Alte Urheberrechtsgesetze schützen skrupellose Konzerne, statt Kunden

Obwohl Hersteller durch proprietäre Bauteile, fehlende Dokumentationen und andere Stolpersteine die Reparatur so schwer wie nur möglich machen, versuchen es manche Bastler trotzdem. Mit Mehraufwand gelingt ihnen dies sogar erstaunlich oft. In diesem Falle missbrauchen die Konzerne gerne das Urheberrecht, um solche Initiativen im Keim zu Ersticken.

Das US-Recht macht es ihnen einfach: In Absatz 1201 des Digital Millennium Copyright Act (DMCA) wird das Umgehen von Softwaresperren kriminalisiert.13 Beabsichtigt war damit sicherlich, Dritten die Verbreitung von kopiergeschützten CDs oder DVDs zu verbieten. Heutzutage enthalten jedoch immer mehr Geräte Software: Geschirrspüler, Fernseher, Autos und neben vielen weiteren Beispielen auch Küchengeräte wie unter anderem Eismaschinen. Hersteller müssen lediglich ihre Software proprietär lizenzieren und sperren, schon wird die Reparatur kriminalisiert.

Das Problem eskaliert zunehmend

Der DCMA stammt von 1996. Seit 2003 kritisiert die EFF, welche (wohl unabsichtlichen) Folgen das Gesetz entwickelt.14 Bereits 2014 veröffentlichten sie einen 43 Seiten langen Bericht darüber, wie Konzerne den DMCA zur Einschränkung der Freiheit ihrer Kunden ausnutzen. Auch andere Konzerne wie Apple sind vorne mit dabei – alleine dieses Unternehmen wird im Bericht 71x erwähnt. Microsoft kommt darin 45x vor.

Über die Zeit hat sich der Trick zunehmend herum gesprochen und wird immer extremer. Ein aktuelles Beispiel: Apple erst mit iOS 18 (2024) damit begonnen, Ersatzteile per Software an Geräte zu binden.15 Die Freischaltung muss sogar aus der Ferne über Cloud-Systeme des Konzerns geschehen. Damit hat das Unternehmen die volle Kontrolle. Derzeit sind Ersatzteile ohne Freischaltung „nur“ eingeschränkt funktionsfähig. Auch das kann Apple jedoch per Mausklick jederzeit weiter einschränken.16

Unsere Geräte gehören uns nicht mehr: Wie lässt es sich lösen?

Die Ursachen liegen in geschlossenen (proprietären) Plattformen, welche zusätzlich rechtlich besonders geschützt sind. Es mag nachvollziehbar und tolerierbar sein, dass die Verbreitung fremder proprietärer Software verhindert werden soll. Dies als Vorwand für Einschränkungen gekaufter Geräte zu missbrauchen, ist inakzeptabel. Zunehmend sind wir Geräten ausgesetzt, die uns nur noch theoretisch gehören. Praktisch maßen sich Konzerne an, uns immer mehr vorzuschreiben, was wir damit (nicht) machen dürfen und sollen. Sowohl mit ausgesprochenen Verboten, als auch mit aktiven Maßnahmen.

Wir brauchen daher mindestens ein gewisses Maß an Verbraucherrechten, um wieder Herr über unsere eigenen Geräte zu werden. Reparaturen müssen möglich sein, statt kriminalisiert. Noch vor wenigen Jahrzehnten hat man zu jedem Elektrogerät eine ausführliche Dokumentation mit Schaltplänen, Komponenten und weiteren Details erhalten. Bei den ersten Computern wurde sogar der Quellcode mitgeliefert! Zwar ist es keine quelloffene Software im heutigen Sinne gewesen – der Hersteller hatte weiterhin die Urheberrechte zu z.B. der Verbreitung. Doch der Nutzer konnte zumindest die Funktion verstehen und für sich selbst Anpassungen vornehmen. Heutzutage undenkbar. Warum sind wir mit diesem Niveau zufrieden? Transparenz ist möglich, sofern sie gewünscht ist oder erzwungen wird. Freiwillig wird sie nicht zurück kommen – Konzerne profitieren finanziell davon.

Ein kleiner Schritt nach Vorne, bald drei Zurück?

In den USA kam es zu mehreren Klagen gegen Hersteller von Geräten zur Lebensmittelzubereitung, aber auch dem Medizinsektor und anderen Branchen. Ende 2024 wird überraschend eine Ausnahmeregel verabschiedet. Neben Medizingeräten dürfen auch Küchengeräte wie Eismaschinen gehackt werden, wenn dies zur Diagnose oder Reparatur notwendig ist.17 Das ist ein guter erster Schritt, welcher in Deutschland an anderer Stelle versäumt wurde. Denken wir etwa an das Recht zur Privatkopie, die uns zwar (gegen Urheberrechtsabgabe) die Weitergabe im engsten Kreise erlaubt. Leider darf dafür kein Kopierschutz umgangen werden – ein Freifahrtschein für die Industrie.

Die US-Regelung ist dennoch nicht zufriedenstellend: Statt die Fallstricke der Hersteller mühsam wie die Nadel im Heuhaufen suchen zu müssen, wäre eine Pflicht zur Herausgabe von Dokumentationen weitaus kundenfreundlicher – am besten inklusive Quellcode. Durch die Gesetzesänderung wird lediglich das aufwändige Reverse Engineering entkriminalisiert.

Selbst dieser minimale Fortschritt ist seit Donald Trump in Gefahr. Zwar hat er es (noch) nicht per Dekret zerstört, eben so wie das Recht auf Reparatur. Doch bereits wenige Wochen nach der Amtseinführung hat Trump radikale Politik für Unternehmen und gegen Verbraucherschutz durchgeboxt. Weitere sind angekündigt – aus Sicht der US-Regierung seien Techunternehmen überreguliert.18 Mit weitreichenderen Reparaturmaßnahmen ist daher kaum zu rechnen. Stattdessen dürfte fraglich sein, ob erste bestehende Gesetze & Regelungen nicht sogar wieder zurückgenommen werden.

Fazit

Durch das Reinigungsfenster bekommt ihr 4 Stunden lang kein Eis. Dies dürfte sich inzwischen entschärfen, weil seit der Corona-Pandemie viele McDonald’s Filialen über Nacht mehrere Stunden lang geschlossen werden. Im Falle von Defekten sind alle beteiligten jedoch entmachtet und auf den Kundenservice des Eismaschinen-Herstellers angewiesen. Das kann dauern – zumal er keine Konkurrenz fürchten muss. Mit bis zu 1.200 US-Dollar pro Stunde lassen sich zudem üppige Preise erzwingen.19 Dafür sorgt das gezielte Geheimhalten der Funktionsweise. Selbst wer mühsam per Reverse Engineering zumindest Softwaresperren umgeht, macht sich in den USA strafbar. Hierzulande bewegt man sich mindestens auf dünnem Eis.

Dieses rücksichtslose Vorgehen erinnert stark an John Deere, den größten Hersteller von Traktoren & weiteren landwirtschaftlichen Maschinen. Vor Jahren hatte er Reparaturen an eigenen Geräten nahezu verboten. Der Konzern behielt sich sogar das Recht vor, Traktoren bei Verstößen aus der Ferne zu zerstören. Derart fragwürdige Praktiken sind dort seit Jahren gängig. Besserung wird versprochen, Gerichtsverfahren ziehen sich – doch für betroffene Kunden geschieht wenig. In diesem Falle ist auch McDonald’s in der Mitverantwortung.

Den Preis für derart kapitalistische Gier zahlen wir alle doppelt: Zum einen finanziell. Konzerne wie McDonald’s schlagen Mehrkosten durch teure proprietäre Reparaturen auf ihre Produkte auf. Tauscht das Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen defekte aus, weil Reparaturen teuer oder unmöglich sind, schwinden Ressourcen. Außerdem entsteht eine unnötige Umweltbelastung, die letztendlich auch den Lebensraum von uns allen schädigt. Wenn diese Probleme nicht gewichtig genug sind, sollten wir den Sommer nicht vergessen: Während auf den Techniker gewartet wird, gibt es als Kollateralschaden zudem kein Eis… Spätestens bei Eis hört der Spaß doch definitiv auf, oder?

Quellen

  1. https://www.welt.de/wirtschaft/article161453760/Deshalb-fallen-die-Eismaschinen-bei-McDonald-s-so-oft-aus.html ↩︎
  2. https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzeit/zdfzeit-mcdonalds-die-insider-100.html ↩︎
  3. https://twitter.com/McDonaldsDENews/status/1287731302641340418 ↩︎
  4. https://www.nordbayern.de/panorama/eismaschine-kaputt-dieses-tool-zeigt-ihnen-wo-sie-einen-mcflurry-bekommen-1.11339997 ↩︎
  5. https://www.theverge.com/2020/10/22/21529477/mcdonalds-mcbroken-bot-ice-cream-machines-app-engineering ↩︎
  6. https://www.derwesten.de/panorama/vermischtes/mcdonalds-mcflurry-eismaschine-mitarbeiter-zdf-id300621648.html ↩︎
  7. https://www.wired.com/story/they-hacked-mcdonalds-ice-cream-makers-started-cold-war/ ↩︎
  8. https://www.stern.de/genuss/essen/bei-mcdonald-s-sind-staendig-die-eismaschinen-kaputt—ein-kleines-geraet-soll-nun-die-rettung-bringen-9140766.html ↩︎
  9. https://www.eatthis.com/news-mcdonalds-soft-serve-machines/ ↩︎
  10. https://winfuture.de/news,128386.html ↩︎
  11. https://de.ifixit.com/News/84048/mcdonalds-eismaschinen-leiden-an-ueberholten-copyright-gesetzen ↩︎
  12. https://www.inc.com/kelly-main/why-47-billion-in-profits-wont-fix-mcdonalds-ice-cream-machines.html ↩︎
  13. https://www.law.cornell.edu/uscode/text/17/1201 ↩︎
  14. https://www.eff.org/wp/unintended-consequences-under-dmca/archive ↩︎
  15. https://www.iphone-ticker.de/fallbeispiel-wie-reparaturfreundlich-ist-ios-18-wirklich-247568/ ↩︎
  16. https://www.golem.de/news/software-beschraenkungen-ifixit-reduziert-reparatur-note-des-iphone-14-2309-177799.html ↩︎
  17. https://www.404media.co/it-is-now-legal-to-hack-mcflurry-machines-and-medical-devices-to-fix-them/ ↩︎
  18. https://www.golem.de/news/krypto-ki-und-social-media-us-techunternehmen-profitieren-von-trump-regierung-2502-193659.html ↩︎
  19. https://www.watson.ch/leben/international/665687083-darum-sind-die-mcflurry-maschinen-bei-mcdonald-s-immer-kaputt ↩︎

Leave a Reply