Der Outlook-Zwang kommt: Microsoft hat den Outlook-Client neu entwickelt – Nutzer sind genervt von fehlenden Funktionen, dem zunehmenden (Cloud-) Zwang, Werbung sowie exzessiver Datensammelwut. Doch Microsoft geht noch einen Schritt weiter und verteilt das neue Outlook automatisch an alle Windows-Nutzer, teils sogar als Sicherheitsupdate getarnt. Selbst manipulativ gestaltete Wahlmöglichkeiten entpuppen sich als Trickbetrug – egal was der Nutzer anklickt, er wird immer unfreiwillig mit dem „neuen Outlook“ Zwangsbeglückt.
Wenn die neue Version über 70 Funktionen weniger als die alte besitzt
Üblicherweise soll eine neu entwickelte Software deutliche Vorteile bieten: Neue Funktionalitäten, verbesserte Leistung, überarbeitete Oberfläche usw. Ansonsten lohnt sich der ganze Aufwand nicht und man könnte bei der vorherigen Version bleiben. Microsoft scheint das anders zu sehen: Ca. 72 Funktionen fehlen bei der Veröffentlichung oder wurden gar im Vergleich mit dem alten Outlook entfernt.1 Auch in den Monaten danach bleibt die Liste lang.2 Microsofts Foren sind voll von verärgerten Nutzern, die bis heute einen massiven Verlust an Funktionalität beklagen.34
Der Konzern selbst bewirbt das neue Outlook für Windows mit den neuesten Funktionen, „KI“ und ein vereinfachtes Design.5 Nun sind optische Fragen immer Geschmackssache. Im direkten Vergleich mit älteren Versionen (z.B. Outlook 20106) wird schnell klar: In den letzten ~15 Jahren hat sich daran wenig verändert. Die letzte größere Innovation beim Design des gesamten Pakets war die Einführung der Ribbon-Oberfläche mit Office 2007.7 Sie löste klassische Menüs (Datei, Bearbeiten usw) ab. Was die letzten Jahrzehnte versäumt wurde, scheint der Marktführer nachholen zu wollen – und zwar radikal, ohne Rücksicht auf die Nutzer.
Fehlende Kernelemente & Cloud/Onlinezwang
Unter den zahlreichen fehlenden Dingen scheinen vor allem zwei viele Nutzer zu verärgern. Bestimmte Kernfunktionen wie z.B. das PST-Format gehören fest zu Outlook. Darin speichert das Programm sämtliche Daten lokal. Selbst Anfang 2025 wird es vom neuen Outlook noch immer nicht unterstützt. Mittlerweile scheint lediglich der Druck von Seiten der Nutzer so groß geworden zu sein, dass Microsoft eine zukünftige Implementierung immerhin versprochen hatte.
Geplant war das eben so wenig wie die Offline-Unterstützung. Der klassische Outlook-Client speicherte Daten lokal, sodass man auch ohne aktive Internetverbindung auf viele Inhalte zugreifen kann. Beispielsweise im Zug, während keine stabile Verbindung zur Verfügung steht.
Voller Kontrollverlust: Microsoft krallt sich deine Passwörter & E-Mails
Doch weitaus umstrittener ist die Übermittlung von fremden E-Mails inklusive Zugangsdaten. Beim hinzufügen eines E-Mail Kontos sendet Outlook das geheime Passwort des Nutzers an Cloudserver von Microsoft. Diese melden sich dort an, um E-Mails ebenfalls auf Microsofts Servern zu speichern. Vielen Nutzern ist das nicht klar gewesen, da sich das Unternehmen – wie üblich – bedeckt gibt. Grund soll eine bessere Nutzererfahrung bei der Suche sein. Normalerweise speichern E-Mail Clients die Anmeldedaten nur lokal auf dem System. Die Weitergabe von Passwörtern auf fremde Server ist ein NoGo, eben so natürlich die Mails. Kein Programm ist bisher derart dreist gewesen.
Neben dem überschreiten dieser roten Linie ist Microsoft bekannt dafür, die Sicherheit bei ihren Clouddiensten ebenfalls zu vernachlässigen. Microsoft 365 wurde bereits mehrfach gehackt. Der Konzern reagierte katastrophal, spielte den Vorfall herunter. Wie schlimm es wirklich gewesen sein muss, kam erst nach und nach heraus. Das BSI ist derart enttäuscht von Microsofts schweigen, dass sie das Unternehmen verklagen mussten, um endlich Informationen zu bekommen. Wer will freiwillig seine Zugangsdaten & Mails solch schwerwiegenden Risiken aussetzen? Selbst Outlook Desktop hatte bereits erhebliche Sicherheitsmängel, die Angreifern das Nutzerkennwort unbefugt verraten.8
Auch beim neuen Outlook kritisiert das BSI diese Form des Cloudzwangs. Es wird vor dem Risiko des Kontrollverlusts gewarnt.9 Der Bundesdatenschützer ist ebenfalls alarmiert über Microsofts Geschäftspraktiken.10
Über 766 Fremde schauen dir in Outlook über die Schulter
Du findest es unangenehm, wenn dich andere Menschen am PC beobachten? Dann wird das neue Outlook für dich zur Horrorvorstellung: Zumindest Privatkunden werden kräftig an 772 (!!!) Werbepartner verkauft. Es geht um Produktverbesserungen, personalisierte Werbung, Erfolgsmessungen dieser Werbung, Lokalisierung des Standorts und Identifizieren der Nutzer durch das Scannen von Geräten. Die Software wird als „Überwachungsinstrument für gezielte Werbung“ bezeichnet.1112
Selbstverständlich wird auch das neue Outlook als Werbefläche missbraucht. Ansonsten wäre die Datenweitergabe nutzlos und Microsoft würde euch nicht mehrfach abkassieren – undenkbar beim Marktführer! Im Posteingang finden sich daher Pseudo-Einträge, die auf den ersten Blick wie eine E-Mail aussehen. Durch den kleinen „Ad“ Hinweis unterscheiden sie sich davon.13
Sie haben sich wohl von Google Mail inspirieren lassen. Bereits seit Jahren holen sie mit Werbung in GMail noch mehr Geld aus ihren Nutzern heraus. Später wurde dies erweitert.14 Offensichtlich schlucken es genug Anwender, sodass die BWL-Abteilung Potenzial zum mehr Einnahmen generieren sah.
Von der Freiwilligkeit zum Zwang
Das neue Outlook wurde bereits im Mai 2022 erstmals vorgestellt. Wenige Monate später erhielten freiwillige Beta-Tester Zugriff darauf. Seit April 2023 ist es als öffentliche Vorschauversion freigegeben. Ab August 2024 folgte die generelle öffentliche Verfügbarkeit, allerdings nur für Geschäftskunden. Sie können es bei Interesse freiwillig per Opt-In nutzen.15 Ein Wechsel ist jederzeit mit einem Schalter rechts oben in der Oberfläche möglich. Allerdings stellte Microsoft bereits 2023 klar: Nur während der Übergangszeit. Mittelfristig ist geplant, das klassische Outlook einzustellen.16
Wie bei Microsoft üblich, respektiert der Konzern auch diesmal die Freiheit seiner Nutzer nicht einmal im Ansatz. Stattdessen soll offiziell Anfang 2024 damit begonnen, werden die vorinstallierten Mail/Kalender-Anwendungen hinter dem Rücken des Anwenders auf das neue Outlook umzustellen.17 Stattdessen hielt sich MS nicht an den eigenen Plan und startete bereits im Sommer 2023 damit, willkürlich Nutzer umzustellen. Schmutzige Tricks sind wieder an der Tagesordnung: Selbst der „Jetzt Nicht“ Knopf im Dark Pattern Stil ist wirkungslos. Egal was der Nutzer anklickt, er wird zum neuen Outlook gezwungen. Selbst die Kreise von Windows-Fans bezeichnen Microsofts Vorgehen als „einfach nur noch lächerlich“.18
Auch Windows 10 Nutzern droht Zwangsinstallation
Windows 10 bleibt von diesen Gängelungen nicht verschont: Bereits am 19.01.2025 erhalten sie ein zunächst optionales Update. Es führt die Zwangsinstallation vom neuen Outlook durch. Spätestens am 11.02.2025 wird es als Sicherheitsaktualisierung (Februar-Patchday) getarnt, wodurch es sämtliche Windows 10 Systeme automatisch installieren.19 Verhindern lässt sich das nicht – wäre ja noch schöner, wenn einer der größten Konzerne ein Nein von seinen Nutzern akzeptieren würde. Oder sie gar vorher fragen. Wir wissen schon, was gut (für uns) ist.
Windows-Nutzer bleibt lediglich der Opt-Out übrig. Durch Entfernen des Microsoft.OutlookForWindows
APPX-Pakets wird man das unfreiwillig per Update gelieferte Outlook wieder los.20 Zumindest vorerst – wer weiß, welche Gängelungen sich der Konzern in Zukunft noch einfallen lässt.
Warum macht Microsoft das?
Weil sie damit noch mehr Geld aus euch herausholen können: Ihr kauft erst eine Windows-Lizenz. Sei es nur indirekt im Kaufpreis eines neuen PCs/Notebooks mit eingerechnet – die Kassen klingeln. Bei Windows selbst klingeln sie noch mal, das besteht längst aus mehr Werbung als Betriebssystem. Und zwar aber hier regelmäßig, weil ihr bei jeder Nutzung des Gerätes die Werbung konsumiert.
Lasst ihr euch zu einem Cloudabo drängen, klingeln die Kassen schon wieder. Zusätzlich kommt ein saftiger Abo-Betrag dazu, der zudem jedes Jahr fällig wird. Schließlich habt ihr euch tief ins Ökosystem einsaugen lassen. Als neuer Bonus kommt nun das neue Outlook dazu, welches eure Daten und Aufmerksamkeit erneut an hunderte Konzerne verkauft – Microsofts Kassen klingeln noch lauter.
Fazit: Ihr gebt Microsoft recht – die anderen wollen auch!
Seit Jahren verkauft das Unternehmen zunehmend seine Nutzer, statt denen Software. Das halte ich für mehr als dreist. Aber der Erfolg gibt ihnen recht. Sie verdienen Milliarden damit, Tendenz steigend – wie ihr an diesem Beispiel sehen könnt. Früher habe ich das an der Stelle auf andere Branchen übertragen, um die Absurdität zu unterstreichen. Meist Autos, weil das für jeden greifbar ist: Stellt euch vor, auf dem neuen Vollpreis-Auto klebt plötzlich Werbung. Oder die Autobatterie ist fest verklebt, sodass sie nicht mehr austauschbar ist.
Die Realität hat mich mittlerweile eingeholt: Seit mindestens 6 Jahren zeigt Jeep in ihren Autos Werbung an. Das erhielt erst kürzlich mediale Aufmerksamkeit, weil Jeep immer mehr Werbung ausspielt.21 Fallen euch Parallelen auf? Wie Microsoft eskalieren sie stetig weiter. Warum sollte man sich mit exorbitanten Einnahmen zufrieden geben, wenn man noch exorbitantere haben kann? Konzerne kennen kein genug, das gibt es im Kapitalismus nicht. So lange ihr das Zeug immer noch kauft/nutzt, ist das Signal an die BWLer klar: Da ist weiter Potenzial, um mehr Geld aus euch heraus zu holen – also bitte weiter machen. Die Konkurrenz macht natürlich gerne mit, wo mehr Profit lockt.
Nur verärgert sein reicht nicht,22 das interessiert keinen. Ihr werdet für Konzerne erst wichtig, wenn sie eure Wut finanziell spüren. Heißt in dem ihr aufhört deren Produkte zu kaufen bzw. im Falle von mit Werbung/Tracking verseuchter Software diese zu konsumieren.
Quellen
- https://www.reddit.com/r/sysadmin/comments/13lo7u6/list_of_new_features_and_missing_features_in_the/ ↩︎
- https://utk.teamdynamix.com/TDClient/2277/OIT-Portal/KB/ArticleDet?ID=149797 ↩︎
- https://techcommunity.microsoft.com/discussions/outlookgeneral/new-outlook-is-missing-too-many-features/4281533 ↩︎
- https://answers.microsoft.com/en-us/outlook_com/forum/all/new-outlook-lots-of-missing-features/3396aceb-ae62-432c-a4ec-e0b48d1651ba ↩︎
- https://support.microsoft.com/en-us/office/getting-started-with-the-new-outlook-for-windows-656bb8d9-5a60-49b2-a98b-ba7822bc7627 ↩︎
- https://softsell24.de/microsoft-outlook-2010-windows/https://softsell24.de/microsoft-outlook-2010-windows/ ↩︎
- https://www.ra-micro-weimar.de/ribbon-menue-office2007.php ↩︎
- https://www.borncity.com/blog/2024/01/21/kalendereinladung-in-outlook-kann-ber-cve-2023-35636-kennwort-verraten/ ↩︎
- https://www.heise.de/news/Neue-Outlook-App-BSI-sieht-Cloudzwang-kritisch-9536892.html?view=print ↩︎
- https://winfuture.de/news,139517.html ↩︎
- https://winfuture.de/news,140655.html ↩︎
- https://www.borncity.com/blog/2024/01/17/neue-outlook-app-als-datenkrake-und-berwachungsinstrument-fr-gezielte-werbung/ ↩︎
- https://www.ghacks.net/2024/02/02/microsoft-sneaks-ads-into-the-new-outlook-for-windows/ ↩︎
- https://9to5google.com/2023/05/05/gmail-ads-increase-2023/ ↩︎
- https://www.codetwo.com/admins-blog/new-outlook-for-windows/ ↩︎
- https://winfuture.de/news,138302.html ↩︎
- https://www.heise.de/news/Microsoft-macht-Ernst-Mail-und-Kalender-wird-durch-neues-Outlook-ersetzt-9639173.html?view=print ↩︎
- https://www.drwindows.de/news/abloesung-der-mail-und-kalender-app-durch-das-neue-outlook-jetzt-wirds-endgueltig-albern ↩︎
- https://winfuture.de/news,148080.html ↩︎
- https://www.golem.de/news/microsoft-neues-outlook-kann-von-windows-10-entfernt-werden-2501-192373.html ↩︎
- https://www.golem.de/news/jeep-sobald-das-auto-anhaelt-wird-werbung-angezeigt-2502-193217.html ↩︎
- https://www.handelsblatt.com/mobilitaet/motor/autoindustrie-werbung-im-navigationssystem-jeep-veraergert-us-kunden/100107584.html ↩︎